30.10.11

DAS KRIMI-RÄTSEL: Besuch im Safe

DAS KRIMI-RÄTSEL

Besuch im Safe
Von John Miller

Mitarbeiter von Sander-Sicherheit holten die Einnahmen der Kaufhäuser ab und brachten sie in die Zentrale, wo das Geld in einem gesicherten Raum gezählt und gebündelt wurde. "Dieser Zählraum hat Stahlbetonwände", erläuterte Gero Sander, der Inhaber des Unternehmens, als er mit Kommissar Lux in den fensterlosen Raum trat. "Der einzige Zugang ist diese Stahltür, deren elektronisches Nummernschloss nur geöffnet werden kann, wenn man den Zifferncode eingibt. Und doch ist jemand eingebrochen."

"Wurde Geld gestohlen?", fragte Lux. Sander schüttelte den Kopf und schaltete einen Computermonitor neben der Tür ein. "Der Türmechanismus registriert jede Öffnung der Kammer mit der Uhrzeit", sagte Sander. "Ich habe diese Sicherheitsmaßnahme programmiert." Er zeigte auf die letzten Eintragungen. "Gestern um 17 Uhr wurde die Kammer verschlossen", sagte er. "Nach unseren Plänen hätte sie erst heute um 9 Uhr wieder geöffnet werden dürfen. Doch jemand hat die Kammer um 0.36 Uhr geöffnet und um 0.42 Uhr verlassen. Zu dieser Zeit waren nur drei Personen im Gebäude: Linda Bach, Max Adler und Carl Shiffer. Sie gehören zum Wachdienst. Ihre Schicht fing gestern um 18 Uhr an!"
"Haben Sie nach Fingerabdrücken suchen lassen?"

"Natürlich!" Sander wies auf eine neue Geldzählmaschine. "Die haben wir letzte Woche angeschafft. Auf der Maschine habe ich Abdrücke von den dreien gefunden. Aber das ist normal, das Sicherheitspersonal wird auch zum Geldzählen eingesetzt. Wollen Sie mit ihnen sprechen?"
Lux nickte. "Sie waren in Urlaub?", ragte Lux gleich darauf die braun gebrannte Linda.
"Vier Wochen Karibik! Gestern war meine erste Schicht."
"Sie waren letzte Nacht in der Panzerkammer!", sagte Lux zu ihr. 

Lösung: Auf der neuen Maschine waren Lindas Fingerabdrücke, obwohl sie am Vortag nach einem vierwöchigen Urlaub ihre Dienstschicht um 18 Uhr erst wieder angetreten hatte.
(C) Alle Rechte vorbehalten.
Rechte durch: Bulls Pressedienst

Meg Gardiner: Die Strafe (The Memory Collector)

Spannende Thriller-Unterhaltung.

Jo Beckett ist forensische Psychiaterin bei der Polizei in San Francisco - sie hat eigentlich nur mit toten Klienten zu tun: wenn sie Gutachten über die Umstände ihres Todes oder der psychischen Hintergründe macht.
Bei Ian Kanan liegt der Fall anders: Ian ist mit dem Flug aus Heathrow, England, angekommen und hat das Flugzeug verlassen wollen, noch ehe es ausgerollt war. Er wirkt desorientiert, ist gewalttätig und konnte von einigen Mitpassagieren nur mit Müh und Not gebändigt werden.

