12.12.10

Arno Strobel: Der Trakt

Das letzte, an das sich Sybille Aurich erinnern kann, ist, dass sie auf dem Weg nach hause war. Gegen Mitternacht. Durch den Stadtpark....
Als sie erwacht, ist sie in einer Klinik, oder sagen wir besser: einer Art Klinik. Sie sei eine Zeitlang ohne Bewusstsein gewesen, sagt der Arzt. Wie lange? Zwei Monate.

Sybille reagiert panisch - sie hat Familie, sie hat einen Sohn, Lukas. Sie muss wissen, was mit ihnen ist, und sie versteht nicht, wieso man sie unbedingt in dieser - sagen wir Klinik behalten will. Sie flieht. Schlägt sich durch, nach Hause in den Vorort, wo sie mit Mann und Kind ihr Leben im Einfamilienhaus gelebt hat. Als sie klingelt, ist sie erleichtert, denn gleich wird sie ihren Mann wiedersehen, und ihren Sohn.

Und ihr Mann öffnet... sieht sie verwirrt an und fragt: "Wer sind Sie?"
Und damit hat Sybilles Alptraum erst angefangen...
Wieso erkennen die Menschen nicht mehr, die sie doch so gut kennt? Was ist in der Nacht im Park und in der - sagen wir: Klinik - mit ihr geschehen? Und vor allem: Wer ist ab jetzt hinter ihr her, um sie zu töten?

Alsolute Psycho-Spannung. Ein Thriller für alle Leser, die die Bücher von Sebastian Fitzek lieben.

Arno Strobel
Der Trakt
Fischer Taschenbuch

Bernhard Jaumann: Die Stunde des Schakals

Der Mord, um den es eigentlich geht, liegt mehr als 20 Jahre zurück: am 12. September 1989 wurde der namibische Anwalt und SWAPO-Aktivist Anton Lubowski ermordet - eine Tat, die bis heute nicht aufgeklärt ist. Das ist der reale Hintergrund für den Roman von Bernhard Jaumann, der seit kurzem in Namibia lebt und dort auf den "Fall Lubowski" gestoßen ist. Wer steckte hinter dem Mord - das südafrikanische "Civil Cooperation Bureau" CCB, der Geheimdienst des Apartheids-Regimes, der sich heftige auseinandersetzung mit der SWAPO lieferte, die von Namibia aus operierte.
Von all diesen Verstrickungen weiß die junge Polizistsin Clemencia Garises von der Kripo in Windhuk noch nichts, als sie in das Nobelviertel Ludwigsdorf kommt, um den Mord an Slang van Zyl ("die Schlange") zu klären. Von zahllosen Kugeln aus einem AK47 Sturmgewehr ist der Mann getötet worden, als er gerade im Garten seine Zitronenbäume gewässert hat.
Bei ihren Ermittlungen wird ihr bald klar, dass da ein Killer unterwegs ist - ein Mann, der offenbar alle Beteiligten an dem damaligen Mordanschlag auf Lubowski töten will. Kann sie ihn stellen?

Spannend und dynamisch nach bester Thrillermanier breitet Bernhard Jaumann seine Geschichte aus, die von einem bis heute nicht geklärten Mord erzählt. Mit Clemencia Garises, der namibischen Detektivin mit der großen Familie, hat er eine der liebenswertesten Detektivfiguren der letzten Jahre geschaffen.

Bernhard Jaumann
Die Stunde des Schakals
Kindler Hardcover

Detlef B. Blettenberg: Land der guten Hoffnung

"Ich suche und finde. Das ist mein Job. Früher oder später spüre ich sie alle auf."

Das sagt Helm Tempow, so eine Art Unterhändler, Mittelsmann, , und, ja, vielleicht auch Detektiv. Für den reichen Hanburger Reeder Carsten soll er den Kidnapper suchen, der vor Jahren seine Tochter Rena entführt hat. Die Spur führt nach Südafrika, es gibt einen, zwei Kontakte, die erste Hinweise auf diesen Tim Butler geben, nachdem seit dem Entführungsfalle Rena Carsten gesucht wird. Allerdings - die Informanten sterben schnell und Tempow entdeckt, dass ihm eine Frau folgt. Und die ist niemand anders als Rena Carstens selbst - die auch hofft, ihren Kidnapper zu finden. Denn sie hat ein Kind mit ihm, gezeugt während der Entführung. Damals kam sie frei, nachdem das Lösegeld gezahlt war, und hat die Polizei eine Beschreibung des Mannes gegeben - eines Schwarzen namens Tim Butler, nach dem immer noch gefahndet wird...

