20.2.15

Die telefonische Mordsberatung auf WDR5
FACTSHEET Mörderische Familienbande


Die telefonische Mord(s)beratung: Mörderische Familienbande
Samstag, 28. Februar 2015
21:05 Uhr bis 23:00 Uhr
auf WDR5 

Das WDR5 Krimi-Kompetenzteam:
Reinhard Jahn, Thomas Hackenberg, Ingrid Müller-Münch und Ulrich Noller
Foto: WDR, mit freundlicher Genehmigung

















Böse Zungen behaupten: "Wer Familie hat, braucht keine Feinde mehr." Zumindest in der Krimiliteratur herrschen zwischen Ehegatten, Geschwistern, Erben und Enkeln Hass, Habgier, Leidenschaft und Eifersucht.
Die wahren Dramen spielen sich fernab der großen Bühnen im Landhaus, der Vorstadtvilla oder dem Plattenbau ab. Mit der Familie als Schauplatz klassischer Kriminalgeschichten und sensibler Psychostudien befassen sich die WDR 5-Krimi-Experten Ulrich Noller (KrimiZEIT-Bestenliste), Reinhard Jahn (Bochumer Krimiarchiv) und die Journalistin Ingrid Müller-Münch . Außerdem empfiehlt das Krimi-Kompetenzteam den Hörern auch seine aktuellen Favoriten aus den Bestsellerlisten.
Moderation: Thomas Hackenberg

Erstmal die Wirklichkeit:
Familie als Tatort:
Die Kriminalpolizei unterscheidet zwischen
  • -Taten ohne Vorbeziehung (Beispiel: Ladendiebstahl, Handyraub)
  • -Taten mit Vorbeziehung/Beziehungstaten. Ja nach Klassifizierung reicht das Spektrum von "häuslicher Gewalt" bis "Vergewaltigung" und "Totschlag / Mord"
Die "Beziehung" zwischen Täter und Opfer ist weit gefasst: Von Bekanntschaft / Freundschaft bis Lebensgemeinschaft / Partnerschaft

Familientaten sind eine Untergruppe der Beziehungstaten
Wenn eine Frau getötet wird, dann wahrscheinlich von einem Lebenspartner
2011 fielen hierzulande (Deutschland) 313 Frauen Mord und Totschlag zum Opfer. Bei 154 von ihnen, also fast jeder zweiten getöteten Frau, hatte die Polizei Ehemann, Freund oder Ex-Partner in dringendem Tatverdacht. (…)
Danach galt den Kripobeamten im Jahr 2011 in 100 dieser Tötungsfälle der jeweilige Ehemann als mutmaßlicher Täter, in 27 Fällen war es der nichteheliche Lebenspartner, weitere 27 Male war es der Ex-Partner. (…)

Umgekehrt ist es selten, dass Frauen ihre Partner töten:
2011 fielen zwar insgesamt 349 Männer Mord und Totschlag zum Opfer. Aber in nur 24 dieser Fälle heftete sich der polizeiliche Tatverdacht an Partnerin oder Partner des Getöteten: (…)
FAZIT: "Frauen erleben Gewalt vor allem in der eigenen Familie, und der Täter ist zumeist der männliche Beziehungspartner."
Quelle: Süddeutsche Zeitung
http://www.sueddeutsche.de/panorama/frauenmorde-sind-haeufig-beziehungstaten-toedliche-zweisamkeit-1.1365223

Zur Vertiefung:
Maischberger - 20.11.2013: "Verbrechen in der Familie: Warum eskalieren Konflikte?"
youtube-Video


Menschen bei Maischberger, komplette Sendung in HD vom 20.11.13 in der ARD: Der gefährlichste Ort für Frauen und Kinder ist oft das eigene Zuhause. Scheidungskrieg, Schläge, Mord: Ausgerechnet in der Familie, in der wir uns geschützt glauben, spielen sich Dramen ab, kommt es immer wieder zu Gewaltausbrüchen. Warum?


Aber jetzt zum Thema...
Familie im Krimi:
Natürlich gibt es da zunächst einmal "die" Familie, la famiglia, die keine "Familie" im engeren Sinn ist, sondern eine Clan-Gemeinschaft:
Die Mafia sizilianischen Ursprungs besteht aus so genannten Familien– wobei es sich hier nicht um Familien im engeren Sinne einer reinen Blutsverwandtschaft handelt, sondern um einen engen, streng hierarchisch gegliederten Gruppenverband aus Mitgliedern sizilianischer Herkunft – die einem Codex folgen. Dessen Regeln hat jedes Familienmitglied genau einzuhalten; Verstöße, insbesondere der Omertà, wurden in der Vergangenheit in der Regel mit brutalen Mitteln (bis hin zu Mord) geahndet. Die Mafia ist vor allem auch eine patriarchale Organisation. Frauen haben keinen Zugang zur Hierarchie der Mafiafamilien, die Mitglieder sind ausschließlich Männer. Jede Mafiafamilie hat ein Oberhaupt, dem jedes Familienmitglied zu absolutem Gehorsam verpflichtet ist. Diesen Anführern kann wiederum ein Oberboss („capo dei capi“ bzw. „capo di tutti i capi“, Boss der Bosse) vorstehen, der uneingeschränkte Macht über alle Familien ausübt
(WIKIPEDIA): https://de.wikipedia.org/wiki/Mafia


La famiglia
In der Literatur und im Kino wird der Mythos der "Mafia-Familie" als echtem Großfamilienverband stets akzentuiert – wie im Klassiker "Der Pate", der die Geschichte der Verbrecherdynastie Corleone als Familienepos erzählt:
Mario Puzo
Der Pate

Der sizilianische Junge Vito Andolini, dessen Eltern von der Mafia ermordet worden sind, kommt nach New York und steigt dort unter dem Namen seines Heimatdorfes Corleone zum mächtigsten Mafia-Paten auf. Als er es ablehnt, sich am Drogenhandel zu beteiligen, wird "Vito Corleone" auf offener Straße niedergeschossen, worauf zwischen rivalisierenden Mafiafamilien ein blutiger Krieg ausbricht. Für den handlungsunfähigen Paten übernimmt der älteste Sohn Sonny das Familiengeschäft. Als er in eine Falle gelockt und erschossen wird, schließt Vito Corleone einen strategischen Frieden, der seinem jüngsten Sohn Michael die Rückkehr aus Sizilien ermöglichen soll, wo dieser sich versteckt hat. Michael übernimmt das Familiengeschäft, schlägt die Feinde zurück und baut die Macht des Familienclans noch weiter aus.
Quelle: wikipedia

Die dysfunktionale Familie.
John Hart
Der dunkle Fluss

Adam Chase kommt zurück in heimatliche County. Seine Familie: der Vater – hat den Selbstmord seiner ersten Frauu nie verwunden, die Stiefmutter – hat Adam fast ins Gefängnis gebracht, die Stiefgeschwister -  ein Spieler und Säufer und eine Borderlinerin.

