27.7.18

Krimi der Woche

Der Schatz im Wald

Von Michael Rolandt
    

Endlich ein freies Wochenende. Kommissarin Eva Vollmer kann sich Zeit nehmen. Für sich und für ihr Patenkind Tom. Der Vierzehnjährige findet es »cool«, mit einer echten Kommissarin durch den Stadtwald zu bummeln. Mit von der Partie ist Floh, den kleine Beagle von Toms Mutter. »Was muss man denn als Kommissar können?«, fragt Tom.
    »Genau beobachten, logisch denken, schnell reagieren!«, wiederholt Eva Vollmer die Berufsbeschreibung der Personalabteilung. »Willst du etwa zur Polizei?«
    »Vielleicht werde ich auch Fußballprofi«, meint Tom. »Da muss man auch genau beobachten, logisch denken und schnell reagieren!«
    Plötzlich bleibt der Beagle stehen und fängt am Fuß eines Baumes, der beim letzten Sturm umgestürzt ist, zu buddeln an. Erstaunt sehen Eva Vollmer und Tom, wie ein Metallkoffer zum Vorschein kommt.
    »Ein Schatz?«, fragt Tom begeistert, während die Kommissarin den Beagle zur Seite schiebt und die Schlösser des Koffers aufschnappen lässt.
    »Wow!«, macht Tom, denn zum Vorschein kommen Geldbündel, eine Pistole, eine schwarze Sturmhaube und ein schmutziges Trikot der deutschen Fußball-Nationalelf. Eva erkennt das am DFB-Logo mit den vier Sternen auf dem Shirt.
    »Da informiere ich mal besser die Kollegen vom Raubdezernat!«, meint Eva Vollmer und ruft im Präsidium an. »In dem Koffer ist offenbar die Beute eines Überfalls«, sagt sie, nachdem sie den Sachverhalt geschildert hat.


    »Könnte gut sein«, erinnert sich der Beamte im Raubdezernat. »In der Gegend hat 2014 ein Maskierter die Sparkasse am Lessingplatz überfallen. Und die Tankstelle an der Aktienstraße ist zwei Jahre zuvor ebenfalls beraubt worden.« Der Kommissarin entgeht nicht, dass Tom die Ohren spitzt, um alles mitzuhören. »In beiden Fällen trugen die Täter schwarze Sturmhauben«, fährt der Kollege fort. »Und beide Überfälle konnten wir bisher leider nicht aufklären, Obwohl wir immer sofort die Umgebung abgesperrt und jeden kontrolliert haben. Aber mit etwas Glück finden wir an dem Koffer Spuren, die uns weiterhelfen!«


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    Tom legt die Stirn in Falten. »Aber es ist jetzt schon klar, aus welchem Überfall das Geld im Koffer stammt«, sagte er. »Denn nur einer der beiden Räuber kann ihn hier vergraben haben.«
    »Und zwar welcher?«, fragt die Kommissarin überrascht.
    »Na, der Sparkassenräuber«, sagt Tom. »Denn das Nationalelf-Trikot mit vier Sternen gibt es erst seit 2014 – seit Deutschland zum vierten Mal Weltmeister geworden ist.«
    »Stimmt!«, muss Eva Vollmer zugeben. »Danke für deine Hilfe, Tom. Genau beobachtet und logisch gedacht - aus dir wird bestimmt ein guter Kommissar.
    »Oder doch ein Fußballprofi«, meint Tom.



   
   
   




Michael Rolandt:
Der Schatz im Wald
Erstveröffentlichung in
Badische neueste Nachrichten
Ausgabe 7.7.2018