Jo Beckett stellt schnell fest: Ian leidet an anterograder Anmnesie - er hat keine Erinnerung - und er kann keine aktuellen Erinnerungen mehr bilden.
Was ist mit dem Mann - er kommt aus Afrika - passiert? Jo Beckett und ihre Kollegen von der Polizei bekommen nur bruchstückhafte Informationen: Ian Kanan soll als freiberuflicher Sicherheitsexperte für eine Biotechnologiefirma unterwegs gewesen sein.
Von ihm selbst kann Jo Beckett keine Informationen mehr bekommen: Ian flieht und versucht, sich durchzuschlagen. Er steht enorm unter Druck, wie wir als Leser nach und nach erfahren: Man hat seine Familie gekidnappt und verlangt von ihm, dass er eine Probe der Substanz SLICK besorgt, die von der Biotech-Firma entwickelt wurde, für die er arbeitete.
Was wiederum Ian nicht ahnt: Er ist offenbar selbst mit dieser Substanz infiziert - sie hat seinen Gedächtnisverlust hervorherufen. Und er ist selber infektiös, wie Jo Beckett klar wird, als sie ersten Menschen sterben, die mit Ian im Flugzeug zu tun hatten.
Spannende Thriller-Unterhaltung.
Text: Reinhard Jahn


Meg Gardiner
Die Strafe (The Memory Collector)
Heyne

Horst Eckert: Schwarzer Schwan


Ein Thriller über Gier, Korruption und Geld. Spannend und erzählerisch versiert legt Horst Eckert Schicht um Schicht des Systems frei, nach dem der Kapitalismus in Zeiten der Finanzkrise fuktioniert.

Schauplatz Düsseldorf - aber auch: Die Finanzmärkte der Welt. Bei der RheinBank arbeitet Hanna Kaul in der Abteilung die Unternehmenszusammenschlüsse und -übernahmen vorbereitet und finanziert. Sie hat die Übernahme, mit der die "Mitteldeutsche Kali" einen Mitbewerber schlucken will, perfekt eingetütet - als der Vorstand ihr einen Strich durch die Rechnung macht Der Deal scheitert, es gibt bei der Aktie der Mitteldeutschen Kali einen deutlichen Ausschlag, und schnell stellt Hanna fest, dass bei diesem Kurssprung jemand kräftig verdient hat. Ihre Vermutung: einige Herren aus dem Vorstand der RheinBank selber haben mit einer Briefkastenfirma in einer Steueroase abgesahnt.

Aber wir sind ja immer noch in Düsseldorf - und Horst Eckert ist bekanntermaßen Autor von Polizeiromanen. Deshalb jetzt: Auftritt Dominik Roth aus der Abteilung für Betrug im Düsseldorfer Präsidium. Er möchte gern  ins KK11, das ist "Delikte am Menschen", sprich die Mordkommission. Als eine Lobbyistin der Deutschen Börse in Düsseldorf erschossen wird, ehe sie sich mit einem alten Freund, dem Bundestagsabgeordneten Mierscheid treffen kann, sieht er seine Chance, mit seinen Fachkenntnissen bei den Mordermittlern hinzugezogen zu werden.

Dann wird ein weiterer Toter gefunden - ein kleiner Ganove, der mit geklauten Aktentaschen vom Flughafen Geschäfte machte. Doch was Dominik bei ihm findet, alarmiert ihn: Observationsfotos einer Frau, die Roth selber in sienem Nebenjob als Detektiv für einen Sicherheitsdienst - vor kurzem selber beobachtet hat. Der Name der Frau: Hanna Kaul.

Ein Thriller über Gier, Korruption und Geld. Spannend und erzählerisch versiert legt Horst Eckert Schicht um Schicht des Systems frei, nach dem der Kapitalismus in Zeiten der Finanzkrise fuktioniert.
Reinhard Jahn