Familie als Psychodrama:
Gillian Flynn:
Cry Baby - Finstere Orte

Libby Day ist vor 25 Jahren als Kind einem Familienmassaker entkommen: ein Miller hat ihre Mutter erschossen und ihre beiden Schwestern erstochen, ihr Bruder wurde für die Tat verurteilt. Jetzt ist Libby gezwungen, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen – und zu erkennen, wie sich ihre Familie damals in ein Drama verstrickte, bei dme es nur einen Ausweg gab: Mord.

Und als kleines Extra:
Das aktuelle Krimi-Ranking:
Ermittler mit Familie

„Jenseits eines bestimmten Alters kann ein Mann ohne Familie eine üble Sache sein!“                               (Marty Hart in "True Detective")

Die Smarte:
Ann Kathrin Klaasen
(von Klaus-Peter Wolf)
Geschieden, seit Band 8 "Ostfriesenfeuer" in zweiter Ehe mit ihrem Kollegen Frank Weller verheiratet.  Geboren 1970, gilt als Verhörspezialistin, aber auch als eigenbrötlerisch und wenig teamfähig. Sie ließ sich von ihrem Mann Hero scheiden, weil er sie ständig betrog. Seitdem hat sie ein heftiges Eifersuchtsproblem und wittert überall Konkurrentinnen. Ihr pubertierender Sohn Eike ging mit dem Vater. Das hat sie schwer angeschlagen. Inzwischen ist sie wieder glücklich verheiratet mit Frank Weller.

Der Sanfte:
Guido Brunetti
(von Donna Leon)
Verheiratet. Seine Frau Paola ist die Tochter eines Conte aus der Familie Falier, eine der ältesten Familien Venedigs. Ihre heranwachsenden Kinder heißen Raffaele und Chiara. Die Brunettis leben in einer weiträumigen Wohnung nahe der Kirche San Polo. Sie befindet sich im vierten Stock und besitzt eine große Dachterrasse. Paola und die Kinder haben ein inniges Verhältnis zu den Schwiegereltern. Dagegen ist Guidos Verhältnis zu seinem Schwiegervater Orazio Falier eher etwas steif.

Der Deprimierte:
Kurt Wallander
(von Henning Mankell)
Geschieden. Sein Leben zeigt seit seiner Scheidung alle Anzeichen einer Midlife Crisis. Er kommt nur schwer mit dem Erwachsenwerden seiner Tochter Linda zurecht und leidet unter der Krankheit und dem Tod seines engstirnigen, eigensinnigen Vaters, mit dem er lange kein gutes Verhältnis hatte. Kurz vor seinem Tod (in "Die fünfte Frau") erfüllte sich Wallanders Vater noch einen Lebenstraum: Zusammen mit seinem Sohn Kurt reiste er nach Rom und verbringt dort ein paar Tage, die er später als die schönsten seines Lebens bezeichnete.
Wallanders Ersatzfamilie: Ann-Britt Höglund, Karl Svedberg und Sven Nyberg, seine Kollegen bei der Polizei Ystadt.

Der Tragische:
Thomas Lynley, 8. Earl von Asherton,
  (von Elizabeth George)
Verwitwet. Detective Inspector beim Criminal Investigation Department von New Scotland Yard. Verheiratet  mit Lady Helen Clyde. Lynley heiratete sie nach der Auflösung seiner Verlobung mit Deborah Cotter in "Denn sie betrügt man nicht". Helen arbeitete mit dem Kriminologen Simon St. James  zusammen, dieser  heiratete schließlich Lynleys Ex-Freundin Deborah. Helen Lynley wird dann in "Wo kein Zeuge ist" auf offener Straße erschossen, und auch ihr ungeborenes Kind stirbt.

Der Patchworker
Klaus-Ulrich  Mager
(von Reinhard Junge)
geschieden, in zweiter Ehe verheiratet mit Karin Jacobmayer. Gemeinsamer Sohn: Theo. Arbeitet für die PEGASUS FILM UND VIDEO GbR, die er einst mit seiner Jugendliebe Susanne Ledig gegründet hatte. Skoda-Fahrer, Atheist, starker Raucher.
Aus erster Ehe mit Mechthild Mager stammt Sohn Kalle, der jetzt als Kameramann für Mager und Ledig arbeitet. Mechthild ist in zweiter Ehe mit einem Lehrer verheiratet. Alle leben und arbeiten in einem Doppel- oder Dreifach-Haus in Bochum.

Text: Reinhard Jahn, mit Material von www.Kulturschnitte.de, www.elizabeth-george.de, krimi-couch.de, wikipedia,wallander-web.de
ENDE

15.2.15

Dan Brown:
Diabolus

Der Erstlings-Roman des SAKRILEG-Autors. Es geht um Kryptografie, eines der zentralen Themen im Internet: Vrschlüsselungstechnologien und die Methoden, wie man verschlüsselte Nachrichten entschlüsselt.

Damit befasst man sich selbstverständlich auch in der NSA, der amerikanischen National Sercurity Agency in Fort Meade, Maryland. Dort ist die Zentrale - ein gigantisches Bürohaus mit schwarz verspiegelter Front, durch deren Scheiben, wie man sagt, kein Funk- oder anderes Signal dringen kann. Crypto-City heißt das NSA-Gelände, das eine eigene Autobahnabfahrt hat, die nur von NSA-Angestellten benutzt werden darf. Die NSA ist schon von jeher DIE Hassbehörde aller Verschwörungstheoretiker und DER Lieblingsgeheimdienst eines jeden Thriller-Autors.
Dabei legt die NSA selbst gar nicht soviel Wert auf Publicity - auf die Frage, was denn die N-S-A bedeute, heißt es dort angeblich: NO SUCH AGENCY:

Susan Fletcher arbeitet als Kryptologin bei der NSA und ist dort zuständig für das Schnüffelprogramm, das verschlüsselte Nachrichten aus den Datenströmen des Internets dekodiert.
Alarmiert wird sie, als das Programm auf einen Code stößt, den es NICHT knacken kann. Die ersten Recherchen ergeben schnell: Ein ehemaliger NSA-Mann, der Japaner Tanaka, scheint diesen Supercode entwickelt zu haben. Und aus einigen Indizien geht auch hervor, wozu er ihn nutzen wollte: Um die Machenschaften und den Machtmissbrauch der NSA an die Öffentlichkeit zu bringen.

