1.4.17

Der perfekte Einstieg oder: drei tolle Krimi-Anfänge


Agatha Christie (1890 bis 1976)
16 Uhr 50 ab Paddington

Keuchend folgte Mrs. McGillicuddy dem Gepäckträger, der ihren Koffer über den Bahnsteig trug. Mrs. McGillicuddy war klein und beleibt, der Gepäckträger war groß und machte weit ausgreifende Schritte. Mrs. McGillicuddy war zudem mit etlichen Paketen beladen, den Früchten der Weihnachtseinkäufe eines ganzen Tages. Es war daher ein ungleiches Rennen, und der Gepäckträger verschwand schon um die Ecke am Ende des Bahnsteigs, als Mrs. McGillicuddy noch die Gerade entlang hastete.


4.50 FROM PADDINGTON
© 1957 Agatha Christie Limited, a Chorion Company.
16 Uhr 50 ab Paddington
Aus dem Englischen von Ulrich Blumenbach
© 2000 Scherz Verlag, Bern, München, Wien
für die Neuausgabe in der Übersetzung von Ulrich Blumenbach




John le Carré (geb 1931)
Der Spion, der aus der Kälte kam

Der Amerikaner reichte Leamas noch eine Tasse Kaffee und sagte: » arum gehen Sie nicht heim und legen sich schlafen? Wir können Sie anrufen, wenn er auftaucht.«
Leamas sagte nichts, er starrte durch das Fenster der Kontrollbaracke die leere Straße hinunter.
»Sie können nicht ewig warten, Sir. Vielleicht kommt er zu einem anderen Zeitpunkt. Wir könnten die Polizei bitten, die Dienststelle anzurufen. Sie wären innerhalb von zwanzig Minuten wieder hier.«
»Nein«, sagte Leamas, »es ist jetzt fast dunkel.«
»Aber Sie können nicht ewig warten. Er ist jetzt schon neun Stunden überfällig.«
»Wenn Sie wollen, gehen Sie.« Leamas fügte hinzu: »Sie sind sehr hilfsbereit gewesen. Ich werde sagen, daß Sie verdammt anständig waren.«
»Aber wie lange wollen Sie warten?«
»Bis er kommt.« Leamas ging zum Beobachtungsfenster und stellte sich zwischen die zwei bewegungslosen Polizisten. Ihre Feldstecher waren auf den ostzonalen Kontrollpunkt gerichtet.

© 1964 by Paul Zsolnay Verlag Gesellschaft m. b. H., Wien
© der deutschen Übersetzung Paul Zsolnay Verlag Gesellschaft m. b. H., Wien 1964



Raymond Chandler (1888 bis 1959)
Der große Schlaf


Es war gegen elf Uhr morgens, Mitte Oktober, ein Tag ohne Sonne und mit klarer Sicht auf die Vorberge, was klatschkalten Regen verhieß. Ich trug meinen kobaltblauen Anzug mit dunkelblauem Hemd, Schlips und Brusttaschentuch, schwarze Sportschuhe und schwarze Wollsocken mit dunkelblauem Muster. Ich war scharf rasiert, sauber und nüchtern - egal nun, ob´s einer merkte. Ich war haargenau das Bild vom gutgekleideten Privatdetektiv. Ich wurde von vier Millionen Dollar erwartet.


Raymond Chandler ›The Big Sleep‹
Copyright © 1939 by Helga Greene Literary Agency
Der große Schlaf
Neu übersetzt von  Gunar Ortlepp
Copyright © 1974 Diogenes Verlag AG Zürich