Ulrich Nollers "Beste des Jahres"
Robert Crais: Straße des TodesHeyne Verlag
Mit dem smarten Detektiv Elvis Cole, seinem Serienhelden, macht Robert Crais, der amerikanische Autor, von dem seit über zehn Jahren nichts mehr ins Deutsche übersetzt wurde, aus diesem wichtigen Thema einen, zwar etwas brutalen, aber gerade darum authentischen, Kriminalroman: “Straße des Todes“ ist gesellschaftspolitisch hoch relevant, intelligent konstruiert, spannend bis ins Detail und sehr schmissig geschrieben. Ein richtig guter, richtig wichtiger Kriminalroman mit Biss und Verstand.
(Ulrich Noller WDR 5 Mordsberatung)
Warren Ellis: Gun Machine
Heyne Verlag
Seit Mitte der 90erJahre schreibt der erfolgreiche Comic-Zeichner Warren Ellis auch, und dass ihm das nicht schlechter gelingt, als das Zeichnen, das belegt sein New Yorker-Kriminalroman "Gun Machine": Toll konturierte, aberwitzige Figuren, durchgeknallte Idee, ebensolche Handlung und vor allem sehr viel Würze mit extrascharfem, dunklen Witz - dieser Kriminalroman ist ein echter Treffer.
(Ulrich Noller WDR 5 Mordsberatung)
Mark Peterson: Flesh & Blood
Rororo
Nüchterner, komplexer und harter Polizeiroman, der in Brighton, England angesiedelt ist. Debüt eines viel versprechenden Autors, der vor allem deshalb überzeugt, weil er sich auf den Kern des Subgenres “Bullenoper“ konzentriert und auf überambitioniertes Drumherum verzichtet. Souverän geschrieben, treffende Charaktere, gut temperierter Plot – ein Vergnügen für alle Leser, die es gern auch mal etwas härter mögen.
(Ulrich Noller WDR 5 Mordsberatung)
Su Turhan: Kommissar Pascha
Knaur Verlag
Ein Fall für die neu gegründete “Soko Migra“, eine Ermittlungsgruppe für Verbrechen mit Migrationshintergrund. Deren Chef ist Zeki Demirbilek, geboren in Istanbul, aufgewachsen in Bayern; einer, der in beiden Kulturen zu Hause ist, und ein “Pascha“ vor dem Herrn …
Die Idee mit der „Soko Migra“ klingt erstmal etwas konstruiert, ist aber ein schlauer Kniff von Autor Su Turhan, einerseits völlig verschiedene Charaktere und Lebenswelten aufeinander pralllen zu lassen und andererseits alle möglichen Aspekte des deutsch-bayerisch-türkischen Zusammenpralls der Kulturen zu spiegeln,
zu erzählen und vor allem: zu kommentieren.
Das Ergebnis: Auf der Krimiebene hat “Kommissar Pascha“ sicher ein paar Schwächen, aber der Plot ist plausibel genug, um zu funktionieren. Und auf der Ebene der Komödie ist dieses Buch auf eine intelligente Weise richtig lustig.
(Ulrich Noller, WDR5 Mordsberatung)
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Reinhard Jahns "Beste des Jahres"
Grafit Verlag
Max Quercher, unkonventioneller Querdenker beim bayerischen LKA, verschlägt es nach Bad Wiessee am Tegernsee. Er soll der naturalisierten Amerikanerin Hannah Kürten helfen, die Leiche ihres Großvaters, die beim Fällen eines Baumes zufälligerweise im Wurzelwerk gefunden wurde, heimzuführen. Doch starb der Tote wirklich 1945 als deutscher Kriegsgefangener? Nein, erkennt Quercher, denn der Tote trägt die falschen Schuhe.
Ein Regional- oder Dorfkrimi, klar. Aber was für einer! Die Sprache, außerordentlich präzise und aussagekräftig, die Figuren, prall und unkonventionell, ohne dabei zur Karikatur zu geraten. Und mittendrin Max Quercher: knurrig, polternd, aber unheimlich fit im Kopf – fast verschlagen würde man ihn auf dem Dorf nennen. Ein Landkrimi der Güteklasse A.
(Reinhard Jahn, WDR 5 Mordsberatung)
Edith Kneifl: Der Tod fährt Riesenrad
Haymon
Es sind die Jahre, als Sissi Kaiserin war, und in ganz Wien geht es offenbar wie es in den Richard Strauß-Operetten zu. Ein bisschen lässig, ein bisschen verkniffen, vor allem aber charmant.
Im Mittelpunkt steht Gustav von Karoly -Privatdetektiv. Er soll die verschwundene fünfzehnjährige Leonie von Leiden finden. Als erstes bandelt er mit der schönen, aber auch spröden Mutter an. Dann vertieft er sich in seine Ermittlungen, die ihn in den Prater führen, wo Leonies Spur sich verliert. Ein buntes, pralles Praterleben mit Wahrsagerinnen, Kneipenwirten, sowie den Attraktionen rund um das neu erbaute Riesenrad bilden die Szenerie. Und dann ein Mord: ein Zwerg namens Napoleon, mit dem Leonie befreundet war, wird bei der Eröffnung des Riesenrades ermordet aufgefunden.
Was für ein charmanter Kriminalroman. Das alles ist so liebevoll und lebensnah erzählt, dass man sofort darin eintaucht. Man möchte am liebsten zurückreisen in das alte Wien, wie Edith Kneifl es schildert.
