5.8.13

Klein, aber oho - BFBS in Köln
MARABO, Bochum, Heft 12/1981



Klein, aber oho - BFBS in Köln

Wie ein Programm einer lokalen Rundfunk-Station aussehen kann, zeigt das Beispiel des englischen Soldatensenders B FBS. Ohne großen Aufwand machen eine handvoll Leute für eine klar umrissene Zielgruppe Programm.

Von Reinhard Jahn und Peter Krauskopf


Wenn wir unsere Leser nicht hätten. Da schrieb uns Klaus Weber, der eifrigsten einer, unter dem Titel 'Musikalischer Rundfunkkompass für progressive Randgruppen' unter anderem über eine Musiksendung des britischen Militärsenders BFBS: "John Peel setzt mit seiner 'music' die vielen Leuten sicherlich noch bekannten BFBS-Sendungen 'Saturday Show' und 'Rock today' fort.
Er kreiert harten Punk, gemischt mit einigen Reggae-Neuerscheinungen. Besonders zu empfehlen für Punks und solche, die es werden wollen.
Neben soeben erschienen englischen Scheiben dreht John auch deutschsprachige Platten unabhängiger Labels".

BFBS, der British Forces Broadcasting Service hat sich mit seinem modern aufgemachten bunten Programm einen Platz neben dem öffentlich-rech tlichen für Nordrhein-Westfalen zuständigen Westdeutschen Rundfunk erobert, den er seiner Konzeption nach eigentlich gar nicht beansprucht.
"Wir machen ein Betreuungsprogramm für die in der Bundesrepublik stationierten englischen Soldaten und ihre Angehörigen!" sagt BFBS-Chef Dick Norton ganz entschieden. "Wenn das Programm von Deutschen gehört wird, dann freut uns das natürlich, aber wir richten uns nicht an sie." Und tatsächlich sind Sendungen wie 'Forces Motoring Magazine', aktuelle Nachrichten übernahmen von der BBC, Endlos-Serials wie 'The Archers' oder Magazine wie 'BFBS-UK' kaum dazu angetan einen des Englischen mächtigen deutschen Hörer dazu zu bewegen, seinen Radioapparat ständig auf den 96,6 Megahertz im UKW-Bereich eingestellt zu lassen.

Was dagegen viele dazu bewegt, den Senderwahlknopf hin und wieder ein wenig weg vom WDR nach links zu drehen und sich auf die Welle des Rundfunkzwerges in der Kölner Lindenallee einzupegeln, ist die Hoffnung auf ein Musikprogramm, das sich in seiner Form und seinem Inhalt wohltuend von dem beschaulichen Klangteppich unterscheidet. der vom Funkhaus am Appellhofplatz ausgebreitet wird.
Da moderiert Alan Bangs im 'NightfIight' mit Intellekt, Feeling und reichlich Fachwissen, John Peel macht seine 'Music', es gibt Interpreten und Gruppenportraits und Zu sammenstellungen von Dauerbrenner wie etwa unter dem Titel 'They sold a million'.
Da laufen im Vormittagsprogramm aktuelle Hits zwischen den belanglosen Telefonplaudereien mit kindergeplagten Hausfrauen, und da präsentiert Tommy Vance allsamstäglich 'Top Twenty Plus' mit einer lässigen Souvernität, gegen die deutsche Plattenplauderer vom Schlage ei• nes Günter Krenz wie die Ge• stalter eines Altersheimsrundfunks erscheinen.

Daß BFBS besonders von vielen jungen Leuten als willkommene Alernative zum WDR Programm angesehen und auch benutzt wird, erscheint gar nicht so seltsam, wenn man weiß, für wen die ungefähr 65 Mitarbeitet in den beiden Villengebäuden am Stadtrand Kölns ihr Programm machen. "Unsere 'policy' ist 'popular radio'" sagt Dick Norton. "Radio und Fernsehen für die in der Bundesrepublik stationierten britischen Soldaten und ihre Angehörigen." Insgesamt sind es circa 180.000 Zuhörer, die der Sender in den Garnisonstädten Nord- und Westdeutschlands und in Berlin betreut. Allein für die und für niemand anders werden 24 Stunden Rundfunk und acht Stunden Fernsehen pro Tag ausgestrahlt, denn der Programmauftrag lautet: Betreuung, Truppenbetreuung.

