14.6.01

Sex im Krimi

Sex im Kriminalroman:
Liebe, Sex und Desperados


Am Anfang war die Blondine: Carmen Sternwood und Bridget O'Shaugnessy zeigen es einsamen Schnüfflern wie Philip Marlowe und Sam Spade. Blond, sexy und eiskalt locken sie den Helden in die Falle, verführen ihn, um ihn zu benutzen und ihn zu töten.
Sex im Krimi der dreißiger Jahre, Sex im Krimi der schwarzen Serie ist nicht mehr als die schmuddeligen Porno-Bilder, für die die Generalstochter Cramen Sternwood posiert. Den sauberen Schnüffler läßt dergleichen ebenso unberührt wie alle Verführungsversuche. Der Privatschnüffler blickt hinter die glitzernde Fassade der Lockvogel-Blondine und sieht als einziger den Abgrund von Verzweiflung, Gier und hemmungsloser Sexualität.
Blond steht in den dreißigern und vierzigern für berechnend. Und je machomäßiger der Schnüffler daherkommt, desto rigoroser fällt das showdown aus, in dem er die b"se Hexe endlich stellt:

Privatdetektiv Mike Hammer:
"Ihr Daumen schoben sich unter den schmalen Rand des Seidenschlüpfers, und sie zog ihn herunter. Damm stieg sie graziös aus dem Höschen wie aus einer Badewanne. Jetzt war sie völlig nackt. Eine sonnengebräunte Göttin, die sich ihrem geliebten darbot. Mit ausgestreckten Armen kam sie auf mich zu. Ihre Zunge fuhr sanft über ihre Lippen, so daß sie leidenschaftliche glänzten. Der Duft, der sie umfing, war wie atemberaubendes Parfum. Langsam entrang sich ihr ein Atemstoß, der ihre Brüste erbeben ließ. Sie beugte sich vor, um mich zu küssen, wobei sie ihre Arme um meinen Hals legen wollte. (...) Blitzschnell griffen ihre Hände nach hinten. Dort auf dem Tischchen lag ihr Revolver, entsichert und mit Schalldämpfer versehen. Aber bevor sie noch richtig auf mich zielen konnte, erschütterte das Donnern meiner Waffe den Raum. Charlotte taumelte zurück, ihr Blick füllte sich mit Unglauben, sie konnte die Wahrheit nicht fassen. Ich hatte meine Waffe gezogen, schneller als sie, und geschossen. (...)
"Wie konntest du nur?" keuchte sie.
Mir blieb nur ein kurzer Augenblick, bevor ich zu einer Leiche sprach, aber ich schaffte die Antwort gerade noch: "Es war ganz leicht!" sagte ich.
(Mickey Spillane, 1947)


Ausgerechnet ein Spion zeigt es den Schnüffler. James Bond, Agent 007 im Secret Service Ihrer Majestät, ist von den Damen nur geschüttelt, nicht gerührt. Pro Einsatz mindestens eine Liebschaft, die obligatorische Blondine entpuppt sich in Ian Flemings Spionage-Geschichten als praktisch veranlagtes Nachbarschaftsmädchen mit einer Schwäche für britische Geheimagenten. Blond heißt heißt bei Bond nicht mehr gerissen sondern einfach betterfahren und bereitwillig.
Die Privatschnüffler der sechziger bekommen es schließlich mit diesem besonderen Typ der Blondine zu tun. Nett und unkompliziert, das working girl in distress, die Dame in Schwierigkieten. Natürlich sexy, natürlich berechnend. Aber die Helden haben gelernt, damit umzugehen. Blond heißt jetzt meist blöd, und der Geschlechterkampf im Privatdetektivroman der sechziger ist eine einzige playboy-inspirierte Teenager-Phantasie:

Privatdetektiv Danny Boyd:
"Das stimmt" strahlte sie mich an. "Auf die Freiheit!" Sie riß ihr Glas so schwungvoll hoch, daß der Inhalt überschwappte und sich in ihr Dekollete ergoß. Ihr schriller Schrei ging in ein hilfloses Kichern über, als ihre heftigen Bewegungen den losen Knoten unter dem Arm endgültig lösten, worauf der Sarong wieder seine ursprüngliche Gestalt annahm - und sie mit entblößtem Oberk"rper, das Badetuch um die Hüften geschlungen, auf der Couch saß. (...)
Ich starrte gebannt auf ihre festen, runden Brüste, deren Spitzen mit unternehmungslustig zublinzelten, und schluckte trocken,. mein Verstand sagte mir zwar, daß ich möglichst taktvoll auf die veränderte Situation hinweisen müßte, aber meine Kehle war wie zugeschnürt. Allmählich schien Nina zu spüren, daß etwas nicht ganz stimmte. (...)
"Sie denken wohl, ich wollte meine Freiheit gleich mit Ihnen feiern?" Sie zwinkerte noch einmal. "Sie glauben, Sie hätten mich schon so weit, bloß weil mein Kleid und die anderen Sache naß sind? Sie trauen mir wohl nicht zu, daß ich splitternackt runtergehe und mir ein Taxi suche?" Sie kicherte spitz. "Dummer Kerl. Bilden Sie sich tatsächlich ein, ich hätte keine andere Wahl, als die Nacht hier zu verbringen?"
"Äh..." Ich räusperte mich nervös. "Ich..."
Sie stellte ihr leeres Glas vorsichtig auf den kleinen Couchtisch, drehte mit den Rücken zu, hob die Beine auf die Kissen und ließ den Kopf in meinen Schoß sinken (...) dann nahm sie meine Hände und legte sie auf ihre Brüste.
(Carter Brown, 1965)

