Zug um Zug
Von H.P. Karr
Die Kneipe neben dem Bahnhof war etwas finster, so dass Franzinger kaum die kleinen Meldungen in der Zeitung entziffern konnte, die auf dem Tresen herumlag. Dann kam auch schon Schueller herein: im Designeranzug, braungebrannt, mit einer schrillen roten Brille und seiner wallenden Frisur, mit der er sich auf jugendlich trimmte.
»Alles geklappt?«, fragte er. Franzinger schob ihm die Kreditkarten und die schrille rote Brille hin. »Alles klar«, sagte er. »Die Perücke habe ich im Zug weggeworfen!«
»Gut!« Schueller bestellte mit einem Fingerschnippen ein Pils. »Gut!«, sagte er dann nochmal. Und schließlich: »Perfekt!«
Er schob Franzinger einen Umschlag hin, in dem 1000 Euro sein mussten. »Danke! Sie haben mir wirklich sehr geholfen!«
Franzinger zuckte mit den Schultern. »Ich kann ja nichts dafür, dass ich fast so aussehe wie Sie. Bis auf die Haare halt!« Er strich sich über seinen Bürstenschnitt. »Mit Ihrer Brille und Ihren Papieren bin ich in Berlin auf dem Kongress glatt als Udo Schueller durchgegangen. Nur von den Vorträgen habe ich nichts verstanden.«
»Einsatz von Polymeren in der Implantatprothetik«, sagte Schueller. »Müssen Sie ja auch nicht, mein Lieber. Ich verstehe ja auch nichts von Werbedesign. Ohne unsere gemeinsame Leidenschaft für den FC wären wir uns ja auch nie begegnet.«
Das war jetzt sieben Wochen her, in der Südkurve hatte Schueller ihn angesprochen. Und auf dem Stadionklo, vor dem Spiegel, hatte er festgestellt, dass er dem Kieferchirurgen wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten war. Bis auf die Haare. Also das Problem hatten sie ja mit der Perücke gelöst.
»Ihr Story ist wasserdicht!«, sagte Franzinger. »Ich meine: unsere Geschichte. Jeder im Kongresshotel wird schwören, dass Sie da waren. Auf allen Überwachungsvideos sieht man sie - und alle Rechnungen sind mit Ihrer Kreditkarte bezahlt.« Er grinste. »Wenn Sie also wieder einmal ein Alibi brauchen für ein Date mit Ihrer Freundin...«
»In nächster Zukunft nicht!« Schueller wandte sich zum Gehen. »Danke für alles!«
»Moment noch!« Franzinger zog ihn zurück und tippte auf die Zeitung. »Sehen Sie - ich habe da gerade gelesen, dass letzte Nacht eine Lydia Sch. draußen im Erlengrund in ihrem Haus ermordet worden ist...«
Schueller schluckte. »Hören Sie…«
»Nein, Sie hören zu«, sagte Franzinger. »Sie haben kein Alibi für ein Date mit Ihrer Freundin gebraucht, Sie wollten eins für den Mord an Ihrer Frau, Freundchen. Und ich Idiot hab es ihnen geliefert.«
Schueller sagte eine Weile nichts. »Wieviel?«, fragte er dann.
Franzinger beugte sich vor. »Nein, kein Geld, Schueller. Ich will, dass Sie sich die Haare so kurz schneiden lassen wie ich und nächstens Freitag für mich auf eine todlangweilige Vernissage in Düsseldorf gehen, von sieben bis halb elf. Dann brauche nämlich ich ein Alibi, verstehen Sie?«
ENDE
Mord nach Rezept - Band 20: Stirb schneller, Liebling!
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H.P Karr
Zug um Zug
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