Jürgen Pomorin, Reinhard Junge, Georg Biemann: "Man kommt halt an manche Informationen nicht anders heran. ..
Unter Freunden plaudert man eher...
...lautet die Devise von drei Journalisten, die sich mit der Neo-Nazi-Szene beschäftigen. Für ihre Bücher haben' sie sich im Wallraff-Stil bei den Rechten im Lande eingeschlichen.
Über Jürgen Pomorin, Reinhard Junge und Georg Biemann berichten REINHARD JAHN und Andreas Böttcher
"Für Leute wie Sie", heißt es in dem Drohbrief, "haben wir gut geölte Pistolen und verstehen uns auf Molotow-Cocktails. Wir warten auf Ihr Kommen." Jürgen Pomorin zeigt uns diesen Brief sicher nicht, um sensationsträchtig zu illustrieren, wie gefährlich seine Arbeit und die seiner Kollegen Reinhard Junge und Georg Biemann ist. Er zeigt ihn uns vielmehr als Dokument eines Un-Geistes und einer Ideologie, die zum Thema der journalistischen Arbeit des Trios geworden sind.
"Die Neonazis" und "Vorwärts, wir marschieren - zurück!" heißen die beiden Reportagebücher, die der 28-jährige elan-Redakteur gemeinsam mit dem Bochumer Lehrer Reinhard Junge verfasst hat. Am jüngsten Werk der beiden aktiven Antifaschisten hat auch Georg Biemann mitgearbeitet, freier Rundfunkjournalist mit dem Spezialgebiet Entwicklungspolitik, und er schreibt auch an dem allerneuesten Pomorin/Junge mit, der im Herbst erscheinen soll.
"Blutige Spuren" hieß die romanhaft aufgearbeitete Reportage über die letzten Tage des Reichssicherheitshauptamtes und die Karrieren seiner ehemaligen Mitarbeiter in der Bundesrepublik. Von Millionenwerten in gefälschten Pfundbanknoten wird da berichtet, die in den Wirren des ausgehenden Krieges im österreichischen Toplitzsee versenkt wurden, von Alt-Nazis wird erzählt, die mit gestohlener und geraubter Kriegsbeute ihren Neubeginn in der Bundesrepublik finanzierten - das alles erinnert ein wenig an Romanreißer vom Schlage 'Akte ODESSA' oder 'Unternehmen Alpenfestung', vermischt mit Wallraffschen Einschleichjournalismus und (Bernt) Engelmann-scher Hintergrunddokumentation - und irgendwo zwischen diesen Schenkeln des Dreiecks ist die Arbeit des Dortmund-Bochum-Kölner Triumvirats auch anzusiedeln.
Auf ihre Fahnen geschrieben haben sich Pomorin / Junge / Biemann die Aufdeckung neonazistischer Umtriebe und das Aufspüren ewig gestrigen Gedankengutes, zumeist verbreitet von davongekommenen Alt-Nazis.
Mit ihrer Arbeit möchten sie über Zusammenhänge zwischen den einzeln agierenden Neo-Nazi-Gruppen informieren, Erkenntnisprozesse in Gang setzen, kurzum: aufklärerisch tätig werden. "Es geht uns nicht darum, vorherzusagen, was sein wird", erklärt Jürgen Pomorin, "es geht viel mehr darum, bestimmte Zusammenhänge darzustellen. " Zusammenhänge etwa von der Art, wie er sie am Rande des Düsseldorfer Majdanek-Prozesses entdeckte: dass da eine "stille Hilfe" existiert, die sich wohlwollender Unterstützung aus Bankkreisen erfreuen kann und den angeklagten KZ-Beamten moralische und materielle Hilfe zuteil werden lässt.
Zusammenhänge solcher Art entdeckt man freilich nicht allein und nicht mir durch das Sammeln von Dokumenten, durch Interviews und Recherchen, derartige Verflechtungen erforschen Pomorin und Junge in der Regel auch direkt vor Ort, von innen heraus, indem sie sich, getarnt als Junge Nationaldemokraten oder andere Rechts-Sympathisanten mit Alt- und Jung-Nazis' in Verbindung setzen, mit ihnen reden, essen spazieren gehen, ihr Vertrauen gewinnen.'" Von Oberst Rudel, Luftwaffenoffizier der Legion Condor und Nationalsozialist aus Überzeugung beispielsweise erhielt Jürgen Pomorin in der Maske eines national gesinnten Bundeswehrsoldaten eine Nachhilfestunde in deutscher Gesinnung. Reinhard Junge demonstrierte gemeinsam mit NPD-Anhängern und WIKING-Jugend in Bad Hersfeld an der Zonengrenze für ein 'starkes Deutschland an der Spitze eines antikommunistischen Europas'. Und für das Buch, an dem zur Zeit gearbeitet wird, wird, hat sich Georg Biemann mit der Witwe des SS-Führers Kappler unterhalten, um eine gewisse, Frage beantwortet zu bekommen, die dann ganz beiläufig gestellt wurde.
