18.9.08

Gut und Böse sind nicht schwarz und weiß

Mit "Verstummt" liefert Karin Slaughter eine wirkliche gelungene Überraschung für alle Thriller-Fans.

Von Reinhard Jahn

Wie gut es doch ist, dass wir die Guten in einem Krimi gleich erkennen. Den hart arbeitenden Cop zum Beispiel, einen wie Michael Ormewood vom Atlanta Police Department. Nach langen Jahren bei der Sitte ist er jetzt der Mordkommmission, und gleich sein erster Fall. Eine grässlich verstümmelte Prostituierte ist in einem heruntergekommenen Sozialbau gefunden worden. Das geht ihm an die Nieren. Und auch privat hat Michael es nicht leicht. Seine Ehe ist am Ende, er hat ein Verhältnis mit der Teenager-Nachbarin, macht sich Sorgen seinen behinderten Sohn. So weit, so schlecht. Dass man ihm für die Mordermittlung dann noch den freakigen Special Agent Will Trent als Partner gibt, liefert in jedem stinknormalen Polizeithriller dann das grundsätzliche Konfliktpotential, an dem unser Held wachsen und reifen kann: Es wird alles seinen geordneten Gang gehen, denken wir: Stress mit den Kollegen, tiefe emotionale Krise, showdown mit dem Serienkiller, der inzwischen noch ein paar Prostituierte Opfer getötet hat.

Soweit, so gut fängt auch Karin Slaughters neuer Thriller an. Doch dann wechselt sie in "Verstummt" auf einmal die Perspektive und alles wird ganz anders, viel, viel besser als man es nach ihren routinierten Serienromanen um die Pathologin Sara Linton erwartet hat.
Sobald Slaughter sich nämlich, soviel kann verraten werden, diesem Special Agent Will Trent zuwendet und auch der undercover-Polizistin Angie P., die bei Michel Ormewoods Ermittlungen nur eine Nebenrolle gespielt hat, wird aus der Geschichte ein wirklicher Thriller - eine scharf beobachtete und geschickt eingefädelte Familien- und Polizeigeschichte, die - auch das hat man selten - von Seite zu Seite immer spannender wird. Denn plötzlich ist nichts mehr so überschaubar simpel schwarz und weiß, wie es auf den ersten Seiten wirkte. Wir erfahren nämlich, dass die Politzistin nicht immer die ganz Guten sind, und wir müssen auch lernen, dass nicht für jede Mordserie der sattsam bekannte schrille Psycho-Freak veranwortlich ist, mit dem sich Krimi-Autoren gern aus der Verpflichtung zur überzeugenden Motivierung ihrer Täter stehlen.

Karin Slaughter:
Verstummt
Blanvalet,
480 Seiten

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