27.3.11

Criminale Crash 1/3

Eine wahre Geschichte
Von MJ Hammer

Aufgezeichnet von H.P. Karr


Endlich war mir klar, warum man nur als Kerl so ein richtig harter Schnüffler sein konnte - weil man nur als Kerl einfach in seine leere Bierdose pissen kann, wenn man bei einem Job nicht mal so einfach um die Ecke konnte. Ich hatte mir vorhin an so einem Schuppen, den die Leute hier »Kiosk« nannten, ein Sixpack geholt und war schon bei der dritten Dose. In absehbarer Zeit würde sich hier also ein Problem ergeben, denn ich stand mit meinem gemieteten Mustang in dieser runtergekommenen Straße und konnte nicht mal eben ein paar Kilometer bis zum nächsten Ladies Room fahren.
Als mir mein alter Herr vor drei Jahren schrieb, dass er nun doch endlich in so einen Rentnerschuppen in Jersey ziehen würde, wo sie einem vor dem Essen den Mund und hinterher den Hintern abwischen, da hatte ich gerade diesen Job in Terrys Blue Bar, bei dem ich mir dreimal am Abend von der »Tödlichen Doris« beim Schlammcatchen die Titten einsauen lassen musste.

Also dachte ich mir, dass es nur besser werden konnte, wenn ich Dads Laden übernahm. Der Alte hatte nichts dagegen und zwei Unterschriften später war ich eine Schnüfflerin. Ich musste noch nicht mal die Schrift auf dem Milchglas an seiner Bürotür ändern: M. Hammer, Private Investigator. Ach so, ja: Mein Name ist Hammer, MJ Hammer. Sie haben vielleicht mal was von meinem alten Herrn gelesen. Er hatte da mal mit einen ziemlich eckigen Kerl über ein paar von seinen Fällen geplaudert, und der Typ hat dann eine Menge drumrumgedichtet und den ganzen Kram als Bücher verkauft. Von dem Kram ist für die beiden jahrelang Geld rübergekommen.
Als die anderen harten Kerle aus der Branche mitkriegten, dass ich da auf einmal mitmischen wollte, grinsten sie sich erstmal eins, und ich hörte sie rumtuscheln, dass das einzig harte, was ich brauchte, ein richtig harter … Sie wissen schon, wäre.

Der Erste, der's mir dann ins Gesicht sagte, hatte hinterher ein paar Sitzungen bei seinem Zahnarzt und das Gequatsche hörte schlagartig auf.
Das Kaff, in dem ich hier im Moment hockte, nannte sich Duisburg, und der Erste, von dem ich's gehört hatte, war ein kleiner rothaariger Kerl aus San Francisco, der dauernd »Düffburch« sagte; aber er sagte auch dauernd »Fan Sranciffco«, weil ihm vorne ein paar Zähne fehlten, was mit irgendeiner »alten Feschichte« mit einem Vogel zusammenhing, einem Geier oder einem Falken oder so was - ich habs vergessen. Die Gegend hier im Hafen sah gar nicht mal so übel aus, alles sauber und proper, wie man es sich bei den Krauts halt so vorstellt. Mir steckte noch das Jetlag von New York-Düsseldorf (oder »Düffeldorf«, wie mein rothaariger Freund gesagt hätte) in den Knochen. Der Steward hinten bei uns Economy-Paxen war ein drahtiger Latino gewesen, mit Feuer in den Augen und einer Menge Haaren auf der Brust, wie ich feststellte, als wir kurz vor Irland auf dem Erster Klasse-Klo ein bisschen Spaß hatten.

Am Ende der Straße im rausgeputzten Neuen Hafen lag der Laden, auf den ich ein Auge hatte, weil ich mich da mit dem Kerl verabredet hatte, von dem ich angeblich erfahren konnte, wie das hier alles zusammenhing. Über der Tür hieß es in rotem Neon »Schimanski's«. Inzwischen war es Abend geworden, die Sonne verdampfte in den Ölschlieren im Hafenbecken, und ich überlegte gerade, ob ich es nicht vielleicht doch schaffen konnte, in meine Bierdose zu pissen, als der Typ auftauchte.
Klein, grau, Strickpullover, Jeans aus dem Vierte-Hand-Laden, ausgelatschte Sandalen und Pferdeschwanz. Mit einem Wort: Mister Schlaffschwanz persönlich. Er kam von der Bushaltestelle rüber und steuerte auf den Bums zu. Ich glitt aus dem Wagen. Man konnte richtig sehen, wie bei ihm der Groschen fiel und er begriff, dass ich nicht das doofe Collegegirl aus Minnesota war, das ich ihm am Telefon vorgespielt hatte. Er versuchte noch abzuhauen, aber ich kriegte ihn an der Schulter packen, riss ihn herum und rammte ihm das Knie dahin, wo Männer es gar nicht mögen. Er heulte auf. In seinem Blick spiegelten sich die letzten roten Strahlen der Sonne und seine Angst. Ich schob ihn in die Einfahrt neben dem »Schimanski's«.

»Okay, Baby«, sagte ich, während ich nach unten langte und zupackte. »Wir unterhalten uns jetzt gepflegt oder ich drücke zu.«

»Wa …«
Widerlich, wie er herumjammerte.
Ich griff fester zu. »Sag goodbye zu deinen Kindern!«
»Waaa … was denn bloß!«, quietschte er wie ein Tele-Tubbie.


