2.1.18

Der Ratekrimi – Ein Fall für Katja Kampp

Eine eiskalte Witwe

Von H.P. Karr

Eigentlich hatte Kommissarin Katja Kampp ein besorgte Ehefrau erwartet - und nicht diese kühle, beherrschte Frau, die da vor dem Rechtsmedizinischen Institut auf sie wartete. Immerhin sollte Linda Schneider gleich ihren toten Gatten identifizieren. Bert Schneider, Inhaber eines Autoverleihs, hat vor drei Wochen sein Büro verlassen und war nie daheim angekommen. Am nächsten Tag hatte Linda Schneider in als vermisst gemeldet.
    Weil die Ehe der Schneiders nicht die beste gewesen sein sollte, hatte er womöglich die Flucht ergriffen. Oder einen Schlusstrich unter sein Leben gezogen. Aber vielleicht war er auch Opfer eines Unfalls geworden. Mit der Beschreibung von Schneiders Gesundheitszustand, die ein Jahr vor seinem Verschwinden anlässlich einer Gallenblasenoperation erstellt worden ist, hat sich die Kommissarin bei den Krankenhäusern in der Umgebung erkundigt - ohne Erfolg.
  Katja Kampp begrüßte Linda Schneider. "Bitte kommen Sie mit!", sagte sie und führte die Frau in das Institut. Doktor Hellstroem, der leitende Rechtsmediziner, erwartete sie bereits. Er nickte Katja Kampp und Linda Schneider zu. "Die erste Untersuchung habe ich bereits gemacht", sagte er. "Kommen Sie!"
  Es ging hinunter in einen großen, gekachelten Raum, in dem auf einem Edelstahltisch unter einem Tuch die Leiche des Mannes liegt, die am Morgen am Flussufer angetrieben worden ist. Jogger hatten den Toten gefunden und die Polizei verständigt.
  Routinemäßig war auch Kommissarin Katja Kampp über dem Leichenfund informiert worden. Weil Größe, Haarfarbe und Statur des Mannes mit der Beschreibung von Schneider übereinstimmen hatte die Kommissarin die Ehefrau gebeten, sich den Toten anzusehen.
  Linda Schneider schluckte, als die vor dem zugedeckten Leichnam stand. Doktor Hellstroem griff nach dem Klemmbrett mit den Notizen seiner ersten Untersuchung: "Ein Mann, cirka 45 Jahre alt, 1,75 Meter groß, dunkles Haar mit grauen Strähnen, Stirnglatze. Die Haut weiß, kaum gebräunt, keine sichtbaren Namen oder Spuren von Eingriffen, Finger- und Fußnägel gepflegt."
  Katja Kampp zog ein Bild Schneiders aus der Akte. Es zeigte einen kräftigen Mann von Mitte vierzig, der in die Kamera lächelte. Die Stirnglatze des Mannes auf dem Bild war ausgeprägt, graue Strähnen durchzogen seine übrigen Haare. An der linken Hand trug er seinen Ehering.
  Doktor Hellstroem schlug das Laken von dem Toten zurück. Linda musterte die Leiche mit starrem Gesicht. Nur ihre Lippen bewegen sich stumm. "Ja", sagte sie schließlich. "Das ist Bert. Das ist mein Mann." Sie wendete sich an Katja Kampp. "Wurde er... ermordet?"
   "Bislang gibt es keine Spuren eines Verbrechens", sagte der Rechtsmeidziner.
   Katja Kampp ging mit Linda wieder in den Vorraum. "Wie lange wird es dauern, bis mir der Pathologe den Totenschein zuschickt?", wollte Linda wissen.
   "Sie brauchen das Dokument?", fragte Katja Kampp.
   "Die Lebensversicherung weigert sich, ohne Vorlage eines Totenscheines zu zahlen."
   Katja Kampp schüttelte den Kopf. "Sie bekommen den Totenschein nicht, Frau Schneider", sagte sie. "Denn der Tote ist nicht Ihr Mann. Sie haben eben eiskalt gelogen. Das werden wir feststellen, wenn wir das Gebiss des Toten mit den Zahnarztunterlagen Ihres Mannes vergleichen. Aber auch so ist es ganz klar, dass der Tote dort ist nicht Ihr Mann ist. "

Was war Katja Kampp aufgefallen?

Lösung: 

Schneider hatte sich einer schweren Operation unterzogen. Doch der unbekannte Tote im Leichenschauhaus wies laut Befund des Arztes "keine sichtbaren Narben oder Spuren von Eingriffen".
Credits
H.P. Karr: Eine eiskalte Witwe
(C) by author Jahn facts&fiction
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