Tempow bliebt zurückhaltend, als Rena sich ihm anschließt, die Sache schient viel zu viele doppelte Böden zu haben, als dass er jemandem vertrauen könnte. Und er behält recht - als der Gesuchte über Mittelsmänner Kontakt mit ihm aufnimmt, um ihn treffen. Und Tempow herausfindet, dass Rena ihn über die Geschichte ihrer Liebe zu dem Kidnapper belogen hat.

Farbig, bunt, temporeich und zugleich beobachtungsgenau beschreibt D.B. Blettenberg nicht nur die Verwirrungen bei der Suche nach der Wahrheit, sondern auch die Irrungungen und Wirrungen der jüngeren Geschichte Südafrikas, die Verwerfungen, die die Abkehr von der Apartheid mit sich gebracht hat.

Detlef B. Blettenberg
Land der guten Hoffnung
Pendragon

Robert Hültner: Inspektor Kajetan kehrt zurück

Bayern, 1928, Ende der 20er Jahre. Lipp Kerschbaumer ist auf der Flucht - als Mitglied einer Zelle von Sozialisten ist er unter Mordverdacht geraten und will sich jetzt über die Berge absetzen nach Österreich - und der Weg führt ihn an Zellach vorbei, einem Bergdorf, einem Ort mit einem wenig Tourismus, mit alteingesessenen Bauern und ebenso alt eingesessenen Gasthäusern.

Nach Zellach hat es auch Paul Kajetan verschlagen, ehemaliger Polizist, dann später mal so etwas wie ein Privatdetektiv in den unruhigen Zeiten nach dem Scheitern der Räterepublik. Kajetan will auch über die Berge nach Österreich - aber dann kommt alles ganz anders.
Der Thannheiser wird ermordet aufgefunden, Wirt und Besitzer eines der alteingesessenen Gasthäuser und da ist der etwas auffällige Fremde Paul Kajetan schnell unter Verdacht.
Aber der Dorfpolizist Glaser spürt, dass der stille Mann viel mehr ist als nur ein Urlauber, und wharscheinlich auch kein Mörder. Denn einen Polizisten, und wenn es auch nur ein ehemaliger ist, erkennt er immer.

Und so kommt es, dass Kajetan auf einmal in der Pflicht ist - er soll dem Polizisten vor Ort helfen, den Mord an dem Thannheiser aufzuklären, - damit der Dorfbulle den Mund darüber hält, dass der gesuchte Paul Kajetan in Zellach ist. Als dann der Lipp Kerschenbaumer verhaftet wird, gerät der natürlich sofort in Verdacht, der Mörder zu sein. Aber Kajetan kann nicht so recht daran glauben, auch wenn das natürlich die einfachste Lösung wäre. Und dann liegt der Lipp auf einmal tot ins einer Zelle.

Und so beginnt eine Dorfballade, ein genaues Zeitbild, mit viel bayerischen Ambiente und noch mehr baierischem Dialekt, der von Robert Hültner so präzise eingesetzt wird, dass man die Figuren wirklich sprechen hört (und keine Sorge: man versteht sie auch).
Besser ist es natürlich, wenn man die vorherigen Inspektor Kajetan-Romane kennt, aber es schadet auch nicht viel, wenn man mit "Inspektor Kajetan kehrt zurück" in die Geschichte dieses unkonventionellen Ermittlers und Polizisten einsteigt.

Robert Hültner schreibt mit einer wachen Eleganz, die die Menschen, die Landschaft und die politischen Hintergründe der Zeit zu einem prächtigen Sittenbild verdichtet.

Robert Hültner
Inspektor Kajetan kehrt zurück
btb Hardcover

Ursula Sternberg: Insolvenzgeld

Toni Blauvogel ist gar keine richtige Privatdetektivin, sondern eher so eine Art Gelegenheitsschnüflerin, die ihre Fähigkeiten in der Internet-Tauschbörse in der Nachbarschaft anbietet, während sie sich sonst auf Jobsuche bei der Arbeitsagentur herumdrückt. (Ihren letzten Chef hat sie verloren, als sie ihn tot aufgebahrt auf dem Mittelstreifen der A 40 fand - ihr erster Fall "Ruhrschnellweg.)

