Ein Gläschen in Ehren
Von H. P. Karr
Kommissar Gerber musterte die Umrisse des Ausbrechers Dirk Schneider auf dem Teppich in Carl Huebners Wohnzimmer.
»Meine Frau ist bei Freunden«, sagte Carl Huebner. »Es ging alles ziemlich schnell. Schneider brach zusammen und starb, nachdem er den Wein getrunken hatte.«
»Der Wein, ja«, sagte der Kommissar. »Eine 1999er Kufbacher Spätlese. Unser Labor hat den Rest in der Flasche untersucht. Es war Reinigungsflüssigkeit darin, mit der Winzer die Fässer desinfizieren.«
»Wie geht es dem Gefängniswärter, den Schneider bem Ausbruch niedergeschlagen hat?«, fragte Huebner.
»Den Umständen entsprechend«, sagte der Kommissar. »Als wir die Meldung von Schneiders Ausbruch bekamen, haben wir befürchtet, dass so etwas wie hier passieren würde.«
»Als wir aus dem Kino kamen, stand Schneider hinter der Tür«, berichtete Huebner. »Er hat meiner Frau ein Messer an den Hals gesetzt. Er fesselte uns. Dann entdeckte er den Wein, den meine Frau gestern gekauft hatte. Er trank davon und brach zusammen.«
»Möglich, dass das Desinfektionsmittel beim Winzer in die Flasche geraten ist«, sagte der Kommissar. »Der Winzer meint allerdings, dann hätte der Inhalt eines ganzen Fasses vergiftet sein müssen. Also haben wir den Rest der Produktion aufgestöbert – und haben nichts gefunden. Alle Flaschen waren einwandfrei.« Der Kommissar machte eine Pause. Dann sagte er: »Die Nachbarn sagen, dass Sie sich manchmal mit Ihrer Frau streiten?«
»Klatsch«, erwiderte Huebner.
»Ihre Frau trinkt gern einen Schluck?«
»Richtig.«
»Und Ihre Frau hat ein Vermögen, das Sie im Fall ihres Todes erben?«
Huebner war blass geworden. Der Kommissar fuhr fort: »Sehen Sie, wir haben uns nicht nur in dem Laden umgehört, in dem Ihre Frau den Wein gekauft hat, sondern im ganzen Ort. Können Sie sich denken, was wir dabei herausgefunden haben?«
»Sagen Sie es mir!«, krächzte Huebner.
»Nun«, meinte der Kommissar, »zuerst haben wir in der Apotheke erfahren, dass Sie eine Spritze und Injektionsnadeln gekauft haben. Dann entdeckten wir, dass das Reinigungsmittel, mit dem die Winzer die Fässer desinfizieren, auch als Haushaltsreiniger im Handel ist. Also fragten wir weiter und fanden einen Laden, in dem Sie eine Flasche dieses Haushaltsreinigers gekauft haben.« Der Kommissar lächelte schmal. »Sie wollten Ihre Frau mit dem Wein vergiften, nicht wahr? Leider kam Ihnen Schneider dazwischen.«
Huebner schluckte. »Ja«, krächzte er. »Aber es hat nicht geklappt. Sie können mir nichts anhaben.«
»Falsch!«, meinte der Kommissar. »Ich verhafte Sie wegen Mordes an dem Ausbrecher Dirk Schneider!«
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H.P. Karr
Ein Gläschen in Ehren
Badische neueste Nachrichten 41/2015
©beim Autor/Jahn facts&fiction
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