Galgenvögel
Von Manfred Mainau
Gerhard Marten schien als einziger die Hilferufe der Schwimmerin zu hören. Er warf sich ins Wasser und schaffte es, die junge Frau im Rettungsgriff an den Strand der Cote d'Azur zurückzubringen.
Er verschwendete keinen Blick auf ihre
attraktiven Körperformen, sondern begann sofort mit einer
Mund-zu-Mund-Beatmung. Nach einigen Minuten kehrte das Leben langsam in ihren
Luxuskörper zurückkehrte. Ein dankbarer Blick als hellen, blauen Augen traf
Marten. »Sie haben mir das Leben gerettet, Herr...«, hauchte sie.
»König«, stellte er
sich vor. »Gerhard König.«
»Mein Name ist
Jennifer de Blanco!«, lächelte sie. »Wie kann ich Ihnen nur danken?«
»Gehen Sie heute Abend
mit mir essen!«
Marten half ihr
galant beim Aufstehen. Ein großer, blondgelockter Bursche war plötzlich neben sie
getreten. Er sah Marten geringschätzig an.
»Ist dir etwas
passiert, Jennifer?« fragte er. Dann sah er Marten an. »Herr...
Marten?«
»Tut mir leid, aber
mein Name ist König«, sagte Marten. »Von den Marten-Stahlwerken in Düsseldorf.«
»Wenn wir uns nicht
kennen«, sagte der Blondgelockte mit einem süffisanten Lächeln, »dann muss ich
mich Ihnen wohl vorstellen. Mein Name ist Lamarche, Philippe Lamarche.«
* * *
Der Abend mit Jennifer begann nach
Martens Geschmack recht vielversprechend. Beim Aperitif erfuhr er, dass sie aus
Madrid stammte und ihr Vater ein großes Juweliergeschäft besaß. »Ich bin Papas
liebstes Vorführmodell«, sagte sie kokett. »Auf diese Reise hat er mir eine
ganze Kollektion mitgegeben.« Sie lachte. »Der Hoteldetektiv hat mich zwar
beschworen, alles im Safe aufzubewahren, aber ich habe mich geweigert.
Schließlich ist der ganze Schmuck ja versichert.«
Eine schwere Hand
legte sich von hinten auf Martens Schulter. »Hallo Herr Marten... Verzeihung -
König«, grinste Philippe Lamarche. »Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse, wenn
ich mich ein wenig zu Ihnen setze.«
»Ihr beide werdet
euch doch jetzt nicht etwa streiten?«, vermittelte Jennifer.
Marten konnte nur
schwer seine Wut unterdrücken, denn er hatte lange genug darauf gewartet, einen
solchen Goldfisch wie Jennifer kennenzulernen. Doch Lamarche war wie eine
Klette.
Als sie aufbrechen
wollten, zog Marten seine wohlgefüllte Brieftasche und rief den Ober.
»Aber nicht doch!« Lamarches
Brieftasche war ebenso gut gefüllt. Er drückte dem Ober ein paar Geldscheine in
die Hand. »Es ist mir eine Freude, Herr... König!«
* * *
Auf dem Parkplatz verabschiedete
sich Jennifer. »Danke für den reizenden Abend, Philippe!« Sie küsste
zuerst Lamarche auf die Wange, und dann Marten. »Und dir natürlich auch,
Gerhard!«
Nachdem Jennifers
Taxi abgefahren war, packte Marten Lamarche.«
Jennifer gehört mir!« zischte er. »Und nenne mich gefälligst nicht
immer Marten!«
Lamarche machte
sich frei und zeigte auf den Schaukasten mit Fahndungsplakaten der Polizei am
Rand des Parkplatzes.
»Da steht es doch,
unter deinem Bild: Gerhard Marten, gesucht wegen Hochstapelei und
Hoteldiebstahl!«
»Und hier?« Marten
zeigte auf einen Steckbrief mit Lamarches Bild. »Da steht Gaston Monte,
Heiratsschwindler.«
»Sieh mal!«, sagte
Lamarche plötzlich. »Da hat man noch einen Steckbrief aufgehängt.« Marten
schluckte. Kein Zweifel - das Foto zeigte Jennifer. »Juanita Cordobez,
Taschendiebin«, las er.
Lamarche tastete
nach seiner Brieftasche. Er fand sie nicht.
Marten grinste.
Erst als er nach seiner eigenen Brieftasche greifen wollte, begriff er, dass er
sich zu früh gefreut hatte.
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Manfred Mainau: Galgenvögel
Bildwoche Heft 30/1994
© Autor/Jahn facts&fiction