29.6.19

Krimi der Woche
Nur noch 48 Stunden

Nur noch 48 Stunden   

Von Ralph Petersen

Der Mann mit den kalten Augen gähnte. Seit Stunden stand er jetzt schon mit dem Wagen vor der Klinik. Er hatte nur noch wenige Stunden, um den Job zu erledigen.
   Drüben rollte wieder ein Rettungswagen in die Auffahrt. Sanitäter brachten den Patienten auf einer Rolltrage in die zentrale Notaufnahme. Was dort mit ihm geschah, wusste er, seit er sich gestern diskret im Krankenhaus umgeschaut hatte, getarnt als Techniker im Blaumann.
   In der ersten Etage des Bettenhauses im Seitenflügel war er auf die Posten gestoßen. Sportliche Männer, an denen keiner ohne Ausweis vorbeikam. Drinnen gab es eine zweite Schleuse, und dahinter lag das Zimmer für Sonderfälle.
   Sonderfälle wie den Kronzeugen. Er sollte beim Prozess gegen den Paten aussagen. Im Moment kurierte der Kronzeuge die Folgen der Schüsse aus, die ein Killer des Paten am Wochenende auf ihn abgegeben hatte. Der Killer hatte für sein Versagen bezahlt – der Mann mit den kalten Augen hatte ihn mit einer Drahtschlinge unten am Fluss erwischt.
   Nun galt es, den Kronzeugen aus dem Verkehr zu ziehen. »Du hast 48 Stunden, um das Problem zu lösen!«, hatte der Pate ihm aus dem Gefängnis ausrichten lassen. Der Mann mit den kalten Augen fuhr los - und prallte an der nächsten Ampel auf einen Kleinwagen. Der Airbag schlug ihm gegen die Brust. Er musste sich gar besonders verstellen, um von den Rettungssanitätern, die bald auftauchten, als schwer verletztes Unfallopfer behandelt zu werden. Man brachte ihn in die Notaufnahme der Klinik, untersuchte ihn, behandelte seine Prellungen. Auch die zusätzliche Aufnahme im Computertomographen, die die Ärzte anordneten, ließ er über sich ergehen.
   Es war fast Mitternacht, als er hinüber in den Seitenflügel wurde. Er wartete, bis Ruhe eingetreten war. Dann erhob er sich, machte aus dem Kabel eines der Überwachungsgeräte eine provisorische Würgeschlinge und begab sich leise zum Treppenhaus, das abgeteilt vom öffentlichen Bereich dem medizinischen Personal vorbehalten war. Er stief hinauf in die erste Etage. Von dort aus war der Weg zu Zimmer 34 frei …
   Währenddessen über auf der Station der diensthabende Arzt die Patienten an seinen Nachfolger. »Und dann ist da noch der Unfallpatient«, sagte er und zeigte die Aufnahmen des Computertomographen. »Ein Aneurysma im Gehirn, kritisch und inoperabel. Das ganze ist akut geworden durch den Aufprall des Airbags bei dem Unfall, den er hatte. Sobald das Blutgefäß platzt, ist es vorbei mit ihm… ihn zehn, zwanzig, spätestens 48 Stunden.«




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Ralph Petersen:
Nur noch 48 Stunden
Erstveröffentlichung in
Badische neueste Nachrichten
29.6.2019 
© by author  / Reinhard Jahn