The times are a-changing. Die Zeiten ändern, werden härter. Sex ist Waffe und Verzweiflungstat in der überzivilisierten Big City der achtziger und neunziger. Der Schnüffler ist längst kein Held mehr, sondern nur noch ein Dreckskerl wie alle anderen. Er schlägt zu, ehe man ihn schlägt, und auch wenn er sich für eine gute Sache einsetzt, heißt das noch lange nicht, daß er ein guter Mensch ist. Auch die Frauen, mit denen er es zu tun bekommt, sind es nicht. Blond steht in den achtzigern endlich für das, wofür es in eigentlich immer gestanden hat: für Beischlaf.

Privatdetektiv Burke:
"Als ich wieder zu mir kam, stand Belle, Hände in den Hüften, an derselben Stelle. "Wieviel Uhr ist es?" fragte ich sie.
"Zeit aufzustehen", sagte sie, kniete sich neben die Couch und presste den Mund an mich, während ihre Hände an meinem Gürtel rumfummelten. ich streichelte ihren Rücken, glatt und feucht, als wäre sie grade aus dem bad gekommen. Sie roch nach Jasmin.
Sie kn"pfte mir das Hemd auf, das Gesicht an meiner Brust. Die Kette leuchtete auf ihrer Haut. Sie leckte mir die Brust, den Bauch. Dann nahm sie mich in den Mund.
Ich wußte, was sie machte. Ich wußte, es würde nicht funktionieren. Doch ich spürte, wie ich in ihrem Mund wuchs. Zum Bersten anschwoll. Ich schaute zur Decke. Schatten. Ich schloß die Augen.
Sie nahm den Mund von mir. "Beinah soweit!" flüsterte sie.
"Ich bin jetzt soweit!"
"Noch nicht. Warte." Sie streichelte mich mit etwas Schlüpfrigem in ihrer Hand, verrieb es sacht von der Wurzel bis zur Spitze. Sie nahm meine Hand. "Komm schon!" sagte sie, zog mich von der Couch und führte mich zum Bett."
(Andrew Vachss, 1988)


Postskriptum:
Und was ist mit dem deutschen Krimi? Den gibt es erst seit 68, und sein Geburtsjahr ist Programm: aufklärerisch, rebellisch und emanzipiert. Eingelöst wird das Versprechen allerdings in den seltensten Fällen, in Sachen Sex und Erotik fast nie. Da bleibt der deutsche Krimi zugeknöpft. Liegt das daran, daß der deutsche Schnüffler im Hauptberuf TATAORT-Kommissar ist, demzufolge A-14 auf Lebenszeit bezieht, und sich gar nicht vorstellen kann, auch mal aus innerer Überzeugung zu ermitteln? Daran ändert auch der florierende Emanzenkrimi nichts:

Privatdetektivin Corinna Castrup:
"Irgendeine Anspannung, eine Nervosität schien sich in ihr aufgebaut zu haben: Sie wachte viel zu früh auf. Von der Ostterrasse sah sie zu, wie der große "Atomreaktor" über den Hügeln aufging.
Am äußersten Ende der Hügelkette, auf dem Kap, stand das Castillo, rotübergossen.
Um diese Zeit war noch kein Mensch auf, eingekauft hatte sie nichts, und das Frühstücksbüffett wurde erst um acht geöffnet. Sie tappte also in ihr Bett zurück und benutzte das älteste Schlafmittel der Welt. Der H"hepunkt kam klein und matt - dämpfte zwar ihre Nervosität, stimmte sie aber auch traurig. Schon viel zu lange war ihr Sexualleben so steril-solistisch; sie hatte Sehnsucht nach einem Partner, aber wo war er zu finden?"
(Michael Molsner, 1985
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Text: Reinhard Jahn
Script für "Sex im Krimi"
"Wahre Liebe", VOX
Redaktion Matthias Frings
Realisation: Heinz Dietz