Simon Beckett: Verwesung 4/4
Kap 1 bis 7
Kap 8 bis 15
Kap 16 - 23
Kap 24 bis Ende
- Achtung S P O I L E R -
Ja, es kommt alles irgendwie wie man es sich gedacht hat. Dass unser Held sich aus dem Höhlengewirr und der Gewalt von Monster-Monk wird befreien können, ist klar - schließlich erzählt er uns die Geschichte in der Ich-Perspektive. Dass zum Ende hin alles anders ist als es anfangs schien - nein : als man es uns von Anfang an weißmachen wollte! - ist auch klar. Monk erzählt also, während der Hunter und Sophie in seiner zugemüllten Höhle gefangenhält, dass er unschuldig ist - also fast - jedenfalls an den Morden der Mädchen, deren Gräber man nie gefunden hat. Und dass er eine schwere Kindheit hatte und eigentlich ein ganz Lieber ist und bla. Dass er ein ganz Lieber ist, zeigt sich, als er dann Hunter hilft, die schwer kranke Sophie aus der Höhle zu bringen. Wobei man sich fragt, wie der dicke Monk es schafft, durch die engen Spalten zu kriechen, durch die vorher Hunter grade so mit Mühe durchgekommen ist.
Die Lieblosigkeit - oder soll man sagen Hilflosigkeit, mit der der Autor hier zu Werke geht, zeigt sich besonders deutlich in dem Monk-Geständnis-Kapitel: da springt Erzähler Hunter einfach weit aus seiner bisherigen nahen - szenischen - Perspektive heraus und fasst referierend zusammen, was es über Monk zu erzählen gibt: Schwere Kindheit, reingelegt bei den Morden und so weiter. Halbwegs elegant kriegt der Erzähler dann wieder die Kurve zur szenischen Darstellung in der Höhle - aber dabei merken wir auch, dass Monster-Monk sicher nicht in der Lage gewesen wäre, so eine gut strukturierte Darstellung seines Schicksals zu geben, wie Hunter es soeben tat. Monk kann sich - wenn er in Dialogen spricht - nicht richtig ausdrücken - und wir sollen glauben, dass er die drei, vier Seiten Zusammenfassung, die wir vorher gelesen haben, in knappen zehn Minuten, die die Szene an Zeit abdeckt, an Hunter weitergegeben haben soll? Never ever.
Anyway - Hunter und Sophie werden gerettet und wir warten auf das oder den Showdown, der - wir lassen mal ein, zwei Zwischenschritte aus - genau so kommt, wie gedacht: Connors ist der Bösewicht, der seinerzeit die drei Mädchen getötet und die Morde Monk untergeschoben hat. Der Showdown wird in einer lässigen 08/15-Routine inszeniert, wie wir sie aus Movie-of-the-Week-Fernsehfilmen kennen:
1. nochmal ein falscher Verdacht (hier der Bulle Roper, der in Sophies Brennofen rumwühlt, als Cliffhanger fungiert und sich dann als wichtiger Hinweisgeber und Zeuge offenbart, der all die Indizien nachliefert, die wenigstens den Anschein einer Logik der Handlung erwecken.)
2. Auftritt des Bösewichts - der den wichtigen Zeugen niederschlägt (war doch so, oder?) und dann den Helden töten will, weil der als wichtiger Zeuge im Weg ist. Zuvor erklärt er noch, wieso der Held im Weg ist und jetzt getötet werden muss. Das wickelt ein versierter Autor üblicherweise im Dialog Bösewicht-Held ab, und genau so passiert es hier.
3. Bösewicht wird ausgeschaltet. Hier auf die ganz simple Tour, indem er stirbt. Das spart kleinkrämerische weitere Erklärungen, Verhaftungen, und so weiter und ist als Gottesurteil zugleich die Strafe für den Bösewicht (den ein Gericht bei *dieser* Indizienlage niemals verurteilt hätte.)
4. In einer sich zunächst als ruhige Abschlussszene gebenden finalen Szene wird die Story nochmal ein bisschen gedreht: hier ist das die Aufhellung von Sophies Rolle in der ganzen Sache. Das ist reine Taschenspielerei, der Roman könnte auch ohne diese Szene enden, keiner würde sich beklagen oder etwas vermissen.
Fazit: So wie nach der Lektüre des Buches muss man sich irgendwie fühlen, wenn man bei einer Prostituierten war. Du hast den Kick oder so gesucht, sie hat ihn dir versprochen, sie hat dich heiß gemacht, es war allerdings schon absehbar, was dann weiter passieren würde, und das ist dann auch passiert, und du hast den Kick nicht gehabt, sondern nur das blöde Gefühl, dass hier jemand seinen Job mit dir erledigt.
Well done, Mister Beckett. Ich nehme an, Extras kosten extra, oder?
Simon Beckett:
Verwesung (The calling of the grave)
Deutsch von Andre Hesse
Reinbek: Wunderlich, 2011
Selbstversuch:
Kap 1 bis 7
Kap 8 bis 15
Kap 16 - 23
Kap 24 bis Ende