7.5.11

CRIMINALE 2011

Jetzt ist also der Moment gekommen, wo ein irgendein alter Sack aus dem Vorstand auf die Bühne gezerrt wird darüber reden muss, wie das früher war und wie das alles gekommen ist.
Dazu möchte ich erstmal festhalten: Ich war nie im Vorstand.
Also habe ich mich gefragt, wie man ausgerechnet auf mich gekommen ist,  um die letzten 25 Jahre CRIMINALE nochmal so richtig aufzuarbeiten.
Naja, hieß es da im Organisationsbüro - Wir wissen ja, dass du keinen Alkohol trinkst und deshalb bist du wahrscheinlich der einzige, der sich noch komplett und ohne Lücken daran erinnern kann, wie das überall bei den CRIMINALEN gewesen ist.

Ja, kann ich. Ich kann mich an alles erinnern. An 25 CRIMINALEN, 25 Mal Tango Criminale. 25 Mal die langen Abende - ach was: die durchgemachten Nächte in Hotelbars überall in Deutschland, in denen wir das Personal nachhaltig traumatisiert haben.
"Ich habe so viele Dinge gesehen und gehört", habe ich gesagt, "worüber speziell soll ich denn jetzt reden..."
Naja, haben sie mir gesagt, eigentlich kannst du über alles reden - nur nicht über fünf Minuten.
Ist das klar?
Klar.
Wie ist das also alles so gekommen mit dem Syndikat und der CRIMINALE? Was ist in den letzten 25 Jahren alles passiert - angefangen von der ersten CRIMINALE im Revierpark Nienhausen in Gelsenkirchen. Da war da Syndikat gerade mal ein halbes Jahr alt, und die deutsche Krimiszene bestand aus - na sagen wir mal anderthalb Fußballmannschaften.  Man kannte sich, und wen man noch nicht kannte, den lernte man dann eben in Gelsenkirchen kennen. Wie zum Beispiel Hansjörg Martin, der aus Mallorca herübergekommen war und den ich in Gelsenkirchen zum ersten Mal persönlich treffen durfte.
Hansjörg Martin! Der, der mich quasi zum Krimi gebracht hatte. Zusammen mit -ky und Mike Molsner, die mich angefixt hatten.
»Ich freue mich, Herr Martin...«
»Sag einfach Philip zu mir!«.
So einfach war es von Anfang an im Syndikat und bei der CRIMINALE: Das CRIMINALE-DU schweißt uns zusammen, das CRIMINALE-DU heißt: Hallo, ich schreibe auch Krimis, wir brauchen uns also gegenseitig nichts vorzumachen.
Das CRIMINALE-DU heißt: wir ziehen alle an einem Strang, wir sitzen alle in einem Boot (also eher: wir sitzen alle an einer BAR), und es heißt vor allem: ich weiß, was du letztes Jahr bei der CRIMINALE gemacht hast!

Warum die CRIMINALE überhaupt in Leben gerufen worden war? Nun, beim SYNDIKATS-Gründungstreffen waren wir uns einig dass die Welt da draußen einfach zu wenig über den deutschen Krimi wusste und wir ihr deshalb unbedingt sagen sollten, dass wir gut waren.
Also gingen wir hin und sagten der Welt, wie gut wir waren: Bei den Lesungen an den Tatorten der Criminale. Zuerst war es nur eine Handvoll, dann wurden es immer mehr, bis wir jetzt aktuell hier in Mönchengladbach mehr als hundert (einhundert!) auf dem Programm haben.
Und dabei sind wohl die internen Workshops noch nicht einmal mitgezählt, in denen es um Forensik, Profiling. Gutes Schreiben und noch besseres Verkaufen geht. Und um die Selbstversuche, bei denen wir ermitteln, wieviel Alkohol in einen gewöhnlichen Krimiautor hineinpasst.

