22.9.11

Agatha Christies "Bertrams Hotel"



Das Hotel als Habitat und Bühne für die bessere Gesellschaft - die altgedienten Colonels und generale, die älteren Damen, die Lords und Ladys, aber auch die hilfreichen Geister aus deren Umgebung, die Kinderfräuleins, Gouvernanten. In dieses Gesellschaftsspiel schickt Agatha Christie dann aber auch immer wieder Boten der Modenre wie die Abenteurerin Bess Sedgwick, Kämpferin der der französischen Widerstand, Atlantikfliegerin, eine der bestgekleideten Frauen Europas, sie hat "mehrere rühmliche und weniger rühmliche Ehen" hinter sich und entsprechend "Geld wie Heu", wie Lady Selina ihrer Freundin Miss Marple im Foyer des BETRAMS anvertraut, "Unterhaltszahlungen und dergleichen."


Das BERTRAMS gibt nicht nur Titel, sondern auch Schauplatz von BERTRAMS HOTEL aus dem Jahr 1965 ab. Es ist zugleich auch ein geschickt aufgebautes Kuriosum in den zahlreichen Hotel-Szenerien Agatha Christies, eine Art Themen oder Erlebnis-Hotel, wie man heute wohl sagen würde: "Biegt man, vom Hyde Park kommend, in eine der unscheinbaren Straßen ein, so gelangt man bald in eine ruhige Straße, auf deren rechter Seite Bertrams Hotel liegt. Bertrams Hotel kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Während des Krieges wurden die Häuser zu seiner Rechten zerstört und etwas weiter unten auch die zu seiner Linken. Aber das Bertrams selber blieb unversehrt. Natürlich hatte auch dieses Haus einige Kratzer und Schrammen abbekommen. Doch mit Einsatz einer nur mäßigen Summe wurde der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt. 1955 sah es genauso aus wie 1939 - würdevoll, unaufdringlich und unauffällig teuer."

Mit dem  klug ausgetüftelten Retro-Ambiente des Bertrams schafft sich Christie in ihrem etwa 60sten Krimi mitten in den 6oer Jahren wieder ihre so beliebte Vorkriegs-Kulisse einer scheinbar geordneten Gesellschaft mit einem goldbetressten Portier, der dem gast die Tür zur halle mit den beiden gemütlichen Kohlenfeuern öffnet, "flankiert von großen gefüllten Kohleeimern aus Messing, die genauso glänzten wie zu Eduards Zeiten"
Eine Szenerie, die geradezu nach dem traditonellen Five O'Clock-Tea schreit, den Christie mit sanfter Ironie als Einstieg zelebriert - mit schlanken Jungkellnern, die unter der Aufsicht des Hotel-Butlers besten indischen Tee in silbenen Georgianischen Teekannen auf wappengeschmückten Tabletts servieren. Doch freilich, auch jede Idylle hat ihre kleinen Fehler: "Das Porzellan war zwar nicht echt Rockingham und Davenport, sah aber jedenfalls so aus."


"Es ist eine Frage der Atmosphäre", zwinkert uns Lady Agatha kurz darauf zu, wenn Hoteldirektor Humfries erklärt, dass er das BERTRAMS bei der Renovierung quasi als Erlebnispark für die Touristen hat umbauen lassen - natürlich gibt es eine gut versteckte Zentralheizung und man muss zum Frühstück nicht very british geräucherte Salzheringe, Nieren mit Speck und Kaltes Waldhuhn nehmen, sondern kann sich auch Cornflakes und Toast bestellen, mit einem Wort: "Das Hotel muss antiqiuiert wirken, aber gleichzeitig den modernen Komfort besitzen. (...) Unsere alten Leutchen" - damit meint Humfries das gesamte Gästepersonal der täglichen Teestunde - "müssen das Gefühl haben, daß sich seit der Jahrhundertwende nichts geändert hat."

Und damit die alten Leutchen sich immer wieder bei ihren Trips nach London im BERTRAMS einquartieren, gewährt ihnen der gecshäftstüchtige Mr Humfries Vorzugspreise - was die durchweg bereits etwas vergreiste Klientel entweder gar nicht merkt, weil sie seit 50 Jahren alle Preissteigerungen ignorieren - oder was sie einfach als Vorzugsbehandlung für Stammgäste zu schätzen wissen.


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