Nur leider kann er das nicht mehr - denn er wurde ein Spanien ermordet. Doch den Schlüssel zum Knacken seines Codes müsste er noch bei sich haben.
Auftritt David Becker, der sportliche, gutaussehende, abenteuerlustige Freund unserer Heldin Susan. Susans Chef und Susan selbst können ihn überreden, nach Spanien zu fliegen, um sich die Hinterlassenschaften von Tanaka anzusehen und nach dem verborgenen Schlüssel des Supercodes zu suchen.
Doch auch andere Parteien haben allergrößtes Interesse an dem Codes, und so kommts, wie es bei Dan Brown kommen muss: Eine Jagd von einem Cliffhanger zum nächsten, bis am Ende das Showdown in der super-geheimen NSA-Zentrale stattfinden kann...

DIABOLUS ist das erste Buch des SAKRILEG-Autors Dan Brown. Die Legende sagt, dass er es nicht bei einem Verlag unterbringen konnte und deshalb selbst als Ebook veröffentlichte, wo es zu einem Riesenerfolg wurde - wahrscheinlich besonders bei allen Verschwörungstheoretikern, die hier alle Vorurteile über die NSA bestätigt sehen können..

Insgesamt: Aktions- und rätselreicher Thriller im Geheimdienst- und Kryptografen-Milieu. Ein gigantisches Komplott, tapfere Helfen, genialische Bösewichte und vor allem: atemlose Spannung. Was will man mehr?
Reinhard Jahn WDR5 Mordsberatung

Dan Brown:
Diabolus
Bastei-Lübbe, HC und TB

12.2.15

Sie schufen die harten Helden: Hammett und Co


Harte Schnüffler, skrupellose Gangster und gewissenlose Frauen standen im Mittelpunkt der Filme von Hollywoods "Schwarzer Serie". Humphrey Bogart verkörperte die Detektive Sam Spade und Philip Marlowe, die Dashiell Hammett und Raymond Chandler in ihren Romanen während der Blütezeit des amerikanischen Detektivromans erfunden hatten.

Die harten Helden des amerikanischen Privatdetektivromans lösten die intellektuellen Detektive des britischen Krimis ab. Die ersten Geschichten dieser neuen Gattung tauchten zuerst kurz nach dem Ende des Ersten Weltkrieges in billigen Kurzgeschichten-Magazinen ("Pulps") auf und traten an die Stelle der bis dahin sehr beliebten Westernstories. Für Honorare von ungefähr 10 Cents pro Wort schrieben die Autoren teilweise unter zahlreichen Pseudonymen oft gleichzeitig für mehrere Magazine.
Im Dezember 1922 erschien im "Black Mask"-Magazin die erste Kriminalstory von Dashiell Hammett. Eine aktionsreiche Handlung, die realistische Darstellung von Gewalt und der bisweilen zynische Dialogwitz seiner Hauptfiguren zeichneten auch seine Romane "Red Harvest" (1929, "Bluternte") und "The Maltese Falcon" (1930, "Der Malteser Falke") aus. Hammett konnte bei seiner Arbeit als Kriminalschriftsteller auf seine Erfahrungen als Detektiv der Agentur "Pinkerton" zurückgreifen, für die er insgesamt acht Jahre tätig gewesen war. Seine Figur des kantigen Privatdetektivs Sam Spade wurde zum Archetypus zahlreicher weiterer Helden des amerikanischen Detektivromans.
Als Ermittler im privaten Auftrag operierten die "private eyes" in den Randzonen der Legalität. Sie folgten bei der Lösung ihrer Fälle meist ihren eigenen moralischen Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit und akzeptierten auch Gewalt als Mittel, um die Interessen ihres Klienten durchzusetzen.
Sowohl Raymond Chandler als auch Ross MacDonald bezogen sich mit ihren Detektivfiguren "Philip Marlowe" und "Lew Archer" in den nächsten Jahren direkt auf Hammett. Die von ihnen geschaffene Form des Privatdetektivromans erlebte ihre Blüte in den fünfziger Jahren und ist bis heute fester Bestandteil des Krimi-Genres.

Weitere erfolgreiche Autoren dieser "harten Schule" des Kriminalromans waren James M. Cain (1892 - 1977), Cornell Woolrich (1903 - 1968) und Jim Thompson (1906 - 1976). Genau wie Hammett erzählten sie realistisch von der Verhältnissen zur Zeit der amerikanischen Wirtschaftskrise und der von Präsident Franklin D. Roosevelt initiierten Periode des "New Deal". Kriminalität wurde nicht als abstraktes Mörderspiel dargestellt, sondern als Folge von Arbeitslosigkeit, sozialer Missstände und der Unterwanderung der staatlichen Ordnung durch weitverzweigte Gangstersyndikate.
Die Kriminalromane der "harten Schule" waren in einer einfachen, vom Stil Hemingways beeinflussten Sprache geschrieben und verstanden sich als realistische Abbilder ihrer Gegenwart. Deshalb stellten sich auch nicht wie der britische Detektivroman komplizierte Verbrechen und die die Suche nach einem intelligent agierenden Mörder in den Mittelpunkt, sondern widmeten sich der Beschreibung von Verbrechen und ihrer Folgen. Dabei wurde oft sogar der Täter selbst zur Hauptfigur gemacht und die Tat aus seiner Perspektive erzählt. Meist waren es, wie in James M. Cains berühmten Roman "The Postman always rings twice" (1934, "Wenn der Postmann zweimal klingelt") einfache Männer, die trotz aller Versuche, ehrlich zu bleiben, in ein Verbrechen verwickelt wurden.