Wenn ich eins nicht ausstehen kann, dann sind das Kerle, die um Gnade winseln. Ich hatte auch schon ausgeholt, um ihm ein paar aufs Maul zu geben, als ein Bursche in einer schmuddeligen Jacke durch die Einfahrt kam und »Scheiße« brüllte. Normalerweise keine große Sache, so ein Kerl - immerhin habe ich dreimal am Abend die »Tödliche Doris« Schlamm fressen lassen - aber der hier krakeelte rum, dass er von der »Krippo Düssburch« sei. Das hier wär sein Revier, und deshalb würde es hier jetzt gleich rundgehen.


* * *


Wir rasten aus Düssburch oder Duisburg oder wie auch immer raus. Mister Weichei kauerte auf dem Beifahrersitz. Ich hatte ihn gerade noch in den Mustang schleifen können, ehe der brüllende Penner vollkommen ausgerastet war.

»Wer war das eigentlich?« fragte ich.
»Ein Bulle?«

»Horst?« Das Weichei schniefte. »Horst ist schon lange kein Bulle mehr. Kommt damit gar nicht zurecht!« Das alte Industriezeug neben der Autobahn sah im Mondlicht sah aus wie das Straflager aus »Alien 3«, und ich kam mir vor wie Ripley mit einer extrem schlabberigen Lebensform auf dem Beifahrersitz.
»Sie müssen Hammer sein«, winselte er ein paar Kilometer weiter.
»Bin ich.«

»Hätte ich mir gleich denken können. Ich hab gehört, dass Sie kommen.«

»Von wem?«
Er winselte irgendwas. »Sprich deutlich, solange du noch Zähne hast!«
Er brabbelte was von Freiheitsberaubung, Nötigung, Geschwindigkeitsübertretung und Fahren ohne Sicherheitsgurt und was einem hier bei den Krauts dafür blühen konnte.
»Benimm dich wie ein Kerl!«, sagte ich. »Das ist ja ekelhaft!«
Aber er war halt so ein Büchertyp, hatte eine Krimibibliothek und wahrscheinlich sein Lebtag keinen echten Schnüffler gesehen. Ich kann diese Kerle nicht ausstehen: Verbarrikadieren sich in staubigen Hinterzimmern voller Regalen, blättern sich in ihren Büchern die Finger wund, spielen nachts unter der Decke an sich rum, während phantasieren sich dabei etwas von der Erstausgabe vom »Tiefen Schlaf« mit dem Druckfehler auf Seite 66 zusammen bis es ihnen … na Sie wissen schon.


»Wie haben Sie mich gefunden?«, winselte er, während wir uns einem Kaff näherten, das Mönchengladbach heißen sollte. Die Autobahn hieß A 52, und beides zusammen war so was von einem Witz, dass ich ein trockenes Lächeln zwischen den Zähnen zerkaute. Hier sollte also die neue Krimiszene entstanden sein, wegen der die Zahlen auf den Schecks, die mein Dad von seinem eckigen Freund und dessen Verlag bekam, auf einmal immer kleiner wurden? Lächerlich! Aber ein Job war ein Job, und dieser Job war ein ganz besonderer Job, weil ich für meinen alten Herrn unterwegs war. Ich hatte ihm versprochen, mich darum zu kümmern, als ich letzte Woche draußen in Jersey bei ihm vorbeigeschaut hatte.

»Da geht was komisches vor in Deutschland!«, hatte er gesagt, als ich ihn in seinem Rollstuhl auf die Terrasse schob. »Mickey sagt, unsere Auflagen bei den Krauts sinken. Angeblich gibt's neue deutsche Krimis. Irgendso ein Zeug mit Bayern, Kölnern, Niedersachsen und Friesen« So, wie er das alles sagte, klang es wie der Aufmarschplan für die dritte Invasion. »Nennt sich Regionalkrimi. What the fuck ist dieses regional - kannst du da was rausfinden, MJ?«


Okay, deswegen war ich hier, und deswegen ertrug ich auch das Winseln von Mister Weichei neben mir. Seinen Namen hatte ich von einem kleinen Typen mit Bart und Brille aus Bonn, der meinem Alten mal bei einem Bouchercon über den Weg gelaufen war und der auch Bücher sammelte, aber nicht so daneben war wie der, der da neben mir hockte.

»Bochumer Krimi Archiv!«, hatte der Bonner am Telefon gesagt. »Die wissen alles. Aber die reden nicht mit jedem.«
Also hatte ich mich für ein kurzes Telefonat in ein blödes Collegegirl verwandelt, das für ihre Abschlussarbeit alles über den deutschen Regionalkrimi wissen wollte. Und Mister Weichei hatte es prompt geschluckt.


»Harte Schüfflerin, was?«, zischte Mister Krimi-Archiv neben mir. »Sie bilden sich da wohl eine Menge darauf ein? Was wollen Sie sich damit beweisen? Welches Trauma haben Sie?«

Ich ging in die Eisen. Er knallte gegen die Windschutzscheibe, als der Mustang auf den Standstreifen schlidderte. Ich wartete, bis wir standen. »Willst du mich anmachen? Du? Mich? Ja? Was ist das für ein Scheiß-Trauma, das du mir da einreden willst?«

»Überkompensation weiblicher Minderwertigkeitsgefühle«, krächzte er. »Potenz …«

»Potenz? Red doch nicht von Sachen, von denen du nur mal was gehört!« Mister Waschlappen schrumpfte zusammen.
»Also«, sagte ich. »Dieser deutsche Regionalkrimi. Gib mir die Fakten. Wer? Wie? Wo? Warum? Wie viel?!«


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