CRIMINALE feiern heißt nämlich nicht nur: Lesen, lesen lesen - in Büchereien, Museen, Stadthallen, Bierkellern, Höhlen, auf Dachböden, in Schwimmbädern, auf Burgtürmen, in Bettenhäusern, Münzwaschsalons, Pornokinos, Eisdielen, Stehcafés und und und,
CRIMINALE heißt nicht nur TANGO CRIMINALE mit der feierlichen Verleihung unserer Preise, des Friedrich Glauser Preises und des Hansjörg Martin Preisens,...
....nein  CRIMINALE heißt ganz besonders auch:
Mit den Kolleginnen und Kollegen abend in der CRIMINALE Bar zusammensitzen und zusammenstehen und... ja, was? Reden und trinken und trinken und reden.
Und Krimi-Autoren können sowohl das eine als auch das andere. Glauben Sie mir. Ich habe mehr als einmal gesehen, wie wir eine Hotelbar leergetrunken haben!
Es heißt ja, die CRIMINALE sei jedes Jahr an einem anderen Ort, weil wir niemanden bevorzugen wollen - aber die Wahrheit aber, dass kein Ort - vom Hochsauerlandkreis mal abgesehen  - nach einer durchgestandene CRIMINALE das Risiko eingehen möchte, uns nochmal einzuladen.
Wie gesagt - ich habe sie alle erlebt, die CRIMINALEN in Moers, Berlin, München, Koblenz, in Hamburg, Bremen. Potsdam, Daun und Neustadt, in Gladbeck, Gießen, Wien in Jever und Mosbach und in wo wie sonst noch gewesen sind, um eben mörderisch gute Unterhaltung unters Volk zu bringen. Und ich kann einiges von der CRIMINALE- erzählen - natürlich habe ich alle Namen verändert- um Unbeteiligte zu schützen - und natürlich auch, weil einiges noch nicht verjährt ist....
... wie etwa die Hunger-Criminale von Koblenz, als das Büfett nach dem Tango so schmal ausfiel, dass die mehr als hundert SYNDIKALISTEN über die unschuldige Obst-Dekoration des Büffets herfielen

... oder die Aftershowparty des Münchener TANGO CRIMINALE, die nur das "Bongo-Bar-Desaster" genannt wird - als durch einen Einladungsfehler nicht nur alle SYNDIKATS-Mitglieder, sondern auch die halbe Belegschaft von Random House - also mehr als 200 Menschen - sich auf den gefühlten 50 Quadratmetern eines Etablissements namens "Bongo-Bar" trafen, das nachher einer Grundsanierung unterzogen werden musste.
... von wilden Gesängen im CRIMINALE Hotel ebenfalls in Koblenz, wo dann zu fortgeschrittener Stunde einige kriminelle Mitglieder den Flügel in der Hotelbar aufgebrochen haben, damit die Sänger am Klavier begleitet werden konnten...
...wir haben uns beim TANGO CRIMINALE amüsiert über Zauberer, die nicht zaubern konnten,
Jongleure, denen die Keulen ins Publikum flogen,
Kampfsportler, der sich gegenseitig k.o.-schlugen, Disco-Tänzer, die beinahe von der Bühne gestürzt wären.
Aber natürlich haben wir auch brillante Nummern geben beim Tango. Von Helge Schneider. Von Klaus Doldinger, und und und...
Mit den Jahren ist das Syndikat immer größer geworden und damit natürlich auch die CRIMINALE. Nach den beschaulichen Anfangs-CRIMINALEN der Anfangszeit begann mit der Jahrtausendwende auch für das SYNDIKAT und die CRIMINALE eine neue Zeit. Es gab inzwischen mehr als 200 Mitglieder, die Veranstaltungsetats wurden sechsstellig - und die CRIMINALE ist inzwischen nicht nur ein feststehender Termin in den Veranstaltungskalender von Krimifreunden und Fans geworden, sondern auch eine beim Patentamt eingetragene Marke - um uns vor Plagiaten zu schützen. Denn: Wer CRIMINALEN nachmacht oder verfälscht oder nahgemachte CRIMINALEN veranstaltet … nun ja, der bekommt erst Besuch von unserm Anwalt und dann von unserm Vorstand…

So, ich habe jetzt zwar noch nicht über alles geredet, aber schon über fünf Minuten  - deshalb ist jetzt hier auch Schluss.
Jedenfalls mit meiner Rede -
denn die CRIMINALE, - die 25. -  fängt jetzt erst richtig an - und dazu wünsche ich Ihnen hier und uns allen viel Vergnügen mit dem Motto.
Liberté - Fraternité - Criminalité