Horst Eckert
Schwarzer Schwan
grafit

Kathy Reichs: Fahr zur Hölle


Auf einer Mülldeponie bei Charlotte, North Carolina, wird ein Toter gefunden verpackt in einer Tonne Teer. Ein Fall, zu dem man Temperance Brennan, forensische Anthropologin, hinzuzieht.
Man ist etwas angespannt, denn in diesen Tagen finden die NASCAR-Rennen in Charlotte statt, Wettbewerbe im Stock-Car Rennen, die hier zuhause sind und sowas wie einen Nationalsport darstellen. Die Rennveranstalter wollen natürlich nicht, dass ihre Veranstaltung mit dem Leichenfund in Zusammenhang gebracht wird.
Aber den könnte es geben, denn Mister Raines, ein Mitarbeiter des  CDC (Center for Desease Control) und Stockcar-Fan, ist kürzlich in Charlotte verschwunden.
Auch Lovette, ein junger Mann aus dem Umkreis der Stockcar-Rennen ist schon seit längerer Zeit nicht mehr aufgetaucht.
Was auffällig ist:  Wayne Gambell, Rennstallverantwortlicher, sucht eindringlich den Kontakt zu Tempe Brennan - und das sicher nicht nur, weil seine Schwester Cindi vor Jahren gemeinsam mit dem jungen Lovett verschwunden ist. Tempes Vermutung, dass Wayne  gern auf dem Stand der Ermittlungen sein möchte, um zu verhindenr, dass die Rennveranstaltung in die Sache hineingezogen wir,das ist ebenso naheliegend wie richtig..
Über den verschwundenen Lovette tun sich Verbindungen zu Rechtsradikalen  und Bürgermilizen auf, der junge Mann stand deshalb unter FBI-Observation - als er verschwand.  Bearbeitet wurde der Fall seinerzeit - 1968  - von Tempes erschossenem Bekannten, Detective Rinaldi und Cotton Galimore der jetzt der Sicherheitschef der Rennstrecke ist. Wenn das kein Zufall ist.

Temperance Brennan - oder "Bones" - ist einer der langlebigsten Serienheldinnen im Bereich des Pathologen-Krimis. Anders als ihre Kollegin Kay  Scarpetta aus der Feder von Patricia Cornwell bleibt Temperance  immer bei der Sache und verzettelt sich nicht zu sehr ins Privatleben. Dazu kommen die interessanten Milieus und Szenerien, in die sie ihre Fälle führen - diesmal sind es die Stockcar-Rennen in Charlotte.
Kathy Reichs, Jahrgang 1950, ist eine von 50 zertifizierten forensischen Anthropologinnen, die in den USA und Kanada arbeiten.
Fans der Fernsehserie "Bones", die auf ihren Büchern beruht, sollten sich allerdings auf eine etwas andere Temperance Brennan und eine härtere Gangart der Geschichte gefasst machen. Die Fernsehserie ist natürlich für ein Familienpublikum gemacht  und kann manches nicht so ausführlich schildern, wie man es im Roman darstellen kann.

Kathy Reichs
Fahr zur Hölle
Blessing Verlag

Jan Zweyer: Persilschein

Lesenswerte, spannende Krimi-Unterhaltung vor einem gut recherchierten historischen Hintergrund. Eine Ruhrgebietsgeschichte voller Ruhrgebietsgeschichte.

Herne, Ruhrgebiet; 1950. Der Krieg ist seit fünf Jahren zu Ende, Deutschland beginnt mit dem Wiederaufbau, und dazu gehört auch die sogenannte "Entnazifizierung", bei der Ausschüsse der Alliierten darüber entscheiden, wer zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft Mitläufer war, wer wenig belastet und wer schwer belastet ist.
Soweit die Theorie. In der Praxis ist das alles relativ -  wie  Kommissar Peter Goldstein aus Herne am Rande seiner Ermittlungen in einem Mordfall mitbekommt. Mit den richtigen Verbindungen und in teilweise zynisch anmutenden Kooperationen kann man es ganz einfach schaffen, als "unbelastet" eingestuft zu werden - also den so genannten "Persilschein" bekommen. Man braucht einfach eine oder besser noch zwei Zeugenaussagen oder Bestätigungen, dass man diesem oder jenem während der Nazizeit geholfen habe, oder dass man schon während des Dritten Reiches eine kritische Einstellung zum Staat gehabt habe. Solche Bestätigungen sind leicht zu haben - ehemalige Häftlinge, die wegen krimineller Vergehen im KZ waren, mutieren da schnell zu "politischen Gefangenen", die einem anderen gern bescheinigen, dass er eigentlich ein Widerstandskämpfer war.