(Reinhard Jahn WDR5 Mordsberatung)
Thomas Krüger: Erwin, Mord & Ente
Heyne Verlag
Erwin Düsedieker einen "seltsamen Zeitgenossen" zu nennen, wäre schlichtweg untertrieben. Erwin ist ein Original. Das Original im westfälischen Bramschebeck – as liegt jenseits der Bundesstraße 61C und auch irgendwie jenseits von Gut und Böse. Ein westfälisches Kleindorf, in jahrhundertealter Feindschaft zum Nachbarort gefangen. Erwin ist der Sohn des ehemaligen Dorfpolizisten. Er wohnt im alten Polizeirevier, trägt die alte Polizeimütze seines Vaters und… nun ja: lebt in den Tag hinein, als schrulliges Original, das gern in der freistehenden Badewanne im Wintergarten badet und sich dabei mit seiner Ente Lothar unterhält, die draußen im Garten ihr Revier hat. Eine Idylle. Bis man die Leiche findet.
Thomas Krügers Krimi-Debüt ist dermaßen fesselnd, originell, einzigartig und witzig, dass es in der aktuellen Krimiszene keinen Vergleich gibt. Erwin und seine Ermittlerente vereinigen den morbiden Witz des Films “Fargo“ mit dem Slapstick der Münster-Tatorte und dem ausgefeilten Sprachwitz von Heinrich Steinfest. Krimi total abgedreht. Beste Unterhaltung.
(Reinhard Jahn WDR 5 Mordsberatung)
David Zeltserman: Paria
Pulpmaster
Brillanter Neo-Noir aus der Unterwelt von Boston und dem Medien-Business in den USA. Extrem spannend in der Tradition der PULP-Stories aus den 50ern erzählt und absolut dicht in der Atmosphäre. Kyle Nevin war acht Jahre im Gefängnis von Cedar Junction. Jetzt zieht es ihn in seine alte Szene - nach Boston, wo er sich bei seinem Bruder Danny einnistet. Den braucht Dave ihn als Helfer für seinen Rachefeldzug gegen alle, die ihn damals reingerissen haben. Das Kapital dafür soll ein Kidnapping bringen.
Auf den Spuren von Killer Kyle lernen wir eine Welt kennen, die abstoßend und faszinierend zugleich ist. Eine Welt, in der Gewalt an der Tagesordnung ist und eine Freundschaft nur so lange hält, bis du dem anderen den Rücken zudrehst.
(Reinhard Jahn WDR5 Mordsberatung)
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Ingrid Müller-Münchs Empfehlungen des Jahres
Harry Bingham: Totenklage
Blanvalet
Das Wahnsinnsdebüt eines Ökonomen, der im Hedgefond- und Banker-Milieu
Karriere machte. Hauptfigur ist Detective Constable Fiona Griffith, das ungewöhnlichste, schrägste, ironischste, angeschlagendste und jeckeste Wesen, das mir seit Langem untergekommen ist.
Ein Krimi zum Verschlingen, Schmunzeln, Mitleiden und dazu angetan, sich in die geballte Faust zu beißen.
(Ingrid Müller-Münch, WDR5 Mordsberatung)
Dinah Marte Golch: Wo die Angst ist – Der erste Fall für Behrens und Kamm
Kiepenheuer & Witsch
Die erfolgreiche, aber mit befremdlichen Methoden arbeitende und durchsetzungsfähige Psychotherapeutin Alicia Behrens und Sigi Kamm und der sture Hauptkommissar der Potsdamer Mordkommission müssen sich im wahrsten Sinne des Wortes zusammenraufen. Und am Ende des Buches gibt es zwischen ihnen immerhin ein erstes Lächeln. Doch bis dahin werden beide gehörig an der Nase herumgeführt.
Verwegen, die Fäden aufs Raffinierteste zum Fesseln gespannt, unterhaltsam, ein überaus vielversprechendes Debüt mit zwei Ermittlern, von denen noch einiges zu erwarten ist. Ein Krimi, in dem nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint.
(Ingrid Müller-Münch WDR 5 Mordsberatung)
Sara Gran: Das Ende der Welt – Claire DeWitt ermittelt
Droemer Verlag
Sie ist einfach völlig durchgeknallt, die angeblich beste Ermittlerin der Welt, Claire DeWitt, eine Kokain schnupfende, kiffende, auf die absurde Bibel eines verstorbenen Superdetektivs abonnierte Privatdetektivin. Animiert sich selbst durch Joints und das Schnupfen auch des letzten Restes aus einem Koksbeutelchen und kommt auf die absurdesten Ideen. Denen sie, so gut es geht, konsequent nachgeht. Eine schräge Person. 2013 bekommt die Autorin für ihre Kreation den deutschen Krimi-Preis.
Zurecht, denn wer auf solche Ideen kommt.
(Ingrid Müller-Münch WDR 5 Mordsberatung)
Jørn Lier Horst: Jagdhunde
Grafit Verlag
Norwegen. Hauptkommissar William Wisting trifft der Vorwurf völlig unvorbereitet, in einem, Jahre zurückliegenden, Mordfall Beweise manipuliert zu haben. Er ist sich keiner Schuld bewusst. Und muss dennoch zugeben, dass die DNA eines, wegen
Mordes verurteilten, Mannes manipuliert wurde.
Ein fantastisches Werk von einem Autor, der jahrelang als Kriminalbeamter ins Innere der Behörde schaute; was man dem Krimi absolut anmerkt. Hoch ausgezeichnet in Norwegen. Jagdhunde 2013 bester norwegischer Krimi, bester skandinavischer Krimi. Zu Recht.
(Ingrid Müller-Münch WDR 5 Mordsberatung)