Mit den Verfilmungen der Romane von Hammett und Chandler begann schließlich in den vierziger Jahren die erfolgreiche "Schwarze Serie" Hollywoods mit düsteren Kriminalfilmen aus dem Unterweltmilieu. Unter der Regie von John Huston entstand 1941 "Der Malteser Falke" nach dem Roman von Dashiell Hammett; 1946 inszenierte Howard Hawks Raymond Chandlers "The big sleep" ("Tote schlafen fest").
(Reinhard Jahn)

10.2.15

Jürgen Reitemeier und Wolfram Tewes:
Totensonntag

Schauplatz ist Paderborn. Kommissar Horst Schwiete, Einzelgänger und Pedant, Sohn eines Holzfällers, ermittelt mit seinem Kollegen Karl Kükenhöner, einem ungehobelten Raubein und der Kollegin Linda Klocke einem mysteriösen Fall. Ein Haus ist explodiert, womöglich durch eine Gasflasche. Eine verkohlte Frauenleiche wird in den Trümmern gefundne. Unfall? Mord? Jedenfalls höchst mysteriös, denn dann einer der Polizisten, die zur Bewachung geblieben sind, in dem Haus von einer Frau mit einer Gaspistole über den Haufen geschossen.
Bei den Ermittlungen dabei: Herbert Höveken, Bestattungsunternehmer, seine platonische Freundin Hilde Auffemberg, sowie deren Mieter Willi Künnemeyer, Rentner und Schützenoberst a.D. und Johannes "Johnny" Winter, gescheiterter Rockmusiker und jetzt Taxifahrer.
Schnell wird klar, wohin die Spuren führen: Zum Club OASE, dem Bordellchef Patrick Rademacher und dem Besitzer des gesprnegten Hauses Werner Hatzfeld – ein gutsituierter Parderborner Bürger. Und der Immobilienhändler Wilfried Kloppenburg sind ebenfalls verwickelt – als Stammkunder der Prostituierten Alicia, die mit zwei Kolleginnen in dem zerstörten Haus wohnte.
Reinhard Jahn WDR5 Mordsberatung

Jürgen Reitemeier und Wolfram Tewes:
Totensonntag,
Piper

Katharina Gerwens:
Westfälische Affären

Schauplatz Kalverode in Westfalen. Irgendwo zwischen Münster und Paderborn. Der örtliche Sparkassenchef Felix Kalupka ist tot. Er liegt in seiner Gründerzeitvilla in Kalverode, als ihn seine Putzfrau Thekla Wissing entdeckt. Ein Fall für die Polizeimacht von Kalverode: Oberrat Ewald Schmeing, Hauptkommissarin Annalena Brandt, Kommissar Horst Toplischek und Kriminalhauptmeister Matthias Wissing. Neu zum Team stößt Hauptkommissarin Melanie Diercks – und macht sich gleich mit ihrer chaotischen Art unbeliebt bei ihrer Kollegin Brandt, die sehr strukturiert an den Fall herangeht.
In Kalverode wird der Tageslauf bestimmt vom Glockenschlag von St. Agnes, man kennt sich, wie man sich in einer Kleinstadt kennt, in der fast alle in ordentlichen Einfamilienhäusern wohnen.
Nach und nach kommt heraus dass Sparkassenchef Kalupka nicht nur ein, sondetn gleich ein vier bis fünffacehs Doppelleben führte: mit einer Handvoll Geliebten, die er planmäßig auf die Wochentage verteilt und mit verschiedenfarbigen Handys auseinanderhielt. Natürlich sind die Damen jetzt alle verdächtig – und auch Verdächtigungen im Ort sind Tür und Tor geöffnet.
Mit sanfter Ironie und genauem Blick fürs westfälische Leben dröselt Katharina Gerwens den Fall auf.
Reinhard Jahn WDR5 Mordsberatung

Katharina Gerwens:
Westfälische Affären,
Piper






 

9.2.15

Das Krimi-Ranking
Die achteinhalb besten Eisenbahnkrimis


Auf Gleis 1:
Agatha Christie: Mord im Orient-Express (Murder on the Orient-Express, 1928)
Winter 1934: Eigentlich wollte Hercule Poirot die Fahrt in dem weltberühmten Luxuszug genießen, aber seine Mitreisenden verderben ihm das Vergnügen gründlich. Allerdings wird er bald entschädigt, denn eine Leiche wird entdeckt. Ein Toter und ein Zug voller Verdächtiger: ein gefundenes Fressen für den Meisterdetektiv.
Welcher Zug? Orient-Express
Die Strecke: Abschnitt  Athen-Paris auf der Gesamtstrecke Istanbul-Calais
Bewertung:  Landhauskrimi trifft Kursbuch
Die Filme:
1974 Mord im Orient-Expreß (Murder on the Orient Express), 131 Minuten, Regie: Sidney Lumet, Mit Albert Finney als Hercule Poirot
2001 Mord im Orientexpress (Murder on the Orient Express) 90 Min, Regie: Carl Schenkel, Mit Alfred Molina als Hercule Poirot
2010 Agatha Christie's Poirot: Murder in the Orient Express, Serienfilm, 90 Min, Regie: Philip Martin, Mit David Suchet als Hercule Poirot

Auf Gleis 2:
Graham Greene: Orient Express
(Stamboul Train, 1932)
1930. Der Orient-Expreß rast durch Europa, in drei Tagen von Ostende nach Istanbul. Zu seinen Passagieren zählen fünf Menschen, deren Leben durch diese Reise verändert wird: die Revue-Tänzerin Coral, der junge jüdische Geschäftsmann Myatt, der Revolutionär Czinner, die lesbische Journalistin Miß Warren und Janet, die sich von Miß Warren lösen möchte.
Welcher Zug?: Orient-Express
Die Strecke: Ostende – Wien - Istanbul
Bewertung: Großartiges Zeitbild
Der Film:
1934 Orient Express (Orient Express) 71 Min, Regie: Paul Martin


Auf Gleis 3:
Michael Crichton: Der große Eisenbahnraub
  (The Great Train Robbery, 1979)
England 1855. In London wird das Verbrechen des Jahrhunderts  geplant: Aus den beiden Safes im Packwagen des London-Paris-Expreß will Gentleman Edward Pierce den Sold für die im Krimkrieg stehenden britischen Truppen, 200 Goldbarren im Wert von 12.000 Pfund, stehlen.
True Crime aus dem Viktorianischen Zeitalter. Der erste große britische Eisenbahnbraub, dem schließlich 1963 der "große Postzugraub"  folgte.
Welcher Zug? Der London-Paris-Express

Die Strecke:London – Folkestone
Bewertung: Eisenbahnraub ganz klassisch
Der Film
1979 Der große Eisenbahnraub (The First eeat Train Robbery), 110 Min, Buch und Regie: Michael Crichton, Mit Sean Connery als Edward Pierce


Auf Gleis 4:
Benjamin Monferat: Welt in Flammen
(2014)
Mai 1940: Während in Paris die Angst vor dem deutschen Einmarsch um sich greift, bricht der Simplon Orient Express ein letztes Mal nach Istanbul auf. An Bord eine schicksalhafte Reisegesellschaft: Ein Balkanfürst will die Herrschaft über sein Land zurückfordern. Seine jüdische Geliebte fürchtet um ihre Liebe und um ihr Leben. Ein deutscher Spion setzt alles daran, sie zu beschützen. Ein russischer Großfürst ist auf der Flucht, die Sowjetmacht ihm längst auf den Fersen. Ebenfalls an Bord Agenten aller kriegführenden Mächte. Was niemand ahnt: Im Zug befindet sich etwas, nach dem Hitler seine Truppen in ganz Europa suchen lässt.
Welcher Zug?: Simplon-Orient-Express
Die Strecke: Paris – Bukarest - Istanbul
Bewertung: Buch-Blockbuster: Bunt und breitwandig
Die Webseite:
www.welt-in-flammen.de