Die Nachbarschaft ist im Ruhrgebiet, in Essen, genauer rund um den Isenbergplatz, es ist der Sommer der Fussballweltmeisterschaft, die Welt ist zu Gats bei Freunden, und der "Auftrag" der Toni Blauvogel ins Haus schneit, sieht nach einer ganz bösen Alltagsgeschichte aus: Ruby Hauser, Freundin eines Freundes, ist unter Mordverdacht geraten. Sie soll den Insolvenzverwalter Scheffler aus Oberhausen am Ufer das Baldeneysees in Essen erschlagen haben.
Grunde genug hätte Ruby gehabt: Scheffler hat mit seiner Kanzlei die Softwarefirma, in deren Telefonsupport sie gearbeitet hat, durch die Insolvenz begleitet, und da lagen bei ihr schonmal die Nerven blank.

Toni Blauvogel schnüffelt also mal hier und mal da herum und kommt nach uns nach einer Schieberei mit dem Betriebsvermögen von Ruby Hauses insolventem Arbeitgeber auf die Spur. Aber damit ist noch längst nicht der Mord am Insolvensverwalter geklärt.

Sympathischer Ruhrgebietskrimi mit einer erfrischend menschlichen und normalen Heldin: zeitnah, aktuell und humorvoll.

Ursula Sternberg
Insolvenzgeld
ASSO-Verlag

11.12.10

Walter Mosley: Cinnamon Kiss

Los Angeles 1966. Amerikanische Truppen kämpfen in Vietnam. Hippies propagieren und praktizieren freie Liebe, Gleichheit, Brüderlichkeit. Verwirrend für einen wie Easy Rawlins, den schwarzen Schnüffler aus Los Angeles. Easy hat gerade noch die Rsssneunruhen in Watts erlebt, Easy ist schwarz, er weiß, dass er schwarz ist, und er ist es gewohnt, zurückgesetzt zu werden. Ist es gewohnt, einfach so kontrolliert zu werden, wenn er mit einem Kumpel an einer Telefonzelle steht. Kontrolliert von weißen Bullen, natürlich.

Soweit, so schlecht. Easy ist fast ganz unten. Das Geld ist knapp, er jobbt als Hausmeister an einer Schule und seine kleine Stief-Tochter ist sehr krank. Eine Behandlung in der Schweiz kostet 35000 Dollar, und die einzige Möglichkeit, sich das Geld zu besorgen, scheint der Raubüberfall zu sein, in den ihn sein Ghetto-Kumpel Mouse reinziehen will.

Da kommt der Auftrag des skurrilen Detektivkollegen Robert E. Lee dazwischen, der sich hinter dem Rücken seiner betörend schönen Assistentin versteckt - egal: Easy Rawlins wird Subunternehmer von Robert E. Lee, denn es winken 30000 Dollar, genug für die Behandlung seiner Tochter.

Der Job ist nicht mal anspruchsvoll, so scheint es wenigstens: Ein Koffer, ein Mann und dessen Sekretärin sind verschwunden und jemand will sie finden - vorzusgweise in dieser Reihenfolge. Den Mann, Axel Bowers, findet Easy Rawlings schnell. Bowers liegt erschlagen im Haus der Hippiekommune - und seine bildschöne Sekretärin Cinnamon Cargill ist verschwunden, und vom Koffer gibt es auch keine Spur. Dafür findet Easy aber jede Menge Nazi-Andenken - und das erinnert ihn an seinen Einsatz im Krieg, als er vor den Toren von Düsseldorf gekämpft hat. Er macht sich weiter auf die Suche nach Cinnamon und gerät dabei tief in eine alte Nazi-Verstrickung einiger alter Männer, die jetzt um jeden Preis verhindern wollen, dass ans Licht kommt, was sie im Krieg gemacht haben.
CINNAMON KISS ist eine klassisch gebaute private-eye Geschichte, es ist der inzwischen achte Roman der Easy Rawlins-Serie vom Walter Mosley, und sie lebt von der Atmopsähre der spätern sechziger Jahre, von ihrem Helden und seinem trockenen Ton.
Autor: Reinhard Jahn