Siebzig Prozent dieser Soldaten sind unter 30 Jahre alt, viele davon zwischen 18 und 21. Und, so Norton weiter: "Viele unserer Hörer sind Frauen. Sie leben hier in einem fremden Land mit einer fremden Sprache. Und wenn die Männer nach Nordirland abkommandiert werden, sind sie oft ganz allein!"
Um sie kümmern sich die Entertainer an den BFBS-Mikrofonen, für sie wird das Programm gemacht, das mit dem einer britischen 'local station' vergleichbar ist wobei der fehlende regionale Zusammenhang durch die mehr oder minder enge Verbindung aller Angesprochenen zur Armee ersetzt wird.
"Unsere Hörer haben einen special contact zu ihrem Sender", sagt Programmdirektor Richard Astbury dazu, der sich vor einigen Jahren durch seine Telefonplaudereien am Vormittag als 'Mann mit dem losen Mundwerk' profilierte. Zu dem speziellen Kontakt gehören die regelmäßigen Auftritte der Programm-Macher in englischen Clubs und bei Frauenvereinen ebenso wie die Regelung, daß jederman jederzeit beim Sender anrufen kann, um Grüße oder Plattenwünsche abzugeben. Aber auch jene spezielle Art, bei jeder Ansage den einzelnen Hörer anzusprechen trägt zu dem unverkennbaren station sound bei. Richard Astbury "Bei einem deutschen Sender fängt der Moderator mit "Meine Damen und Herren' an. Wir sprechen immer nur zu einer Person, ganz direkt. Dabei hilft•uns aber auch die englische Sprache, bei der man nicht zwischen 'du' und 'Sie' unterscheidet."
Eine Höreransprache, wie man sie in unserer Region vielleicht nur noch beim Südwestfunk findet, den Astbury dementsprechend auch als 'friendly station' klassifiziert. Nicht Moderation (lat.: Mäßigung, Milde) am Mikrofon, sondern Persönlichkeit.
Und das nicht nir bei der Höreransprache sondern auch bei der Musikauswahl und Präsentation: Jeden Dienstag trifft sich Richard Astbury mit seinen Disc-Jockey-Kollegen, um die neu eingegangenen Platten abzuhören und darüber zu entscheiden, ob sie ins Programm genommen wer den. "Da wird dann richtig abgestimmt", erklärt er.

"Wenn zwei dafür sind und drei dagegen, fliegt die Plate raus. Ist es umgekehrt, bleibt sie drin." Keine 'Musikfarben' also, wie sie anderswo von Musikgestaltern zusammengestellt werden, sondern persönliche Entscheidungen. Die die BFBSler freilich auch nur deshalb so genau treffen können, weil sie wegen ihres Programmauftrages genau wissen, für wen sie ihre Sendungen machen.
Außerdem kann in dem kleinen Kreis der Programmgestalter schneller und problemloser entschieden werden als in einem aufgeblähten Redaktionsapparat, in dem Kompetenzen abgesteckt und Verantwortlichkeiten aufgeteilt sind.
"Wir sind insgesamt nur 65 Leute", sagt Dick Norton. "Und da ist alles drin, vom Disc-Jockey bis zu den Putzfrauen und Fahrern." Bei BFBS wird das Radio noch mit der Hand gemacht, jeder muß alles können und alles machen. Die beiden Villen, in denen der Sender und seine Verwaltung untergebracht sind; wirken klein und verwinkelt, aber überschaubar. Die Arbeitsatmosphäre ist routiniert gelassen, der Umgangston freundlich. Das riesige Plattenarchiv liegt eine Etage unter dem im gemütlich englischen Stil eingerichteten Chefbüro, im Garten steht ein kleiner Sendernast und der recht beschränkte Bewegungsraum, in den Studios und Tonträgerräumen scheint niemand etwas auszumachen. Wer jemals eine deutsche Anstalt von innen gesehen hat, wundert sich bei BFBS über die vielen offenen Türen, und den beinahe familiären Umgangston hinter dem man den militärischen Hintergrund der Station beinahe vergessen könnte.
Sechzig Prozent des Rundfunkprogramms werden in der Kölner Zentrale und den Außenstudios in Berlin und Bielefeld produziert, die restlichen vierzig Prozent, meist :topical programms' wie 'Forces Motoring Magazine', 'BFBS UK' oder 'Top Twenty Plus' werden durch Übernahmen von der BBC oder mit Produktionen des 'Head Office' des Militärrundfunks in London bestritten.
Aktuelle Nachrichtensendungen können per Direktschaltung über verschiedene Relaisstationen in Frankreich direkt übernommen werden, Hörspiele werden wie in alten Dampfradiozeiten von der BBC noch als Schallplattenmitschnitt geliefert.

