9.12.17

Der Mord nach RezeptAdventskalender
9. Dezember

Der Adventskrimi für den 9. Dezember

Martin Walser: Tod eines Teetrinkers


Komplett gefälscht von H.P. Karr

Überhaupt, sagte er, sagte er nahezu noch ehe er die Tür öffnete, er müsse eines klarstellen: Dass es sich bei den Vorfällen der letzten Zeit nicht - er wiederhole: Nicht um eine von ihm selbst initiierte Aktion handele. Er wisse, sagte er, mich durch ein düsteres Patio führend, er wisse also, dass es sich beim allem, was geschehen sei, um ein Komplott handele; ein Komplott, das verstünde ich doch.
Denn es sei doch wohl offensichtlich, dass er stets ein Teetrinker gewesen sei. Nur Tee! wiederholte er, stets. Schon auf dem Weg in den Salon, durch dessen weitläufige Fenster der Blick sich über den See eröffnete. Tee!

Ich: Gewiss, nur sei zunächst zu klären, wie er sich den erkläre, in den Ruf eines Kaffeetrinkers gekommen zu sein...

Er: Komplott, wie ich sagte, eindeutig ein Komplott von Kettenmacher, dem Kettenhund der Konspiration, der sich schon immer mit dem dem Kaffee-Kombinat gemein gemacht habe, allgemein gemacht hätte. Aber zunächst - wirbelnd mit den Händen: Tee, first flush, nicht wahr? Ich müsse nämlich wissen, dies mich in die Küche ziehend, es sei ein weit verbreiteter Irrtum, dass Tee dem Kaffee nachstehe, vielmehr, und dies beim Vorbereiten des Tees, sei es umgekehrt, das verstehe ich doch.

Ich: Verstehe, verstand stehend bei ihm, ihn bei der Verrichtung beobachtend.

Das Wasser - kochend! Verstehen Sie! - in das Gefäß zu geben, um sodann zu warten. Kettenmachers Behauptung, er sei ein Kaffeetrinker, diese öffentlich geäußert, habe ihn zutiefst betroffen gemacht.
Im Salon, im Sessel, beim See, das Getränk im Gefäß und wärmend an den Händen: Das sei ein Mord gewesen. Er sei gemordet worden in seinem Wesen, das ihn präge, als Teetrinker. Gemordet, ja.

Ich: Ja, gemordet. Und inwieweit er es für möglich, wenn nicht vielleicht auch für gegeben hielte, einige sozusagen letzte Worte zu äußern: der Nachwelt, von ihm, dem Gemordeten.

ber was denn noch? Hochfahrend, die Worte, sicherlich die vorletzten, mit den Händen wirbelnd. Worte! Wieso immer Worte? Es sei genug, dies ermüdet und nicht belebt vom First Flush. Keine Worte mehr, nichts, nicht wahr. Ich möge gehen.

Ich: Ging.


ENDE

H.P. Karr lebt im Ruhrgebiet. Er veröffentlichte zahllose Stories und rund ein Dutzend Thriller, darunter - gemeinsam mit Walter Wehner - die »Gonzo«-Romane, von denen »Rattensommer« 1996 als bester Krimi das Jahres mit dem Friedrich Glauser-Preis ausgezeichnet wurde. 
www.hpkarr.de



H.P. Karr:
Tod eines Teetrinkers
©beim Autor/Jahn facts&fiction

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