Peter Goldstein hat einen Mordfall zu bearbeiten - einem Mann ist mitten in Bochum nachts der Hals durchgeschnitten worden. Bei den ersten Ermittlungen kommt heraus, dass der Tote ein Doppelleben geführt hat, mit zwei Wohnungen und zwei Identitäen - was hat er zu verbergen gehabt?
Was Goldstein nicht weiß, aber immer wieder bei seinen Ermittlungen zu spüren bekommt: hinter sienem Rücken arbeitet sein Chef, Kriminalrat Saborski, gegen ihn denn Saborski will genau wie manch anderer verbergen, in welche Machenschaften und Geschäfte er während der Naziherrschaft verstrickt war.
Eine Zeit, an die auch Peter Goldstein sich nicht gern erinnert, denn er ist selbst Mitläufer und Mittäter im System gewesen wie wir in "Goldfasan" dem vorhergehenden Roman erfahren haben. Mit "Persilschein" schließt Jan Zweyer seine Goldstein-Trilogie ab, die mit "Franzosenliebchen" begann, einer Geschichte, die zur Zeit der französischen Bestezung des Ruhrgebietes spielte.

Lesenswerte, spannende Krimi-Unterhaltung vor einem gut recherchierten historischen Hintergrund. Eine Ruhrgebietsgeschichte voller Ruhrgebietsgeschichte.
Reinhard Jahn




Petra Busch: Mein wirst du bleiben


So einfühlsam und genau wie Petra Busch erzählt im Augenblick keine  andere deutsche Autorin von Verbrechen und Mord. Keine schaut genauer hin, keine bringt das Leben und das Verbrechen so auf den Punkt.

Das ist ein seltsamer Todes- bzw Mordfall mit dem sich Kommissar Ehrlinspiel und seine Kollegen von der Freiburger Kripo zu befassen haben: Martin Gärtner, Frührentner, lebte sehr zurückgezogen und fast ohne jeden Kontakt - abgesehen von seinem Hund Jagger - nach Mick Jagger - in einem Sechs-Familienhaus in der Draisstraße, in einem Stadtviertel, das man "das Montmartre von Freiburg" nennt: hier wohnen Studenten und Professoren, Hartz IV-Empfänger und Gutverdiener nebeneinander.

Der Tod von Martin Gärtner sieht zuerst ganz normal aus: Die Hausmeisterin öffnet die Wohnung, weil sie den Hund seit zwei Tagen bellen hört und findet den Toten in der Küche. Die Polizei wird gerufen und auch der Hausarzt, der fast geneigt ist, eine natürliche Todesursache zu bescheinigen - immerhin sind keine Kampfspuren oder Verletzungen zu sehen.
Dass aber etwas nicht mit rechten Dingen zuging, stellt sich erst bei der Obduktion durch den Rechtsmediziner heraus: Martin Gärtner hatte eine Nussallergie - und er starb an einem anaphylaktischen Schock: die Milch aus seinem Kühlschrank war mit Nussöl versetzt.

Für die Polizei stellt sich die Frage: Wer hätte überhaupt ein Motiv gehabt, den zurückgezogen lebenden Mann zu töten? Zum Frührentner war Gärtner wegen der psychischen Probleme geworden, unter denen er litt, nachdem er vor Jahren als LKW-Fahrer ein Mädchen überfahren hatte. Haben hier etwa Angehörige Rache geübt?
Und dann wird die hochbetagte Rentnerin aus dem Dachgeschoss auf der Draisstraße auf perfide Art und Weise getötet...
Ab sofort stehen jetzt die Bewohner aus dem Haus in der Draisstraße im Mittelpunkt der Ermittlungen.

So einfühlsam und genau wie Petra Busch erzählt im Augenblick keine  andere deutsche Autorin von Verbrechen und Mord. Keine schaut genauer hin, keine bringt das Leben und das Verbrechen so auf den Punkt.
Reinhard Jahn


Petra Busch
Mein wirst du bleiben
Knaur

Cornelia Kuhnert: Tödliche Offenbarung

Cornelia Kuhnert zeichnet ein sehr dichtes und stimmiges Bild der niedersächsischen Provinz damals und heute.