Als wir die drei Journalisten an diesem frühen Sonntagnachmittag in dem unauffälligen Haus einer gutbürgerlichen Bochumer Wohngegend besuchen, sitzen sie gern de im ausgebauten, holzvertäfelten Dachgeschoß beisammen, sichten Dokumente, Recherchenmaterial und andere Unterlagen, machen sich Notizen und diskutieren über ihr neuestes Buch mit dem Arbeitstitel "Stille Kanäle", das sich mit den Verbindungen der Alt-Nazi-Szene zu den neuen Nazis beschäftigt.
Jürgen 'Jimmy' Pomorin, überschlank, bärtig, schwarzhaarig, ist trotz der lockeren Gesprächsatmosphäre. die sich bald einstellt. ein konzentrierter Interviewpartner, genau wie seine beiden Mitautoren. Denn nicht nur durch die gemeinsame Schreibarbeit, auch durch die zusammen bestrittenen antifaschistischen Veranstaltungen und ihr gemeinsames politisches Engagement für die DKP sind die drei ein aufeinander eingespieltes, aneinander gewöhntes Team. Im Gespräch ergänzen sie sich gegenseitig, helfen einander mit Beispielen und Grundsätzlichem aus.
Die Beschäftigung mit den Neo-Nazis, der 'antifaschistische Kampf'. wie sie es nennen, hat sich aus persönlicher Betroffenheit entwickelt. "Als ich 1977 von einem Besuch in Auschwitz und Majdanek zurückkam", sagt Georg Biemann dazu, "habe ich in Köln eine Versammlung von rund 1000 Neonazis gesehen - und auf der anderen Seite haben 250 Gegendemonstranten gestanden. Das war so ein Eindruck, der mich beschäftig hat".
Eindrücke, die sich häuften, sammelten und verstärkten. Der gelernte Bankkaufmann Jürgen Pomorin verarbeitete zunächst einmal die Erfahrungen seiner Bundeswehrzeit (wegen politischer Betätigung wurde er 61 Tage vor Dienstende fristlos entlassen) zu einem Buch und hatte seine ersten Begegnungen mit den Neofaschisten, als er als Mitarbeiter der Jugendzeitschrift 'elan' dieses Gebiet bearbeitete. Sechs Jahre ist das inzwischen her, und mittlerweile überschaut er die Szene der Rechten und Rechtsradikalen so genau, dass er so etwas, wie einen Ruf genießt: man kennt ihn und seine Kollegen als Ansprechpartner, wenn es in Zeitungs- und Fernsehredaktionen an Hintergrundinformationen mangelt, sie bekommen Materialien und Geschichten von Kollegen angeboten, die diese in ihren Blättern nicht unterbringen können. Und nicht zuletzt sind die drei auch Ansprechpart, wenn jemand aus er Szene aussteigen will. Bei diesem 'Ruf' ist es natürlich nicht zu vermeiden, dass auch diejenigen, mit denen sie unter falschen Namen und unter Vortäuschung einer falschen Gesinnung Kontakt aufgenommen haben. sich die Namen Pomorin und Junge gemerkt haben. Und weil die Anhänger der rechten Ideologie nicht gerade zimperlich bei der Demonstration ihres Antikommunismus sind, lebt zumindest Jürgen Pomorin etwas zurückgezogen und nur schwer auffindbar in Bochum.
"Es hat nach der Veröffentlichung des ersten Buches eine Menge Drohanrufe in der elan-Redaktion gegeben", erklärt er. "Es ist nicht so, dass ich Angst habe, aber man sollte solche Reaktionen auch nicht gerade herausfordern, indem jeder die Privatadresse so einfach erfahren kann."
Entsprechend vorsichtig geht man auch vor, wenn man eine 'Einschleich'-Aktion vorbereitet, um gewisse Informationen zu bestätigen, Hintergründe aufzuklären, oder Zusammenhänge festzustellen. Reinhard Junge: "Wir sichern und natürlich mit der Hilfe von Freunden ab. Denn wir sind nicht scharf darauf, ein Messer in den Rücken zu bekommen. Und natürlich darf man sich nicht zweimal bei derselben Organisation sehen lassen, aber ansonsten gibt es keine Schwierigkeiten."
Zur Legitimation solcher Unternehmen sagt Jürgen Pomorin: "Unter Freunden plaudert man halt schon ein bisschen mehr als in einem Pressegespräch. Man kann natürlich nie vorhersagen, wie das dann abläuft, und was da: bei herauskommt. Es ist eben immer wieder ein Wagnis."
"Aber man kommt halt an viele Informationen nicht anders heran!", ergänzt Reinhard Junge. Und zu den möglichen Gefahren sagt er: "Man kann natürlich nicht unausgeschlafen da hingehen." Aufgeben werden die drei ihre Methode der Informationsbeschaffung auch in Zukunft nicht, selbst wenn ihre Namen inzwischen bekannt sind. "Aber es hat ja niemand gesagt", erklärt Jürgen Pomorin, dass wir immer unter denselben Namen auftreten."
ENDE
Unter Freunden plaudert man eher
Portrait Jürgen Pomorin, Reinhard Junge
Erschienen in MARABO Heft 6 (Juni) 1981,
S 56-57