Auf Gleis 5
Alistair MacLean:  Nevada Pass
  (Breakheart Pass, 1974)
USA 1873:  kämpft sich ein Zug über eine einsame Bahnstrecke durch eine tief verschneite Landschaft gen Westen. An Bord: Colonel Claremont und knapp 80 Soldaten, für Fort Humboldt. Sie werden begleitet von Fairchild, dem Gouverneur von Nevada, und Marica, seiner Nichte, die zu ihrem Vater, dem Kommandanten des Forts, unterwegs ist.. Feindliche Indianer, brutale Desperados und mörderische Saboteure versuchen alles, den Zug vor der Überquerung des Nevada-Passes in ihre Gewalt zu bringen. Gegen diese Übermacht stellt sich ein Reagierungsagent Jack Deakon, den nur eine fragwürdige Tarnung schützt ...
Welcher Zug? Ein Zug der WASATCH & NEVADA RAILROAD (W. & N. R. R.)
Die Strecke: Reese City - Fort Humboldt
Western trifft Tüftel-Krimi: Großartig.
Der Film:
1975 Nevada Pass (»Breakheart Pass« )  91 Min, Regie: Tom Gries, mit Charles Bronson als Jack Deakon.


Auf Gleis 6
Rosa Liksom:  Abteil Nr. 6
(2013) (Hytti nro 6)
Sowjetunion, 1979: Draußen vor dem Zugfenster ziehen die unendlichen Weiten Sibiriens vorbei, drinnen im Abteil Nr. 6 der Transsib ist es beklemmend eng. Die finnische Archäologiestudentin sitzt einem mit allen schmutzigen Wassern gewaschenen Russen gegenüber. Sie schweigt, notgedrungen, denn er reißt vulgäre Witze und erzählt von Vergewaltigungen, Schlägereien und dem Mord, für den er im Gefängnis saß. Je mehr Wodka er trinkt, desto krasser werden die Geschichten, denen die junge Frau ausgeliefert ist. Und doch entwickelt er echte Fürsorge für seine Mitreisende, teilt mit ihr Salzgurken, Zwiebeln und Schwarzbrot - bis er ihr das Wertvollste schenkt, das er besitzt: das Messer, mit dem er einen Menschen erstochen hat.
Welcher Zug? Transsibirische Eisenbahn
Die Strecke:   Moskau – Ulan-Bator
Bewertung: Psychodrama eiskalt

Auf Gleis 7
Evelyn Peters: Trans-Europ-Express
(1973)
Deutschland, Anfang der Siebziger: Menschen unterschiedlichster Herkunft befinden sich im TEE Roland auf der Fahrt von Bremen nach Mailand, unter ein Paar, deren Ehe zu zerbrechen droht. Nicola sehnt sich nach der großen Liebe, Otmar kommt sich wie ein Versgaer vor. Als plötzlich drei unbekannte Männer ein Kind in ihre Gewalt bringen, um den Vater zu erpressen, setzt Otmar sein Leben aufs Spiel, um das ind zu retten. Kann er mit dieser mutigen Tat auchs eine Frau zurückgewinnen? Die Geschichte gewinnt Zug um Zug an Spannung.
Welcher Zug? TEE – Trans Europ Express
Die Strecke: Bremen - Mailand
Bewertung: Melodram auf Schienen

Auf Gleis 8:
Colin Forbes: Lawinenexpress
(Avalanche Express, 1977)
Der KGB-Doppelagent Sergej Marenkow droht aufzufliegen und muss von einer CIA- Spezialeinheit um Col. Wargrave aus Russland herausgeschafft werden. Wegen eines Schneesturms bleibt nur die Möglichkeit mit dem "Atlantik-Express" von Moskau nach Basel zu fahren. Oberst Scharpinsky vom KGB versucht mit allen Mitteln, die Ausreise zu verhindern und hat bereits ein teuflisches Lawinenunglück geplant.
Ein Klassiker der Agenten-Thriller aus dem Kalten Krieg der sechziger und siebziger Jahre. Good guys gegen bad guys.
Welcher Zug? Der frei erfundene "Atlantik-Express"
Die Strecke: MOSKWA – MINSK – BREST – WARSZAWA – BERLIN – FRANKFURT/MAIN – HEIDELBERG – BASEL.
Bewertung: Eiskalter Eisenbanhn-Thriller
Der Film:
1979 Lawinenexpress ("Avalanche Express") 88 Min,. Regie: Mark Robson, mit Lee Marvin, Robert Shaw


Und außer Konkurrenz:
Agatha Christie: 16.50 Uhr ab Paddington
  (4.50 From Paddington, 1957)
Während einer Zugfahrt beobachtet Mrs. McGillicuddy im Fenster eines überholenden Zuges den Mord an einer Frau. Sie erzählt ihrer Freundin Miss Marple von der Geschichte und diese benachrichtigt die Polizei von St. Mary Mead, und der Polizist versichert, dass dem nachgegangen wird. Als aber weder eine Leiche noch Spuren eines Kampfes zu finden sind, schenkt niemand der Geschichte mehr Beachtung. So macht Miss Marple sich daran Nachforschungen anzustellen.
Welcher Zug?: Regionalzug 16.50 ab Paddington
Bewertung: Tüftel-Klassiker
Der Film:
1961: 16 Uhr 50 ab Paddington ("Murder she said"), 90 Min, Regie: George Pollock, Mit Margaret Rutherford als Miss Marple