Was kann schon viel passieren in der Gegend von Burgdorf und Isernhagen bei Hannover. Eine ganze Menge - denn Provinz muss nicht unbedingt Langeweile bedeuten.
Da ist zuerst einmal der Tote auf dem Golfplatz: Henry Broderich, ein Journalist der etwas zwielichtigen Sorte, der mit seinen Internet-Plattformen wie »Isernhagen-Online« oder »Burgdorf-Online« Stimmung machte. Rechte Stimmung, um genau zu sein, denn er hat Konatkte zu dem Freiherrn von Wörstein, der ein altes Landschulheim in der Gegend gekauft hat - wahrscheinlich, um dort für die "Partei der Aufrechten" eine Art rechtes Schulungszentrum zu errichten.

Die Ermittlungen wegen des Mordes an dem Journalisten werden von den beiden Kommissaren Walter Streuwald und Dieter Borgfeld von der Polizeidirektion Burgdorf geführt, aber auch Kommissar Max Beckmann vom politischen Kommissariat ist bald mit von der Partie. Und mit ihm seine - wie soll man sagen? - ehemalige Freundin, die Journalistin Martha Landeck. Die befasst sich zur gleichen Zeit mit Interviews und Aufzeichnungen aus einem dunklen Kapitel der Stadt Celle: Dort kam es am 8. April 1945, also bei Kriegsende, zu einem grauenhaften Massaker an den Passagiere eines KZ-Transportzuges, die fliehen konnten, als der Zug Ziel eines alliierten Bombenangriff auf den Bahnhof Celle wurde.
Schon bald wird Martha Landeck und den Ermittlern klar, dass es einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen von damals und dem Mord an dem Journalisten von heute gibt.

Cornelia Kuhnert zeichnet ein sehr dichtes und stimmiges Bild der niedersächsischen Provinz damals und heute.
Reinhard Jahn


Cornelia Kuhnert
Tödliche Offenbarung
zu Klampen-Verlag

Elena Sender: Begraben


"Begraben" ist der perfekte Schmöker - ein faszinierendes Psycho-Puzzle mit einer starken, intelligenten Heldin von einer Autorin, die weiß, wovon sie erzählt.

Doktor Cyrille Blake ist Neuropsychiaterin mit einer eigenen Klinik, der Klinik »Centre Dulac« in Paris, wo sie sie sich Patienten mit mittelschweren psychischen Problemen widmet. Im wesentlichen geht es ihr um die Frage, was Glück ist und wie sie ihren Patienten helfen kann, sich glücklich zu fühlen. Also eigentlich: weniger unglücklich.

Der Patient Julien Daumas, der eines Tages wegen Schlafstörungen zu ihr kommt, scheint eher ein Fall zus ein, den Cyrille lieber an eine große psychiatrische Fachklinik überweisen würde. Wenn Julien nicht behaupten würde, dass er Cyrille aus ihrer Zeit als Assistenzärztin am Krankenhaus »Sainte Felicité« vor ungefähr zehn Jahren kennen würde. Doch Cyrille hat keine Erinnerung an ihn, und je länger sie nachdenkt und auch nachforscht, desto klarer wird ihr, dass ihr offenbar die Erinnerung an eine ganze Phase ihres Lebens fehlt, an Wochen und Monate. "Lakunäre Amnesie" heißt der Fachbegriff.
Und was noch bedrohlicher ist: sie wird Julien nicht los, der in seiner Dachwohnung einem seltsamen Hobby nachgeht - er präpariert die Augen von Tieren, die er zuvor selbst getötet hat. Und der sich, was Cyrille nicht ahnt, an ihre Nichte Marie-Jeanne herangemacht hat mit der ganz klaren Absicht, über Marie-Jeanne noch weiter in Cyrilles Leben einzudringen.