 © by author / Jahn facts&fiction

24.7.18

Krimi der Woche: Nachtfahrt

Karr & Wehner   

Nachtfahrt

Eine Hurenfahrt, na klar. Sie blond, Ledermini und rote Bluse, dickes Make-up mit Rouge und Kajalstift bist dorthinaus.
   »He, Frollein, fahr'n Sie, Holsterhausen, Klinikum,ja?«
   Der Typ scheint nicht mehr ganz klar zu sein, ist mir fast in den Wagen gefallen, als die beiden an der Segerothstraße eingestiegen sind. Das Milieu kennt man ja: Nordhofstraße, Stahlstrasse, gleich neben Krupp. Früher der größte Puff in der Republik.
   Rolf liegt Zuhause im Bett und ich darf durch die Nacht kutschieren. Wagen 19, Angelika Weber auf Nachtschicht, weil ihr lover frisch aus dem Knast kommt. Der Asphalt summt unter den Reifen des Daimlers. Halb drei, nachts.
   »He, Frollein, halten Sie mal.«
   Und kaum steh' ich, da ist die Blonde schon raus und weg.
   So, wie die läuft, kommt die nicht wieder. Nur komisch, daß der Typ hinten im Wagen nichts sagt. Ich dreh mich um und will wissen, was nun los ist, als er mir entgegenfällt.
   Glasige Augen, totes Gesicht und ein bißchen Blut auf dem Hemd. Scheiße, der ist wirklich tot, der ist mir hier im Wagen abgegangen, denn eingestiegen ist er ja noch selber.
   Sieht wie eine Stichwunde aus, das in seinem Bauch.
   Das muß die Blonde gewesen sein... obwohl - warum soll sie sich ausgerechnet eine Taxe suchen, wenn sie ihn kaltmachen will?
   Die Bullen. Wenn ich den Notruf übern Taxifunk abgebe, sind die in zehn Minuten da. Streifenwagen, Kriminaldauerdienst.
   Die Handtasche liegt neben dem Toten auf der Rückbank. Die muß der Blonden gehören,  Leder, dunkelrot und der Verschluß ist aufgesprungen. Sicher, man soll nichts anfassen, aber trotzdem. Lippenstift, Puder, Schlüssel, Tampons, Kaugummi ein paar grüne Pillen und eine Plastikhülle mit Papieren. Bockschein auf den Namen Helga Werz, Lottozettel - auch Helga Werz, Nordhofstraße 24, ein Rezept und ein Foto.
   Die Innenbeleuchtung ist mies, aber trotzdem - auf dem Bild, das ist doch  Rolf. Arm in Arm. Mit der Blonden, irgendwo am Strand. Er hat noch nicht den Schnäuzer, aber diese langen schwarzen Haare, Locken bis auf die Schulter, wie ein Engel, er sieht jünger aus. Die Blonde im Bikini mit Schmachtaugen und Schmollmund.
   Was hat Rolf mit der Blonden zu tun? Warum hab ich mich überhaupt mit ihm eingelassen? Was ist hier überhaupt los?
   Irgendein Kollege brettert vorbei und blinkt mich mit der Lichthupe an. Stehenbleiben kann ich hier jedenfalls nicht.
   Ich fahre erst mal los, laß das Taxameter weiterlaufen, damit der Vogel auf dem Dach nicht brennt. Mein Gott, 37 Mark 40, die muß ich nachher selber in die Kasse tun.
   Richtung Frohnhausen. Ruhiges Wohnviertel, keine Aufregung.
   Bloß keine Probleme! hat Rolf gesagt, als er bei mir eingezogen ist. Erst mal wieder Fuß fassen, dann weitersehen.
   Wenn ich zu den Bullen geh, werden die nach der Blonden suchen. Das Foto interessiert die bestimmt auch. Das Foto muß verschwinden, soviel ist klar.
   Ich nehm's aus der Hülle raus und steck's in meine Geldtasche. Obwohl - wenn die Bullen die Blonde schnappen, dann kann sie vielleicht was erzählen. ]ber Rolf undsoweiter. Nein, so geht's auch nicht. Ich muß die Blonde überhaupt vergessen. Und wie, sag ich den Bullen, ist der Tote in meinen Wagen gekommen?
   Rüdesheimer Platz. Vorn die Kleingartenanlage.
   Erst mal rechts ran und scharf nachgedacht. Keine Probleme - also: keine Leiche in meinem Wagen, keine Fragen, keine Blondine.
   Ich muß den Typ rausschmeißen. Und dann weiterfahren. Ich denke nicht, daß einer gesehen hat, wie ich die beiden auf der Segerothstraße eingeladen habe.
   Wie lange stehe ich hier schon? Zwei Minuten, drei Minuten? 48,60 auf dem Taxameter. Ich leg den Gang ein und rolle an den Schrebergärten vorbeirollen. Dunkel ist's hier. Okay, Leerlauf rein, aussteigen, rechte Hintertür auf. Der Typ fällt mir halb entgegen. Schwer ist er nicht, ungefähr einsachtzig groß, um die 65 Kilo. Lederjacke, Goldringe an den Fingern und eine Rolex mit Brillanten am Handgelenk. Sowas kostet 30.000, wenn ich jetzt...
   Als ob ich keine anderen Probleme hätte. Ich lege ihn unter ein paar Sträucher und dann nichts wie weg.
   Die Handtasche von der Blonden liegt auf dem Beifahrersitz. Ich komme auf die Frohnhauser und merke erst jetzt, daß das Taxameter noch läuft. 56.80 Mark, ich mach' es aus.
   Helga Werz, Nordhofstraße 24, steht auf dem Lottozettel und ihrem Amtsärztlichen Gesundheitszeugnis. Sie ist also anschaffen gegangen. Und der Tote mit seiner Rolex... ihr Lude? Wahrscheinlich. Und was hat Rolf mit der ganzen Kiste zu tun? War die Blonde mal mit ihm zusammen oder was?
   Ich will das jetzt wissen. Also wieder raus in den Segeroth. Die Blonde muß mir was erzählen. Immerhin war sie dabei, als der Typ gestorben ist. Überhaupt - der Typ ist mir ja beinahe in den Wagen gefallen, geschwankt hat der, und die Blonde wollte zum Klinikum - ja klar, da hat er seine Messerwunde schon gehabt.
   Links geht die Nordhofstraße ab.
   Blaulicht flackert vor einem der Häuser, und ich brauch gar nicht nachzusehen um zu wissen, das es die Nummer 24 ist. Notarztwagen, Streifenwagen, der Kleinbus von der Kripo.
   Leute stehen da, vor der Haustür hält ein Uniformierter Wache,  da fällt's nicht auf, wenn ich mich dazustelle. Neben mir turnt einer von der Zeitung rum und fragt die Leute.
   »Bei der Werz haben sie einen kaltgemacht«, sagt einer.
   »Eifersuchtsgeschichte«, höre ich.
   »Streit hat's gegeben«, sagt eine von den Huren. »Der Kunde hat die Helga wohl von früher gekannt und wollte was von ihr. Und da ist der Harry dazugekommen, ihr Lude...tja, mit dem Messer...«
   Jetzt kommen die Sanitäter mit der Trage raus. Einer liegt drauf, das Laken überm Gesicht. Er ist wohl tot und als das Laken runterrutscht, fotografiert der Pressemensch wie wild. Alle drängen und ich seh nur ein kariertes Hemd und schwarze Locken, wie von einem Engel.
   »Mit dem war die Helga mal verheiratet«, sagt jemand.
   Ich muß nach Hause. Bestimmt ist Rolf da. Bestimmt.

