14.8.13

Die zweite Karriere des Peter Schmidt
Ruhr-Nachrichten 12.12.1981




Die zweite Karriere des Peter Schmidt - Der Gelsenkirchener Peter Schmidt wollte einfach einmal ein Jahr lang nur das tun, was ihn interessierte. Er ließ einen gutbezahlten und sicheren Job in der Werbebranche zurück und begann zu schreiben: Spionageromane.

Dreiunddreißig Jahre war er alt, als  er seinen Job in der Möbelwerbung  an den Nagel hängte. um sich endlich   mit den Dingen zu beschäftigen, die ihn von jeher interessierten: Literatur, Philosophie und Schreiben. Aber trotzdem ist das gängige Klischee vom Aussteiger aus den Leistungszwängen der Gesellschaft nicht so einfach auf Peter Schmidt anzuwenden. Denn was den mittlerweile 37jährigen Gelsenkirchener ,in Deutschland zum Exoten macht, ist in Amerika gang  und gäbe: daß gestandene Männer in der Mitte ihres Lebens etwas Neues anfangen.
Er ist überhaupt eine normale Erscheinung, ebenso unaufdringlich unauffällig wie sein Name: ein Durchschnittsbürger, der die Lederjacke nicht angezogen hat, um jünger zu wirken,' sondern einfach weil sie zu ihm paßt.
"Irgendwann ist mir das tägliche Einerlei in der Werbung auf die Nerven gegangen!" sagt er zu seinem Ausstieg. Nachdem man den Arbeitsplatz seines Kollegen wegrationalisiert hatte, und er dieWerbeabteilung der Möbelfirma, bei der er beschäftigt war, ganz allein betreute, schien der Höhepunkt der Karriereleiter erreicht: "In dem Job hätte ich 80 Jahre alt werden können," sagt er.
Trotzdem, - oder vielleicht deshalb :- machte er einen'neuen Anfang. "Ich habe mir gesagt: jetzt tust du' einfach einmal ein Jahr lang das, was dich interessiert!" formuliert er heute, vier Jahre später, das Motto, unter dem er sich von seinem Arbeitgeber trennte, die Sicherheit des festen Einkommens hinter sich ließ und seinen Lebensstandard herunterschraubte.
"Von dem Geld, das mich das Autofahren gekostet hat, hätte ich ein Jahr lang auf den Bahamas leben können!" .
Mit einer wissenschaftlichen Arbeit über den "Wahrheits begriff in . der Dichtung" wurde. er zu einer Sonderprüfung des zweiten Bildungsweges zugelassen. erlangte seine Hochschulreife und begann im vergangenen Jahr an der Bochumer Ruhr-Universität mit seinem Studium in den Fächern Literaturwissenschaft und Philosophie.
Bei einer solchen Fächer- und Interessenkombination liegt der Schritt zum Erzähler ganz am Wege. Doch es war nicht die 'schöngeistige' Literatur, der sich Peter Schmidt zuwandte, sondern jener Grenzbereich, der gern als "Spannungs- und Unterhaltungsschreiberei" abgetan wird. Sein erster Roman, eine Kriminalgroteske, schlummert nach etliche Irrfahrten durch die Verlagslektorate wieder in der Schublade. Dafür war bereits dem zweiten Projekt Erfolg beschieden: "Mehnerts Fall" heißt der Polit-. Thriller im Geiste der englisch-unter'kühlten Spionagegeschichten John le Carres oder Graham Greenes, der im Frühjahr in der Krimi-Reihe des Frankfurter Ullstein-Verlages erschien.
Peter Schmidt erzählt darin die Geschichte des DDR-Agenten Iven, der als Führungsoffizier der transsexuellen Agentin Hanne darauf angesetzt wird, den Vorsitzenden der bundesdeutschen Regierungspartei durch eine schlüpfrige Affäre zu kompromittieren und zu stürzen. damit der Ostblock bei den bevorstehenden AbrÜstungsverhandlungen Vorteile gewinnt.

Trotz aller Anklänge an spektakuläre Spionagefälle wie Eugen Runge oder Günther Guillaume besteht Peter Schmidt darauf. daß es sich bei der Geschichte "nicht um einen Schlüsselroman handelt." Auch wenn die Kritik zu Recht dem Erstling bescheinigte; er sei an manchen Stellen ein wenig "überkonstruiert", hat "Mehnerts Fall" seinem. Autor den Einstieg in ein Genre verschafft, das bislang von englischen Namen beherrscht wurde.

Der erste Erfolg hat Peter Schmidt augenscheinlich motiviert. Als Junggeselle hat er genügend Zeit, auch neben seinem Studium seine schriftstellerische Arbeit intensiv weiterzuführen: Ein zweiter Thriller - Arbeitstitel "Die Trophäe" - liegt bereits zur Veröffentlichung beim Verlag und auch das dritte Manuskript "Augenschein" geht seiner Vollendung entgegen...
Seine zweite Karriere hat Peter Schmidt mit jenem stillen Pragmatismus vorangetrieben, der kennzeichnend für ihn ist. Es scheint nur natürlich für den Werbefachmann, dessen dunkte Augen hinter der dünnrandigen Brille stets ein wenig distanziert wirken. daß er mit einem Spionageroman debütiert hat, während Hunderte von jungen Autoren sich darum bemÜhen. mit einem Lyrikband oder Erzählungen Fuß zu fassen. Illusionen macht er sich deshalb noch lang nicht: "Ich glaube kaum, daß ich von meiner Schriftstellerei einmal werde leben können!" sagt er.
Deshalb möchte er gern im Bereich Literaturkritik arbeiten, auch "so etwas in Richtung Essay" schwebt ihm vor. "Aber erstmal". sagt er, "Wird das Studium fertiggemacht."
Reinhard Jahn

Zur Person:
Peter Schmidt, geboren 1944 in Gescher, Kreis Coesfeld, Hauptschule und anschließend Berufsausbildung zum Dekorateur. Bis 1977 ist er in verschiedenen Firmen in der Möbelwerbung tätig, dann beschließt er, das zu tun, was ihn von jeher interessiert.
Er beginnt neben seiner Beschäftigung mit der Literaturtheorie zu schreiben, veröffentlicht Erzählungen in Zeitungen und AnthoIlogien, wird Mitglied in den Literaturwerkstätten Gelsenkirchen und Essen. Seit 1981 studiert er Literaturwissenschaft, Philosophie und Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum.
1979: Förderpreis der Stadt Gelsenkirchen, 1981 Arbeitsstipendium des Landes NRW für den Roman "Die Trophäe" literarische Arbeitsgebiete sind: Erzählungen, Romane (Thriller, Satire), Literaturtheorie.
Bücher: Mehnerts Fall, Ullstein Krimi 10121.
Foto: Andreas Böttcher


Quelle: Ruhr-Nachrichten/Essener Tageblatt 12.12.1981