BEGRABEN ist das Debüt von Elena Sander, einer französischen Wissenschaftsjournalistin. Dass sie gewohnt ist, komplexe wissenschaftliche Sachverhalte nachvollziehbar und verständlich zu beschreiben, merkt man dem Roman an. Sei es, wie sie verschiedene Psycho-Therapien schildert, oder auch wie sie den Betrieb in der Klinik darstellt: das wirkt alles sehr realistisch, interessant und spannend. Dazu kommt noch  die wirklich beängstigende Grundiee ihres plots die teilweise Amnesie, von der die Heldin eigentlich gar nichts weiß, bis sie damit konfrontiert wird.
"Begraben" ist der perfekte Schmöker - ein faszinierendes Psycho-Puzzle mit einer starken, intelligenten Heldin von einer Autorin, die weiß, wovon sie erzählt.
Reinhard Jahn


Elena Sender
Begraben
Piper

24.10.11

Das große Vergessen – Amnesie im Krimi

Factsheet zu

Die telefonische Mord(s)beratung
WDR5 29.10.2011 21:05 - 23:00


Das große Vergessen – Amnesie im Krimi

Zusammengestellt von Reinhard Jahn

Live aus der Gefahrstoffhalle der DASA (Arbeitsweltausstellung in Dortmund) am Vorabend der Ausstellung Mord im Museum

Das große Vergessen ist ein klassisches Krimithema: Wer bin ich? Wie komme ich hierher? Was ist mit mir passiert? Und vor allem: Bin ich Opfer oder Täter? Die Amnesie-Klassiker stammen von Joy Fielding ("Lauf, Jane, lauf") und Michael Robotham ("Anmesie"). Aber auch Meg Gardiner, Andreas Hoppert, John Katzenbach und Martin Suter haben aus dem totalen Blackout ihrer Hauptfiguren faszinierende Psycho-Thriller gemacht.

Die Krimiexperten Manfred Sarrazin (Krimibuchhandlung Alibi), Reinhard Jahn (Bochumer Krimiarchiv) und die Journalistin Ingrid Müller-Münch stellen die besten Amnesie- und Blackout-Krimis vor. Und helfen den Anrufern der telefonischen Mordsberatung, sich an besonders spannende oder einprägsame Krimi-Leseerlebnisse zu erinnern. Außerdem gibt das Krimi-Kompetenzteam natürlich auch wieder aktuelle Empfehlungen und Tipps. Also auf keinen Fall vergessen: Die telefonische Mordsberatung auf WDR5
Moderation: Thomas Hackenberg
Redaktion: Petra Brandl-Kirsch


Beispiele siehe hier
Das aktuelle Krimi-Ranking: Die elf besten Amnesie-Krimis


Amnesie - im Krimi ...

...wird meist mit der klassischen RETROGRADEN Amnesie erklärt: ein Erinnerungsverlust, der durch ein Schädel-Hirn-Trauma (Schlag auf den Kopf) oder eine ungeheure psychische Belastung (Schock) ausgelöst worden ist.
Klasssischer Anmesie-Krimi: "Lauf Jane, lauf" von Joy Fielding

Nicht ganz so oft wird die ANTEROGRADE Amnesie im Krimi verwendet - ein Erinnerungsverlust, der die Zeit NACH dem auslösenden Ereignis betrifft. Die Person kann sich aktuelle Geschehenes nicht mehr merken.
-Aktueller Titel: Meg Gardiner: Die Strafe
-Aktuelle Titel auch: S.J. Watson: Ich.Darf.Nicht.Schlafen.

Klassisches Kino-Vorbild dafür: "Memento" von Christopher Nolan aus  2000
Ein Film, der in zwei Handlungslinien erzählt, wie ein Mann den Mord an seiner Frau aufklärt, wobei er sich nie daran erinnern kann, was er gerade getan hat.