Sebastian Fitzek
Passagier 23

Martin Schwartz ist ein knallharter Polizist bei einer Sondereinheit in Berlin. Er ist traumatisiert, seitdem seine Frau und sein kleiner Sohn bei einer Kreuzfahrt auf der SULTAN OF THE SEAS verschwunden sind. Selbstmord – bzw erweiterter Selbstmord, so nahm man damals an.
Jetzt wird Martin von der (gelinde gesagt) schrulligen Gerlinde Dobkowitz auf das Kreuzfahrtschiff SULTAN OF THE SEAS gelockt, um einen seltsamen Vorfall zu untersuchen: Ein Mädchen, Anouk Lamar, 11 Jahre, verschwand ebenfalls mit ihrer Mutter bei einer Kreuzfahrt auf der SULTAN OF THE SEA. Wieder vermutete man erweiterten Selbstmord. Doch jetzt ist Anouk auf dem Schiff wieder aufgetaucht – traumatisiert und zu keiner Aussage fähig. Martin Schwartz soll im Auftrag des Reeders, der die schrullige Gerlinde vorgeschickt hat, von Anouk erfahren, was geschehen ist.
Eine Achterbahnfahrt der Gefühle beginnt, die den harten Cop Martin an seine Grenzen bringt. Denn er begreift, dass er auch das Schicksal seines Sohnes und seiner Frau aufklären wird.
"Passagier 23" bezieht seinen Titel aus der Tatsache, dass jedes Jahr 23 Menschen auf kreuzfahrten verscwinden. Selbstmord, Mord, Unfall – alles ist als Erklärung möglich.
Sebastian Fitzek schenkt sich, seinem Helden und uns lesern nichts: Klaustrophobische Enge auf dem Kreuzfahrtschiff, extreme Cliffhanger, unverhoffte Wendungen und am Ende die Aufklärung eines großen Geheimnisses: Fitzek wie er sein soll.
Reinhard Jahn WDR5 Mordsberatung

Sebastian Fitzek
Passagier 23
Droemer

8.2.15

Jo Nesbo
Der Sohn


Sonny Lofthus sitzt im Gefängnis – für Taten,die andere begangen haben und die er gestanden hat. Mit seiner sanften, emphatischen Art ist er zu einer Art Vertrauensperson im Knast geworden. Sonnys Vater war Polizist, ein korrupter Polizist, der Selbstmord begangen hat. Jetzt erfährt Sonny, dass sein Vater gar nicht der verräterische Maulwurf war und sein Selbstmord ein geschickt arrangierter Mord war, um den echten Verräter in Polizeikreisen zu schützen. Sonny bricht auf recht geschickte Art aus dem Gefängnis aus und beginnt von seiner Operationsbasis – einem Hospiz für Junkies in Oslo - einen Rachefeldzug, um den Mörder seiens Vaters zu finden.
Auf der anderen Seite ist Kommissar Simon Kefas schon bald auf der Spur des mörderischen Ausbrechers.

2014-11-15 22.44.41
Jo Nesbo beim Mord am Hellweg 2014
(Foto: Reinhard Jahn)
Schuld, Sühne, Buße, Lüge, Verrat. Es sind die großen Themen, die Jo Nesbo in der Geschichte Sonny, dem "Sohn" erzählt. Er zieht dabei sehr deutliche Parallelen zur Bibel, und mit einem geschickten erzählerischen Kniff verleiht er dem Rachenegel Sonny eine ganz besondere Aura: er erzählt stets nur, wie Sonny von den Menschen in seiner Umgebung wahrgenommen wird , niemals ist die Perspektive direkt bei Sonny.
Perfekt gemachte Spannungsunterhaltung mit hohem literarischem Ansporuch. Jo Nesbo erzählt unfassar intensiv von den Themen, die uns alle angehen.
Reinhard Jahn WDR5 Mordberatung


Jo Nesbo
Der Sohn
Ullstein

7.2.15

Benjamin Monferat
Welt in Flammen


Mai 1940 – deutsche Truppen sind dabei, Frankreich einzunehmen. Der Orient-Express verlässt den Pariser Gare de L'Est. Er führt einen ungewöhnlichen Wagen mit: den Salonwagen aus dem Wald von Compiegne, in dem deutsche Generale 1918 die Kapitalution im Ersten Weltkrieg unterzeichnete. Um zu verhindern, dass Hitler den Wagen für seine Propaganda einsetzt, solle er ins Ausland gebracht werden.

Für viele der Passagiere des legendären Luxuszuges wird die Fahrt von Paris über Belgrad nach Istanbul zu einer lebengefährlichen, schicksalhaften Reise. Etwa die junge Deutsche Eva, die in Paris die Geliebte des Thronfolgers eines Balkankönigreichs war, der jetzt im Zug in seine Heimat reist, um mit Hilfe der Nazis seine Herrschaft zu festigen. Oder Ingolf Helmbrecht alias Ludvig Mueller, Agent der deutsche Abwehr, der in einer geheimen Mission an Bord ist, ebenso wie ein Spion der Bolschewiki geht über Leichen, um seinen Auftrag zu erfüllen. 

784 Seiten; drei Tage und drei Nächte Zugfahrt durch halb Europa, rund zwei Dutzend Personen – ein einzigartiges Leseabenteuer, in das man sich versenken kann. Die Geschichte liefert einen Hauch CASABLANCA in der Eisenbahn, ein pralles Gesellschaftspanorama aus der Zeit des untergehenden Europas und einen Vielzhal von packenden Einzelschicksalen, sie sich zu einem großen, faszinierenden zeitgeschichtlichen Thriller  zusammenfinden.
Reinhard Jahn WDR5 Mordsberatung

Benjamin Monferat (=Stephan M. Rother)
Welt in Flammen
Rowohlt

6.2.15

Oliver Harris:
London Underground


Detective  Nick Belsey von der Londoner Polizei will eigentlich nur seinem Date imponieren, als er mit ihr in den Weltkrieg II-Bunker hinuntersteigt, den er durch Zufall entdeckt hat. Das doch in dem Labyrinth aus Bunkern und alten U-Bahnstrecken, das unter der Stadt liegt, lebt jemand – der Nicks Freundin kidnappt. Und Detective Belsey muss alles daran setzen, sie zu retten und dabei das Geheimis der Bunker unter der Stadt zu lösen. Nicht nur alte Schutzräume aus dem Weltkrieg sind es, die man dort findet. Die Bunker wurden offenbar bis weit in die Zeit des Kalten Krieges weitergebaut und sollten als Rückzug für den Fall eines Atomschlages dienen.

Packend, atmospährisch unheimlich dicht, spannend von der ersten bis zur letzten Zeile. Nachdem Detective Nick Belsey in "London Killing" seinen ersten Auftritt hatte, legt sein Autor Oliver Harris  in "London Underground " noch einmal eine Schippe drauf. Dieser Polizei ist wirklich ein "wunderbarer Dreckskerl", wie es die britische Autorin Val McDermid genannt hat. Stets auf der Kippe, aber auch ungeheuer vital und lebenstüchtig. Ein Held, von dem man unbedingt mehr lesen will.
(Reinhard Jahn WDR5 Mordsberatung)

Oliver Harris:
London Underground
Blessing

5.2.15

Elke Pistor
Vergessen

Ein Zahnarzt dreht plötzlich bei der Behandlung eines Patienten durch und springt aus dem Fenster.
Eine krebskranke Tierpräparatorin spring ebenfalls aus dem Fenster.
Und ein kleines Mädchen ist gekidnappt worden.
Drei Fälle, die alle miteinander verzahnt sind wie Kommissar Verena Irlenbusch schnell feststellt. Doch nicht genugamit, dass sie hinter einem hochintelligenten Killer herjagen muss, der die Teilnehmer an einem schrägen Drogen-Experiment mit LSD  vor mehr als 40 Jahren im Visier hat – sie muss sich auch noch mit dem machohaften und überheblich Kollegen Christoph Todt arrangieren, den man ihr zugeteilt hat. Und sie muss sich immer wieder hektisch zwischen der Arbeit um ihre an Alzheimer erkrankte Großmutter kümmern.