Karr & Wehner, geboren 1955 und 1949 in Saalfeld und Werdohl, leben im Ruhrgebiet und schrieben bisher zahlreiche Storys, Hörspiele und die »Gonzo«-Thriller »Geierfrühling«, »Rattensommer«, »Hühnerherbst« und »Bullenwinter«. 1996 erhielten sie den Friedrich-Glauser-Preis für den besten Krimi des Jahres und 2000 den Literaturpreis Ruhrgebiet. Zuletzt wurden sie für Ihren Krimi-Slam »Hier in Tremonia« für den besten Kurzkrimi des Jahres ausgezeichnet.
www.karr-wehner.de

Karr & Wehner: Nachtfahrt
erschienen in: »Berbersommer« Essen: A4-Verlag
Ausgezeichnet mit dem Walter Serner-Preis 1988
© by Autoren / Reinhard Jahn
Weiterverbreitung nur mit Genehmigung

4.7.18

Keith Oatley: Der Fall Emily V.


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Keith Oatley: Der Fall Emily V.  
(The Case of Emily V.)

Geschickt konstruierter und handwerklich ordentlich gebauter Pastiche-Roman, der wiederum eine Begegnung zwischen Sigmund Freud und Sherlock Holmes annimmt.

Der Roman besteht - wie bei dieser Art von Geschichten üblich - aus einer Reihe von Manuskripten, die unter unterschiedlichsten Umständen verfasst wurden und erst jetzt dem Herausgeber (recte Autor) in die Hände gefallen sind. Aus dem Tagebuch der englischen Übersetzerin Emily erfahren wir die Geschichte einer Psychoanalyse bei Sigmund Freud in Wien, bei der zunächst einmal der Missbrauch zutage kommt, den Emily durch ihren Vormund - einen englischen Diplomaten - zu ertragen hatte. Emily versuchte, sich den Nachstellungen des Mannes zu entziehen, doch er folgte ihr nach Wien. Emily glaubt sich nun schuldig an seinem Tod, weil sie ihn in den Bergen von sich stieß und er in die Tiefe stürzte. Als weitere Teil der Geschichte setzt nun der Bericht von Dr. Watson ein, in dem es darum geht, wie Sherlock Holmes im Auftrag des Außenministeriums diesen Tod des Diplomaten zu untersuchen hat.
Die ganze Geschichte wird - mitunter sehr ausführlich - von der psychologischen Seite her betrachtet, wobei das Schicksal der titelgebenden Emily V. im Mittelpunkt steht.
(Reinhard Jahn)