Der klassische Amnesievorfall im Krimi ist natürlich auch aus der Zeit der hardboiled-Romane bekannt: Der Held wacht morgens neben einer - meist toten - Blondine auf und kann sich nicht erinnern, was passiert ist. Das ist ein kongrade Amnesie - der Verlust der Erinnerung an das auslösende Ereignis der Amnesie. Den meisten von uns ganz normal und ohne tote Blondine als FILMRISS nach exzessivem Alkoholgenuss bekannt.
-Filmbeispiel: Hangover (und HANGOVER II)


Bei den hier erwähnten Amnesie-Formen verlieren die Patienten nicht die Fähigkeiten und Kenntnisse des sogenannten "Alltagswissens" - das heißt, sie sind durchaus in der Realität orientiert und verfügen über das grundsätzliche zu ihrer Person gehörende Allgemeinwissen.
Zum Thema "Unglaubwürdige Anmesie im Hollywoodfilm" ein Beitrag aus der Zeit:
http://www.zeit.de/2005/01/Ged_8achtnis


Authentische Amnesiefälle der jüngsten Zeit waren etwa:

"Herr Freitag"
...ein Mann Ende 40, der Anfang 2011 in Köln bei der Polizei auftauchte, nachdem ihm in der Gegend um den Bahnhof herum klar geworden war, dass er das Gedächtnis verloren hatte. Herr Freitag -   so genannt nach dem Tag, als er sich meldete, blieb im Krankenhaus, während die Polizei öffentlich nach Informationen über seine Identität suchte. Freunde und Bekannte erkannten in ihm einen 54jährigen Hildesheimer - aber auch nachdem seine Identität feststand, gab Herr Freitag an, sich nicht daran erinnern zu können. Wie bei vielen Amnesie-Fällen stellte sich auch bei ihm die Frage, ob er die Amnesie ganz oder teilweise nur simulierte.


Der "Piano Man"
...war ein junger Mann, der 2005 an der englischen Küste bei Sheerness aufgefunden wurde und angeblich das Personal des Krankenhauses, in das er gebracht wurde, durch sein perfektes Klavierspiel verblüffte. Die Spekulationen um die Identität des "Piano Man" schossen schnell ins Kraut. Letztendlich offenbarte sich der "Piano Man" als ein 20-Jähriger aus Bayern, der auf See einen Selbstmordversuch unternommen hatte. Inwieweit er seine Amnesie vorgetäuscht hatte oder sie tatsächlich auf seiner Psychose oder einem autistischen Krankheitsbild beruhte, ist nicht geklärt.
Und auch sein angeblich großartiges Klavierspiel soll eine Medienerfindung gewesen sein - jedenfalls sagten Krankenhausangestellte später, er habe nur auf dem Klavier "geklimpert".



Die Amnesie als Thema kam mit der Entwicklung der Psychoanalyse Mitte des 20. Jahrhundert in den Krimi. Sie führte den (zunächst erst einmal) männlichen Helden auf die Frage zurück:
Bin ich gut oder böse, bzw bin ich schuldig (die tote Blondine!) oder nicht?

Dieses "ewige" Thema zieht sich durch bis in die aktuelle Literatur - der Neo-Bond "Jason Bourne" wacht zu Beginn am Ufer des Mittelmeeres auf und kann sich nicht erinnern, wer er ist. Und fatalerweise führen auch bei ihm die meisten Spuren, die er auf der Suche nach seiner Identität aufnimmt, nur wieder zu falschen (also gefälschten) Identitäten.

Der Held eines Amnesie-Romans ist meist unschuldig - was er nach längerem Nachforschen entdeckt. Diese Strecke der Suche nach sich selbst bietet einem Erzähler viele Möglichkeiten, spannende und interessante Situationen zu erfinden, die den Leser fesseln. Das funktioniert um so besser, je näher man als Leser bei der Hauptfigur ist.