Elke Pistor, Autorin aus der Eifel, hat mit ihrer Kommissarin Verena Irlenbusch eine ebenso taffe wie empathische neue Krimiheldin geschaffen, von der wir sicher noch mehr hören werden. Irgednwann wird sie sich sicher auf mit ihrem Kollegen Todt vertragen, der, wie sich shcon in dieser Geschichte andeutet, eigentlich gar so verltzend sein möchte, wie sein Auftreten wirkt.
Spannende Krimi-Unterhaltung mit Herz.
Reinhard Jahn WDR5 Mordsberatung
Elke Pistor
Vergessen
Ullstein

4.2.15

Frank Göhre:
MO - der Lebensroman des Friedrich Glauser


Frank Göhre setzt dem Urvater des deutschsprachigen Krimis ein lesenswertes Lebensdenkmal.

Zürich in den Dreißigern – in einem Schriftstellerclub. Es liest ein nicht mehr ganz junger Autor. „Die versammelten Schriftstellerkollegen hörten ihm gebannt zu. Kein trockenes Husten, kein Stühlerücken, kein Füßescharren war zu vernehmen, nur das leise Knistern der Kerzenflammen verwob sich mit dem Vorgelesenen.“

Wachtmeister Studer ermittelt

Vor den Kollegen sitzt Friedrich Glauser, 1896 in Wien geborener Sohn einer österreichischen Mutter und eines Schweizer Vaters. Herumtreiber, Journalist, Teilzeit-Dadaist. Ex-Fremdenlegionär, Charmeur und Junkie, aber vor allem: Schriftsteller. Was er liest, ist ein Auszug aus seinem Kriminalroman „Schlumpf, Erwin, Mord“. Es ist eine Kriminalgeschichte, die sich mit ihrer Hauptfigur, einem Fahnder-Wachtmeister von der Berner Kantonspolizei, ein wenig an den Kommissar Maigret von Georges Simenon anlehnt, die aber vor allem von der lebensechten, dichten Atmosphäre und den perfekt abschattierten Charakterzeichnungen lebt.
Glausers Ermittler, der Wachtmeister Studer, „ein älterer Mann, an dem nichts Auffälliges war“ taucht ein in die Milieus, empfindet eher, als dass er ermittelt, denn er meint: „Ich brauch weniger die Tatsachen als die Luft, in der die Leute gelebt haben.“

Dank MO „unter Kuratel“
Der Abend, an dem Glauser in dem Zürcher Schriftstellerclub liest, ist die Geburtsstunde des wohl prägendsten deutschsprachigen Kriminalschriftstellers, seine „Wachtmeister Studer“-Romane gehören seither zu den Klassikern des Genres. „Glauser legte die Manuskriptseiten aus der Hand. Einen Moment lang blieb es noch still. Doch dann brandete ein Applaus auf, der ihm den Hals eng und die Augen feucht werden ließ.“ Dieser Glauser, der sich da vor den Kollegen präsentiert, ist eine schillernder Zeitgenosse – er steht, seit er 21 ist, „unter Kuratel“, will sagen: Er ist von seinem Vater entmündigt, weil er unter anderem die Finger nicht von den Drogen lassen kann, dem Morphium, das er in seinen Aufzeichnungen düster als „MO“ chiffriert.

So nennt Frank Göhre auch seine jetzt erschienene Romanbiografie: „MO – Der Lebensroman des Friedrich Glauser.“ Göhre hat selbst mit seiner legendären St.-Pauli-Trilogie (1986-89), die er zuletzt mit „Zappas letzter Hit“ zum Quartett ausbaute, deutsche Krimi-Geschichte geschrieben, und es konnte keinen besseren Biografen für Glauser geben als ihn. Nicht nur weil der mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnete Wahl-Hamburger sich schon seit fast 30 Jahren mit Glauser befasst und sich als Herausgeber um das Werk des Urvaters des deutschsprachigen Zweigs der Gattung Kriminalroman verdient gemacht hat. Sondern, weil Göhre es ganz besonders als Autor auch versteht, was einen Autor umtreibt bei seiner Suche nach dem richtigen Leben, dem richtigen Stoff, den richtigen Sätzen, dem richtigen Wort.

Der Mensch Glauser
Göhre geht in seiner emphatischen Romanbiografie mit seiner Hauptfigur Glauser respektvoll, aber nicht unkritisch um. Viele der typografisch abgesetzten „Textzeugnisse“, die er in seinen dynamischen, drehbuchschnell gestalteten Lebensbericht einschneidet, sind in Wahrheit, wie Göhre auch sofort zugibt, Nachempfindungen, Nachdichtungen, Synthesen aus Glauser Briefen, biografischen Notizen und Werken, aber auch aus seinen Patientenakten der Psychiatrie und anderem Material. Damit füllt Göhre die blinden Stellen im disparaten Lebenslauf des Friedrich „Chlaus“ Glauser auf und bringt damit dem heutigen Leser seinen „Zeitgenossen Glauser“ näher als das jede literaturwissenschaftliche Arbeit es tun könnte. Indem uns Göhre nämlich den Menschen Glauser zeigt.
 „Er sinkt zusammen. Er kommt nicht mehr zu Bewusstsein. Er atmet aber noch 30 Stunden.“ In den ersten Stunden des 8. Dezember 1938 stirbt Friedrich Glauser in Nervi bei Genua, einen Tag vor seiner Hochzeit mit seiner treuen Lebensgefährtin und Krankenschwester. Frank Göhre verdanken wir, dass er lebendig bleibt.
 (Reinhard Jahn)


Frank Göhre:
MO - Der Lebensroman des Friedrich Glauser.
Ergänzte digitale Neuauflage.
CulturBooks Longplayer,
Februar 2015. 236 Seiten.

