21.6.20

Krimi der Woche



Zug um Zug

Von H.P. Karr

 

Die Kneipe neben dem Bahnhof war etwas finster, so dass Franzinger kaum die kleinen Meldungen in der Zeitung entziffern konnte, die auf dem Tresen herumlag. Dann kam auch schon Schueller herein: im Designeranzug, braungebrannt, mit einer schrillen roten Brille und seiner wallenden Frisur, mit der er sich auf jugendlich trimmte.
   »Alles geklappt?«, fragte er. Franzinger schob ihm die Kreditkarten und die schrille rote Brille hin. »Alles klar«, sagte er. »Die Perücke habe ich im Zug weggeworfen!«
   »Gut!« Schueller bestellte mit einem Fingerschnippen ein Pils. »Gut!«, sagte er dann nochmal. Und schließlich: »Perfekt!«
   Er schob Franzinger einen Umschlag hin, in dem 1000 Euro sein mussten. »Danke! Sie haben mir wirklich sehr geholfen!«
   Franzinger zuckte mit den Schultern. »Ich kann ja nichts dafür, dass ich fast so aussehe wie Sie. Bis auf die Haare halt!« Er strich sich über seinen Bürstenschnitt. »Mit Ihrer Brille und Ihren Papieren bin ich in Berlin auf dem Kongress glatt als Udo Schueller durchgegangen. Nur von den Vorträgen habe ich nichts verstanden.«
   »Einsatz von Polymeren in der Implantatprothetik«, sagte Schueller. »Müssen Sie ja auch nicht, mein Lieber. Ich verstehe ja auch nichts von Werbedesign. Ohne unsere gemeinsame Leidenschaft für den FC wären wir uns ja auch nie begegnet.«
   Das war jetzt sieben Wochen her, in der Südkurve hatte Schueller ihn angesprochen. Und auf dem Stadionklo, vor dem Spiegel, hatte er festgestellt, dass er dem Kieferchirurgen wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten war. Bis auf die Haare. Also das Problem hatten sie ja mit der Perücke gelöst.
   »Ihr Story ist wasserdicht!«, sagte Franzinger. »Ich meine: unsere Geschichte. Jeder im Kongresshotel wird schwören, dass Sie da waren. Auf allen Überwachungsvideos sieht man sie - und alle Rechnungen sind mit Ihrer Kreditkarte bezahlt.« Er grinste. »Wenn Sie also wieder einmal ein Alibi brauchen für ein Date mit Ihrer Freundin...«
   »In nächster Zukunft nicht!« Schueller wandte sich zum Gehen. »Danke für alles!«
   »Moment noch!« Franzinger zog ihn zurück und tippte auf die Zeitung. »Sehen Sie - ich habe da gerade gelesen, dass letzte Nacht eine Lydia Sch. draußen im Erlengrund in ihrem Haus ermordet worden ist...«
   Schueller schluckte. »Hören Sie…«
   »Nein, Sie hören zu«, sagte Franzinger. »Sie haben kein Alibi für ein Date mit Ihrer Freundin gebraucht, Sie wollten eins für den Mord an Ihrer Frau, Freundchen. Und ich Idiot hab es ihnen geliefert.«
   Schueller sagte eine Weile nichts. »Wieviel?«, fragte er dann.
   Franzinger beugte sich vor. »Nein, kein Geld, Schueller. Ich will, dass Sie sich die Haare so kurz schneiden lassen wie ich und nächstens Freitag für mich auf eine todlangweilige Vernissage in Düsseldorf gehen, von sieben bis halb elf. Dann brauche nämlich ich ein Alibi, verstehen Sie?«

 ENDE

Mord nach Rezept - Band 20: Stirb schneller, Liebling!

Zwei Dutzend neue Kurzkrimis


Kleine Thriller, spannende Kriminalgeschichten, knackige Kurzkrimis. Stories zum Tüfteln und Krimi-Comedies.
24 neue Kurzkrimis für Kenner und solche, die es werden wollen. Zum Beispiel... 



H.P. Karr: Heißer Tipp von Thorsten

Da ist was zu holen!, denkt sich Klammroth, als er von der halben Million erfährt, die Rentrop angeblich beiseitegeschafft hat. Aber warum muss ein Mann mit so viel Geld auf der hohen Kante noch Boote verleihen? Weil er einfach Pech gehabt hat, erklärt Rentrop. Aber ist die Sache wirklich so einfach?

Michael Rolandt: Eine Frau steht ihren Mann

Die beiden Gangster halten Inga für ihre wohlhabende Freundin Viola. Sie glauben, mit ihr eine gute Geisel für den Raubzug in Violas Firma in der Hand zu haben. Und je länger Inga schweigt, desto gefährlicher wird es für sie.

Richard Janssen: Großes Geld für kleine Gauner

Steffen ist nur ein kleiner Dieb – doch als sich ihm die Chance bietet, auch mal ans große Geld zu kommen, greift er zu.

Karr & Wehner: Wilde 13

Mary Amos ist aushilfsweise Taxifahrerin und eigentlich Detektivin. Der Opa, der ihr in den Wagen schneit, ist eigentlich harmlos, aber auch mit allen Wassern gewaschen. Denn nebenher ist er ein Serienräuber ...

H.P. Karr: Die Discount-Gangster

Das verspricht ein großer Coup zu werden. Carlo und Eddie planen alles ganz genau – in gemütlicher Caféhaus-Atmosphäre im Kriminalhaus in  der Eifel. Was nur der erste Fehler von vielen ist ...

und außerdem:
Neue Fälle für Vera Krantz, Hauptkommissarin beim Kriminaldienst des Abschnitts 41 der Berliner Polizei.