Walter Mosley:
Cinnamon Kiss
Fischer Taschenbuch

10.12.10

Christoph Scholder : Oktoberfest

Schock und Schrecken auf der Wiesn - Wolfgang ist Härter

Ja, wen haben wir denn das, fragt überrascht der Bundekanzler am Ende. Einen deutschen James Bond? Und unser Held darauf: "Ich bin Härter." Oder genauer: "Wolfgang Härter."
Hart, nein Härter ist das Romandbeüt von Christoph Scholder, von Haus aus Wissenschaftler, aber seit "Oktoberfest" auf dem Bier- pardon: Buchhandlungtischen liegt, die große Hoffnung des duetschen Thrillers. Ein perfekter Pageturner, ein Runterreißer erster Güte. Fangen Sie dieses Buch nicht nach zehn Uhr abends an - sonst enden Sie erst gegen vier in der Nacht auf der letzten Seite. Einen besseren Leserausch kriegen Sie für den Preis vom umgerechnet zwei Wiesn-Maß derzeit wirklich nicht!

Denn "Oktoberfest" ist perfekt getimte Unterhaltung, punktgenau zurm Start des aktuellen Bayern-Woodstock auf den Markt gebracht. So lesen wir also, wie am zweiten Wiesn-Sonntag das Grauen beginnt - zweitausend Menschen sterben, 70000 werden als Geiseln genommen, eine zu allem entshlossene Kommandoeinheit abtrünniger russicher Speznaz droht damit, ganze Bierzelt-Besatzungen zu massakrieren. Kein besonders originelles Bedrohungsszenarium, seit Thomas Harris in "Schwarzer Sonntag" einen von Palästinensern gekidnappten Werbezeppelin auf den Superbowl stürzen lassen wollte oder Collins und Lapierre, im "Fünften Reiter" behaupteten, Gaddafi habe einen Wasserstoffbombe in New York abgestellt. Natürlich ist die Wiesn, sind in München, Bayern, Berlin alle gelähmt vor Schock und Schrecken. Aber keine Sorge. Rettung naht.

Auftritt Wolfgang Härter. Vergessen Sie James Bond, vergessen Sie Jason Bourne, vergessen Sie alle Tom-Clancy Helden. Wolfgang ist Härter. Er kann schwimmen, schlagen, schießen, tarnen, täuschen, töten, er ist von der Sorte Kerl, die mit smarten onelinern und gebrüllten Befehlen kommuniziert und mit einem kantigen Kinn ausreichend charakterisiert ist.
Wo Härter eingreift, wächst auf der Wiesn kein Grashalm mehr, aber dafür um so mehr das Vertrauen der kleinen Leute in ihn, all der Polizisten und Sidekicks, die wir aus anderen action-Geschichten kennen - angefangen vom genialen Computer-Tüftler, der im letzten Moment den richtigen Code zusammenfummelt bis hin zum knorrigen Gebirgsjäger-General, der mit seinen Leuten mal halb München besetzt, um seinem Spezi Härter den Rücken freizuhalten.
Damit ist die Perspektive der Story fokussiert und man wundert sich nicht mehr darüber, dass alle Funktionsträger vom Bundeskanzler bis zum Münchner OB nicht mal eigene Namen spendiert bekommen. Denn ausrichten können sie eh nichts - das kann nur der Härter-Wolfgang mit dem kantigen Kiinn und den blauen Augen. Und er macht seine Sache gut - er schwimmt und kämpft und fliegt und schlägt und denkt und handelt, als gäbe es kein Morgen mehr. Bis er den letzten Eliteterroristen in den showdown geschickt hat.

"Oktoberfest" ist Entertainment - man darf Christoph Scholders hardcore-Schocker über die Bedrohung des Oktoberfestes deshalb keinesfalls mit Ulrich Chaussys brillanter Reportage "Oktoberfest" über das Attentat von 1980 oder Wolfgang Schorlaus verschwörerisch umwölkten Krimi "Das München-Komplott" über dasselbe Thema in eine Reihe zu stellen. Scholders Debüt ist ein Testosteron-gedopter und mit Eimern von Kino-Popcorn überstreuter Terror-Thriller, der nur deshalb streckenweise so absurd wirkt, weil das alles quasi vor unserer Haustür spielen soll.
Autor: Reinhard Jahn

Christoph Scholder
Oktoberfest
Knaur