Details und Leseproben hier


Rezension erstmals erschienen in der FOCUS-Krimi-Kolumne Dienstag, 10.06.2008

Andre Georgi
Tribunal

Jasna Brandic ist Ermittlerin beim Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag. Die Aussage ihres Kronzeuge Oreskovic soll der Baustein der Anklage im Prozess gegen den "Moslemschlächter" Kovac bilden. Doch da wird der Kronzeuge unmittelbar vor seinem Auftritt erschossen. Der Prozess gegen Kovac droht zu platzen, der Angeklagte triumphiert.
Da erhält Jasna einen Anruf aus dem ehemaligen Jugoslawien: Branko, ein hoher Offizier aus Kovacs krimineller Miliz der "Wölfe", will auszusagen. Dazu soll Jasna ihn nach Den Haag holen – nur Jasna, einem anderen traut er nicht.
Jasna reist gegen jeden Rat und gegen jede Vernunft nach Serbien – während sich Branko von seinen Kameraden absetzt. Sowohl für Jansa also auch für Branko wird der Weg zu einer Reise bis an die Abgründe menschlicher Grausamkeit und auch darüber hinaus. Denn Jasna fällt den Kovacs Leuten in die Hände, während sie gnadenlos Jagd auf den abtrünnigen Branko machen.

Der Roman zeigt die Verbindung zwischen Polizei und Gewalt, Machtgier, Krieg und dem Verlust jeder Menschlichkeit. Georgi erzählt, drehbuchgeschult, schnell, dynamisch, voller Kraft und schenkt dabei sich und dem Leser nichts. Seine Schilderungen von Gewalt sind gewöhnungsbedürftig, aber sie sind notwendig und wichtig für die Geschichte, und niemals werden sie des reinen Effektes willen eingesetzt.
Ein Thriller, bei dem einem der Atem stockt.
Reinhard Jahn WDR5 Mordsberatung

Andre Georgi
Tribunal
Suhrkamp

3.2.15

Ian Fleming
Die James Bond Romane – komplett und neu übersetzt

Man kennt Bond, James Bond, eigentlich nur als Figur aus einer der erfolgreichsten Filmserien der Welt. Das knappe Dutzend Romane, in denen der Brite Ian Fleming zwischen 1953 und 1965 diese charismatische Agentenfigur schuf, sind inzwischen kaum noch bekannt. Lange waren sie in Deutschland kaum lieferbar – und wenn, dann in den aus verschiedenen Gründen gekürzten Übersetzungen aus den 50ern.
Beim kleinen CrossCult Verlag sind jetzt alle Bond-Romanen in einer kompletten Neuübersetzung von  Stephanie Pannen und Anika Klüver erschienen - von Bond Nr 1 CASINO ROYALE bis zu Bond Nummer 12 DER MANN MIT DEM GOLDENEN COLT durchgehend nummeriert und mit den Covern der britischen Ausgabe schön gestaltet.
Wenn man die Bond-Saga in der Reihenfolge ihres Entstehens liest, entdeckt man nicht nur, wo und wann sich die Verfilmungen aus dem großartigen Potential von Szenen, Ideen und Plots bedient haben. Man entdeckt auch einen ganz neuen Bond – einen Agenten des Secret Service, der im Kalten Krieg der sechziger arbeitet und auf seine ganz eigene Art smart und cool ist.
Eine faszinierende Wiederentdeckung. Darauf einen Wodka Martini.
Reinhard Jahn WDR5 Mordsberatung

Ian Fleming
Die James Bond Romane – komplett und neu übersetzt
CrossCult

2.2.15

Mechtild Borrmann
Die andere Hälfte der Hoffnung

Matthias Lessmann lebt seit dem Tod seiner Frau zurückgezogen auf dem kleinen Hof am Niederrhein. Bis ihm ein frierendes russisches Mädchen über den Weg läuft, bei ihm Unterschlupf sucht – und findet. Tanja ist auf der Flucht vor den Mädchenhändlern, die sie zusammen mit ihrer Freundin Marine in ein Bordell nach Nimwegen bringen wollten.
Der Bauer und das Mädchen - Lessmann gewährt Tanja Unterschlupf, er beschützt sie, tötet für sie, will ihr helfen, ihre Freundin zu retten. Dazu macht er sich auf den Weg nach Nimwegen, gibt sich als Freier aus, um Marinas Spur aufzunehmen. Während zur gleichen Zeit des russische Polizist Leonid in Düsseldorf eintrifft, auf einer halb privaten Mission. Er hat die Spur der Mädchenhändler in Russland aufgenommen und dröselt nun die Verflechtungen und gemeinen Tricks der Gangster in Deutschland auf. Natürlich werden beide Handlungsfäden – und ein dritter, der in Russland spielt – irgendwann aufeinandertreffen. Doch das geschieht ganz anders als erwartet – weil Mechtild Borrmann mit großer Meisterschaft erzählt, was ihre Figuren antreibt .
Mechtild Borrmann erzählt von Menschen, die gegen ihr Schicksal kämpfen oder die endlich einmal die Entscheidung über ihr Leben in die eigene Hand nehmen.
Sie erzählt, wie schwer es ist, solche Entscheidungen zu treffen und welche tragischen Folgen so eine Entscheidung mitunter haben kann. Sie ist eine ganz großartige Chronistin des Alltags und eine absolute Menschenfreundin in der literarischen Tradition eines Georges Simenon.
Reinhard Jahn WDR5 Mordsberatung

Mechtild Borrmann
Die andere Hälfte der Hoffnung
Droemer


Die andere Hälfte der Hoffnung
Mechtild Borrmann versteht es wie kaum eine andere Autorin, Schicksale der unterschiedlichsten Menschen zu einer dichten, packenden Geschichte zu verknüpfen, die so aufregend ist wie das Leben selbst.
Mechtild Bormann erzählt nur scheinbar Alltägliches – je länger man  liest, je tiefer man in die jewielige Geschichte eintaucht, desto klarer wird, dass diese Autorin sehr genau hinschaut und in jedem Schicksal das einzigartige, das mitunter tragische zu entdeckt.
Mechtild Borrmann erzählt ganz unaufgeregt sie aufregendsten Geschichten. Von Menschen, die lange mit Schuld leben, von Menschen, die gegen ihr Schicksal kämpfen oder die endlich einmal die Entscheidung über ihr Leben in die eigene Hand nehmen.
Sie erzählt, wie schwer es ist, solche Entscheidungen zu treffen und welche mitunter tragischen Folgen solch eine Entscheidung haben kann. Sie ist eine ganz großartige Chronistin des Alltags und eine absolute Menschenfreundin in der literarischen Tradition eines Georges Simenon.

Mechtild Borrmann
Die andere Hälfte der Hoffnung
Droemer