Gänzlich aus der Heimat stammt das von BFBS ausgestrahlte Fernsehprogramm, das über verschiedene kleine Sender in die Garnisonsstädte verteilt wird. Die acht Programmstunden täglich werden mit Sendungen der BBC und des kommerziellen englischen Fernsehnetzes ITV bestritten, aus denen man freilich zuerst die leidigen Commercials, die Werbespots, herausschneiden muß. Eigenen Fernsehsendungen werden zur Zeit wegen finanzieller und technischer Probleme noch nicht produziert. Dafür steht eine erfreuliche Erweiterung des Rundfunkprogramms ins Haus. Ab 4. Januar soll nach Mitternacht anstatt einer Wiederholung von Sendungen des vergangenen Tages eine zweistündige Live-Sendung ausgestrahlt werden. "Ein Live-Programm, bei dem die Leute dann auch anrufen können!" kündigt Norton an.
"That are hot news!" kommentiert Richard Astbury sofort. "You are the first to bring that story."
Wenn ein Sender mit einem derartig kleine Personalbestand ein so erfolgreiches Zielgruppen-Programm gestalten kann, dann liegt es daran, daß hier Spezialisten am Werk sind, All-round-Entertainer, die sich auch nicht zu fein ihre Platten selbst aufzulegeen und zwischendurch (auch) mal den Wetterbericht oder einen Spendenaufruf zu verlesen.
Und weil solche Multi-Talente nicht vom Himmel fallen, werden sie von BFBS in einem speziellen 'trainee-system' ausgebildet.

"Die Leute müssen hier nieht nur als Disc-Jockeys arbeiten", sagt Richard Norton dazu, der selbst früher beim englischsprachigen Programm von RTL tätig war. "Sie müssen auch Nachrichten lesen, was sehr schwierig ist, und während der laufenden Sendung auch noch die Telefonanrufe entgegennehmen. Und daß wir unsere Leute recht gut ausbilden, merken wir spätestens dann, wenn sie nach einiger Zeit lukrative Angebote von kommerziellen britischen Stationen bekommen und uns dann verlassen."

So profitiert auch der WDR von der BFBS-Schule, wenn Alan Bangs 'Lupenrock' oder den Rockpalast präsentiert. Engere Beziehungen zwischen den Engländern und den Deutschen gibt es nicht.
Eine Übernahme von Rundfunksendungen kommt schon aus sprachlichen Gründen kaum in Frage, zudem stehen hier rechtliche Schwierigkeiten im Weg. "und mit den deutschen Fernsehanstalten können wir leider nicht zusammenarbeiten, weil sie andere technische 'standards' haben!" erklärt Norton. Der unterschiedliche Frequenzabstand zwischen Bild und Ton ist auch der Grund, warum sich von ARD und ZDF gelangweilte Zuschauer in der Umgebung der Garnisonen nicht einfach auf die britischen Wellen schwingen können. "You can get the picture, but you can't get the sound without a Zusatzgerät', sagt Norton. Und fügt hinzu: "Which, I want to tell you that, costs about twenty-five Marks." Einfacher ist es da schon für den Radiohörer, der nur ein wenig an der Skala zu drehen braucht, um sein akustisches Fenster zu englischen Enklave in der Bundesrepublik aufzustoßen. Daß viele deutsche Stammhörer der BFBS-Musiksendungen sind, freut die Verantwortlichen natürlich, aber es ist für sie kein Grund von ihrer Programmpolitik abzuweichen. Dem englischen Verteidigungsministerium unterstellt ist der Sender einzig und allein für die Truppenbetreuung zuständig. Deshalb werden auch im laufenden Programm keine Anrufe deutscher Hörer ausgestrahlt.
"Unterhaltung, Information und, klein geschrieben, auch Ausbildung der englischen Truppen ist unser Aufgabenbereieh", stellt Richard Norton noch einmal fest. "Wenn zu viele Deutsch anrufen, würden unsere Leute meckern, weil dann kein Platz für sie da ist." Niemand kann allerdings die Deutschen daran hindern, BFBS zu hören und das Programm gut zu finden. Nur können die Leute beim BFBS' nichts dafür.


Quelle:
MARBAO, Bochum. Heft 12/1981