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H.P Karr
Zug um Zug
© by author / R.Jahn

Weiterverbreitung nur mit Genehmigung

19.6.20

Christiane Antons: Yasemins Kiosk - Zwei Kaffee und eine Leiche




Christiane Antons:
Yasemins Kiosk - Zwei Kaffee und eine Leiche

Drei Frauen in Bielefeld, drei unvergleichliche, einzigartige Charaktere. Die Leiche am Altpapiercontainer ist für sie nur eine der vielen Anforderungen, die das Leben an sie stellt. Aber, sobald man zu ermitteln beginnt, sicher die spannendste und interessanteste. Das alles und noch viel mehr erzählt Christiane Antons in ihrem ersten Krimi mit lässigem Charme, bemerkenswert stilsicher und vor allem mit viel Heimatgefühl aus dem Ruhrgebiet. So fangen große Karrieren an!
(Reinhard Jahn)

Christiane Antons: 
Yasemins Kiosk - Zwei Kaffee und eine Leiche
Dortmund: Grafit, 192 Seiten
ISBN 978-3-89425-582-4
Erscheinungsdatum: 03/2018 




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H.P. Karr präsentiert
Mord nach Rezept - Band 10: Die Retro-Edition - mit zwei Dutzend Krimis zurück in die Achtziger


Die Achtziger – das waren die Jahre, als man noch überall rauchen durfte, der Marlboro-Mann und der Camel-Tramp im Kino Werbung machten und die Hollywood-Hits »Dirty Dancing«, »Shining« und »Zurück in die Zukunft« hießen. Zum Telefonieren benutzte man Festnetztelefone, und wenn man unterwegs war, musste man sich zum Anrufen eine Telefonzelle suchen – das waren gelbe Kabinen mit einem Münztelefon und einem gestohlenen Telefonbuch.

Zwei Dutzend clevere Kriminalstorys aus der guten alten Zeit – als im Fernsehen immer dienstags »Dallas« lief und freitags »Derrick« ermittelte. Die Hits des Jahrzehntes waren »Take On Me« von a-ha , Nena mit »99 Luftballons« und natürlich »Jeanny« von Falco. Wie immer zu Ihrem Vergnügen ausgesucht und zusammengestellt von Krimikenner H.P. Karr.

3.6.20

Horst Bieber (1942 – 2020)


Horst Bieber
(1942 – 2020)
Er war keiner, der sich in den Vordergrund drängte. Als Autor, als Journalist, als Mensch war der gebürtige Essener Horst Bieber professionell, zuverlässig und in hanseatischer Weise zurückhaltend. Aber dabei einer, dessen Beitrag zur deutschsprachigen Kriminalliteratur nicht zu unterschätzen ist.
Nicht nur, weil er seinerzeit im Februar 1986 mit einem Dutzend Kollegen als Gründungsmitglied die Autorengruppe "Das Syndikat" aus der Taufe hob - und sich als solches nach erfolgtem Gründungsakt mit dem Kollegen Detlef Wolff in den Keller des  Stuttgarter Schriftstellerhauses zurückzog, um dort auf seinem Reporterblock (Papier!) die Gründungspressemitteilung zu verfassen, die seitdem zu den heiligen Dokumenten  der Autorengruppe gehört. 


Horst Bieber, 1942 geboren, lernte sein journalistisches Handwerk bei einer Zeitung im Ruhrgebiet und arbeitete dann von 1970 bis 1997, zuletzt als Chef vom Dienst, für die Hamburger ZEIT.
Zunächst schrieb er neben seiner journalistischen Tätigkeit historische Sachbücher, dann veröffentlichte er 1982 mit "Sackgasse"  seinen Krimi-Erstling. Der Roman zählte seinerzeit zu den wenigen Darstellungen der Arbeit eines Privatdetektivs in der Bundesrepublik.
In seinen weiteren Romanen griff er dann überwiegend gesellschaftliche  und politische Themen auf wie beispielsweise die Debatte um den Datenschutz, das Nebeneinander der Geheimdienste oder Probleme polizeilicher Ermittlungsarbeit. Die präzise Darstellung gesellschaftlicher und politischer Prozesse zeichnet besonders die Romane "Sein letzter Fehler" (1986) und "Jede Wahl hat ihren Preis" (1987) aus.
Dabei verstand Bieber es allerdings auch, eine den Genre-Regeln genügende Kriminalgeschichte in eine detailliert recherchierte bundesdeutsche Realität einzubetten und sie mit psychologisch nachvollziehbar gezeichneten Personen zu bevölkern. Im Gegensatz zu den Vertretern des damaligen "Sozio-Krimis" fehlte Bieber beinahe jegliche Zeigefinger-Attitüde. Seine Stärken waren seine Gabe zur genauen Beobachtung, sein ausgeprägtes Erzähltalent und seine Fähigkeit - oder soll man Ambition sagen? - einfach gut zu unterhalten. Was nicht nur von seinen Lesern geschätzt wurde, sondern auch von der der deutschen Krimikritik, die ihn 1987 für "Sein letzter Fehler" mit dem Deutschen Krimipreis auszeichnete. Horst Bieber starb am 27. Mai in  Hamburg.
(Reinhard Jahn, Bochumer Krimiarchiv)


Horst Bieber - Nachruf in der ZEIT
https://www.zeit.de/2020/24/horst-bieber-tatort-autor-nachruf