In den Achtzigern kam die Amnesie im Krimi auch zu den Frauen. Und fast analog zur Initialsituation des harten Kerls, der neben der toten Blondine aufwacht, sehen sie weiblichen Hauptfiguren sich in den Romanen plötzlich nach ihre Gedächtnisverlust mit einem (Familien-)Leben konfrontiert, von dem sie nicht wissen, ob es wirklich ihr Leben ist (oder war.) Diese Romane sind teilweise auch ein Stück der Selbstvergewisserung der zeitgenössischen Frauen und der Bestätigung oder der Ablehnung des damaligen Rollenbildes, das sich gerade im Rahmen der Emanzipationsbewegung zu wandeln begann.

ENDE



2.10.11

Gunnar Steinbach Des Schreinermeisters schönster Sarg

Der Schreinermeister, das ist Friedheln Kaufmann, genannt Freddie. Er lebt mit seiner Mutter in Fischbach, das ist im tiefsten Sauerland, einer Gegend wo die Orte Kirchhunden-Oberhunden heißen, oder eben Fischbach. Fischbach, ein Ort, rund um Tannen angebaut werden, die jedes Jahr als Weihnachtsbäume verkauft werden.  Als Schreinermeister ist Freddie auch für die Fertigung von Särgen zuständig, wenn im Ort jemand das zeitlich segnet. Freddie ist sozusagen Teilzeit-Bestatter. Freddie hat etwas  oder will etwas haben - mit Charlotte, der Frau aus dem Einkaufsladen im Ort. Aber dagegen da Freddies Mutter etwas. Anonyme Briefe tauchen im Ort auf, bösartige Beschimpfungen von Charlotte.
Das ist des erste Mal, dass es die Detektei  Theisen aus Köln mit Fischbach zu tun bekommt - weil Freddie sie beauftragt, den Urheber der Hassbriefe aufzuspüren.

Ein einfacher Fall - wahrscheinlich ist es Freddies Mutter, die hinter den Briefen steckt.
Damit könnte sie Sache zu Ende sein, wenn Freddie nicht seinen Frust über die Ende im Dorf, die Stagnation, das einfach so lähmende seiner ganzen Umgebung in mörderischem Hass entladen würde. Wo andere Serienmörder zunächst mit Tieren üben, da übt Freddie mit Mehltüten - und das erste Mal, wo er nicht bei einer Mehltüte, sondern einen Hals zudrückt, ist es die alte Erna Schulte aus dem Dorf, die er ermordet und verschwinden lässt. Und als nächsten seinen Hilfstischler Wolffi, dessen Tod er als Selbstmord arrangiert.

Das ist dann der Augenblick,  an dem es die Detektei Theisen zum zweiten Mal mit Fischbach und Freddie zu tun bekommt. Diesmal wird ein Dreierteam nach Fischbach geschickt: Sarah Winter, Haluk Güler und als Trumpfkarte  Elmar Kugelmeyer, Ex-Kommissar und jetzt seit kurzem in der privaten Sicherheitsbranche. Kugelmeyer hat damit so seine Probleme. Mit Sarah Winter, in die er fast pubertär verliebt ist. Mit Haluk Güler, den er nicht leiden kann - wohl einfach nur weil Güler jünger ist und eleganter und weltläufiger als der etwas behäbige Kugelmeyer.
Zu dritt fallen sie also in Fischbach ein und sofort Freddie wieder in die Hände, der sich ein perverses Spiel daraus machen will, die drei Schnüffler an der Nase herumzuführen und sogar in seine Mordpläne einzubeziehen.

Obwohl die Geschichte in der tiefsten Region, um nicht zu sagen Provinz spielt, ist es kein typischer Regionalkrimi, weil es dem Autor weniger um das konkrete Dorfleben in Fischbach geht, sondern mehr um das allgemeine, um das, was das Zusammenleben in einer kleinen Gemeinschaft ausmacht. Das alles erzählt er mit einer guten Portion Skurrilität, aber trotzdem mit tiefer Anteilnahme für sein Personal und seine Geschichte.
Reinhard Jahn, WDR5 Mordsberatung

Gunnar Steinbach
Des Schreinermeisters schönster Sarg
btb-Taschenbuch