Keith Oatley: Der Fall Emily V.
(The Case of Emily V.)
Droemer Knaur Taschenbuch 60618 (April 1998)
523 Seiten ISBN 3 426 60618 6
(C) 1993 by Keith Oatley
(C) 1998 deutsch by Amman Verlag und Co, Zürich
Vollständige Taschenbuchausgabe
Aus dem Englischen von Frieda Ellmann
12-4-1998

2.7.18

Krimi der Woche
Renate und der Mörder


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Renate und der Mörder

Von Marek Stein

Renate Wendt war müde, als sie heimkam. Das Haus wirkte leer, die Sommerluft stand in den Zimmern. Sie öffnete die Verandatür. Der Windhauch vom See brachte kaum Erleichterung. Auf dem Weg in die Küche fiel ihr Blick noch auf Roberts Bild auf dem Board. Sie zwang sich, nicht weiter an ihn zu denken, schob sich ein Fertiggericht in die Mikrowelle und machte das Radio an. Die Regionalnachrichten gingen gerade zu Ende: »Heute gegen 19 Uhr wurde in Neustadt die 79-jährige Witwe Hermine Müller ermordet. Bei dem Täter handelt es sich um einen etwa 1,80 großen Mann. Er trug eine dunkelgrüne Jacke und ... »
   Die Mikrowelle klingelte. Doch da war noch etwas anderes...  In der Tür stand ein großer Mann in einer dunkelgrünen Jacke. Er richtete eine Pistole auf Renate. »Bist du allein?«
   Renate nickte stumm. Sein Blick fiel auf Roberts Bild auf dem Board. »Wer ist das?«
   »Mein Bruder!«, sagte Renate. »Er lebt... nicht hier.«
   »Fein!« Der Mann ließ sich in einen Sessel sinken und richtete seine Waffe auf Renate. »Dann bleibe ich hier.«
   Die Zeit schien unendlich langsam zu vergehen. Draußen war es dunkel geworden. Als es klingelte, zuckte Renates ungebetener Gast zusammen.
   »Geh zur Tür«, zischte er. »Sag, dass du schon im Bett warst.«
   Renate drückte die Taste der Gegensprechanlage. »Ja?«
   »Polizeiobermeister Wellmann«, sagte eine energische Stimme. »Ist bei Ihnen alles in Ordnung, Frau Wendt?«
   »Doch, ja!« antwortete Renate. »Ich... war schon im Bett! Ich war heute Nachmittag mit Robert segeln und bin müde.«
   »Mit Robert?«, fragte die Stimme zurück.
   »Ja«, sagte Renate schnell. »Ich soll Ihnen Grüße ausrichten.«
   »Alles klar«, sagte der Polizist. »Wir suchen nach einen Mörder.«
   »Ja«, sagte Renate noch. »Ich habe davon gehört.«
   Der Mann brachte Renate zurück ins Wohnzimmer und das Warten ging weiter - bis plötzlich die Verandatür zersplitterte und maskierte SEK-Polizisten hereinstürzten. Sie überwältigten den Eindringling.. Polizeiobermeister Wellmann kam herein.
   »Zuerst dachte ich ja, Sie wären betrunken«, sagte er zu Renate. »Aber als Sie dann noch sagten, dass Sie wussten, dass wir einen Mörder suchten, war mir klar, dass der Kerl Sie in seiner Gewalt hatte.«
   Der Verbrecher starrte Renate an. »Was meint er damit?«
   Renate sah zu Roberts Bild auf dem Board. »Er meint damit, dass er mir Roberts Grüße nicht geglaubt hat.«
   »Genau«, sagte Wellmann. »Denn erst heute Vormittag waren Frau Wendt und ich auf der Beerdigung von Robert Wendt. Er ist letzte Woche draußen auf dem See bei einem Segelunfall ertrunken.«


Marek Stein: Renate und der Mörder BNN 26/2018








  








Marek Stein:
Renate und der Mörder
erschienen in
Badische neueste Nachrichten
30.6.2018 Nr 26
© by author/Jahn facts&fiction