Westfalenpost, Hagen
Samstag, 23. April 2005
Es gibt doch Hoffnung
WESTFALENPOST: Krimis, Krimis und nochmals Krimis. Wann sind Sie der Sucht verfallen?
REINHARD JAHN: Schon als Frühpubertierender. Das Taschengeld reichte nicht für Karl-May-Bücher, da musste ich mich mit billigen Jerry-Cotton-Heftchen begnügen.
FRAGE: Wie viele Krimis haben Sie seitdem verschlungen?
JAHN: Etwa 3000 waren es, aber es könnten auch ein paar mehr sein.
FRAGE: Auch schon mal einen Krimi gestohlen?
JAHN: Nächste Frage.
FRAGE: Ich muss Ihnen jetzt einen Vorhalt machen: 3000 Mordfälle in 49 Lebensjahren -das schafft doch kein gesunder Mensch. Wohl nicht alle Bücher bis zu Ende gelesen?
JAHN: Bis vor ein paar Jahren habe ich jedem Werk eine Chance bis zur letzten Seite gegeben. Inzwischen gebe ich jedem Buch nur die Chance eines Abends. Wenn ich pünktlich eingeschlafen bin, kommt es sofort ins Archiv.
FRAGE: Was macht einen schlechten Krimi aus?
JAHN: Nebel, Maschinengewehre, schreiende ~Frauen, smarte Sprücheklopfer und ein Mörder, der Gärtner ist.
FRAGE: "Die Hitliste der schlechtesten Krimis aller Zeiten - jetzt will ich Namen hören! Sie brauchen sich aber nicht selbst zu belasten.
JAHN: Die schlechtesten Krimis aller Zeiten: 60 der 70 Romane von Edgar Wallace.
FRAGE: Verpfeifen Sie jetzt auch die besten Krimiautoren?
JAHN: Bei den Klassikern Georges Simenon, schon wegen der Schönheit der Sprache. "Maigret in Holland" ist sein bester Kommissar-Maigret. Wegen der Klarheit der Gedanken würde ich auch einen Krimi von Eric Ambler empfehlen: "Die Maske des Dimitrios".
FRAGE: Ganz unter uns: Der lustigste deutsche Krimi?
JAHN: Gibt's nicht, wir sind schließlich deutsch!
FRAGE: Aber die besten deutschen' Krimi-Schreiber?
JAHN: Für mich Anne Chaplet ("Russisch Blut") und Friedrich Ani ("Tabor Süden"-Serie). Sie haben vielversprechende Romane vorgelegt, die den deutschen Krimi aus den Grenzen der Regionalkrimis herausführen.
FRAGE: Sie wollen doch jetzt nicht den beliebten Regionalkrimi zu Unrecht belasten?
JAHN: Ich muss zugeben, bei einigen Sauerlandkrimi von Kathrin Heinrichs habe ich schon laut gelacht. Es gibt also Hoffnung.
Mit Reinhard Jahn sprach Helmut Ullrich
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Helmut Ullrich/Reinhard Jahn: Es gibt doch Hoffnung
Interview
In: WESTFALENPOST, 23.4.2005