3.12.17

Der Mord nach Rezept-Adventskalender
4. Dezember

Der Adventskrimi für den 4. Dezember
Tatort: Saalfeld in Thüringen

Abrechnung im Kaffeehaus


Von Michael Rolandt


Auf die Tageseinnahmen hatte es Langfinger Kuno abgesehen. Nachdem der Wirt ihn auf frischer Tat ertappt hatte, endete der Gastronom tot auf dem Boden. Aber war der Einbrecher wirklich ein kaltblütiger Mörder? Hauptkommissarin Haller kamen Zweifel.

Kommissar Udo Beck betrat im Morgengrauen mit seiner Schirmmütze und in dunkler Jacke das kleine Kaffeehaus.
Gerade war er zum Tatort gerufen worden, nun veranschaulichte er sich den Hergang des Verbrechens: Die Tür war aufgebrochen worden, der Dieb gelangte in den Raum, hatte die Kasse aufgebrochen. Dabei war er vom Wirt ertappt worden, der ihn am Schlafittchen gepackt hatte. Mit tödlichem Ausgang für den Gastronomen, denn der Kriminelle hatte mit einem steinerner Krug auf dessen Kopf eingeschlagen.
    »Tod durch Hirnblutung«, meinte der Gerichtsmediziner zu Beck. Der trat nun zu seiner Chefin, Hauptkommissarin Martina Haller. Die nahm gegenüber einer jungen Frau Platz.

    Ina Bender war deren Name. Die 22-Jährige arbeitete im Kaffeehaus ihres Vaters, sollte es übernehmen. Nun saß die Kellnerin mit ausdruckslosen Augen auf einem der Stühle.
Schon trat ein junger Mann mit rotblondem Haar zu ihr, legte seinen Arm um die Serviererin.
    »Rolf Denner, mein Verlobter«, stellte die ihn vor. »Wir wohnen über der Kneipe, Vater in der zweiten Etage. Am frühen Morgen haben wir ein Poltern gehört. Rolf hat sofort nachgesehen und Vater hier gefunden.«
    »Er hatte den Gangster am Halstuch gepackt«, vermutete Rolf.
    Das Beweisstück löste ein Mitarbeiter der Spurensicherung aus der Hand des Toten. Ein Teil des Tuches war jedoch abgerissen worden, damit schien der Verbrecher die Tatwaffe, den Steinkrug, abgewischt zu haben.
    Rolf fuhr fort: »Das gehört Kuno Bronnen. Den Kerl habe ich mit dem bunten Hippie-Fetzen mal gesehen.«
    Udo Beck notierte sich sofort den Namen, während sich Martina in der Gaststube umsah. »Es war noch zu früh, um zu öffnen, doch sie vermutete: »Die Geschäfte laufen schlecht?«
   »Das ändert sich bald«, gab Rolf zurück, sah zu Ina. »Wir modernisieren. Ihr Vater wollte das nicht, wir schon. »
   »Sie sind seine Erbin?«, fragte die Polizistin. Die 22-Jährige nickte.
   »Kann ich die Wohnung Ihres Vaters sehen?«, bat die Ermittlerin.
Ina brachte die Kommissarin in die zweite Etage. In einer Zimmerecke stand ein Schreibtisch mit Kassenbüchern, im Papierkorb zerrissene Kostenvoranschläge einer Brauerei. Es ging um die Modernisierung des Cafés. Auftraggeber war Rolf Denner.

Zurück im Präsidium besprachen Martina und ihr Kollege die Ergebnisse der Spurensicherung, schrieben den Verdächtigen zur Fahndung aus.
    Am Nachmittag schnappten Uniformierte den Gauner, brachten ihn aufs Revier. Hauptkommissarin Haller kannte den Mann, den die Familie des Opfers als Täter beschuldigte.
   »Ich war's nicht!«, beteuerte der.
   Martina hörte sich die Version des Verdächtigen an, der den Einbruch zugab. Doch den Mord stritt er ab: »Ich bin abgehauen, als jemand die Treppe herunterkam.«
    Beck zeigte ihm ein Beweisstück vom Tatort, das bunte Halstuch.
   »Das ist meins«, bestätigte Kuno. »Ich hab es bei der Flucht verloren.«
   Die Hauptkommissarin ließ den Mann in Untersuchungshaft bringen.
   »Glasklarer Fall«, fand Udo.
    Martina schüttelte den Kopf. »Ich traue ihm keinen Mord zu. Vor acht Jahren hatte ich mit ihm zu tun, wegen Diebstahls. Er war damals 15.«
   Ihr Kollege schüttelte den Kopf. »Alle Indizien sprechen gegen ihm.«

Nach Feierabend besuchte die Kripo-Beamtin ihre Tochter Anna, die mit ihrem Mann und den Söhnen in Martinas Haus wohnte. Die Polizistin war ausgezogen, nachdem ihr Mann dort an einem Herzinfarkt verstorben war. Damals hatte sie sich in den Räumen nicht mehr wohlgefühlt.
    Doch mit der jungen Familie kehrte die Fröhlichkeit zurück, Martina richtete sich in der Dachetage ein. Drei Dienstjahre noch, dann wollte sie hier ihren Ruhestand genießen.
    »Morgen schicke ich dir die Jungs hoch, wenn es Frühstück gibt«, sagte Anna. »Mein Rufen hörst du ja nie.«
    »Unterm Dach kriegt man nichts von dem mit, was im Erdgeschoss passiert«, gab Martina zu. Plötzlich stand sie auf, erklärte hastig: »Ich muss jetzt doch noch einmal weg!«

Es war nach 22 Uhr, als sie das Kaffeehaus erreichte. Die Gäste waren gegangen, Ina stellte die Stühle hoch.
   »Sie?«, fragte die Wirtin überrascht.
Die Beamtin begann: »Ihr Vater konnte im zweiten Stock den Einbrecher nicht hören. Sie und Rolf schlafen über der Kneipe, wurden von dem Krach geweckt. Kuno floh. Ihr Lebensgefährte hat Ihren Vater heruntergelockt und dann erschlagen.«
   Rolf kam heran. »Verschwinden Sie! Sie haben dafür keine Beweise.«
   Doch seine Freundin flüsterte mit Tränen in den Augen: »Ja, er hat Vater getötet. Er sollte ihm die Kneipe übergeben. Aber Papa wollte nicht.«
    Der überführte Mörder stürzte zur Tür. Doch da stand Kommissar Beck, den Martina auf dem Weg zum Kaffeehaus informiert hatte.
    »Bring ihn ins Präsidium«, wies Martina Haller ihn an und setzte sich zu Ina, die nun weinend auf einem Stuhl zusammengesunken war.





Mord nach Rezept – Band 6
In zwei Dutzend Kurzkrimis quer durch Deutschland
Die Kurzkrimis führen von Friesland über Hamburg nach Berlin und an den Bodensee, von Saalfeld in Thüringen über Erfurt nach Usedom oder von Bochum über Dortmund und bis nach Iserlohn. Auf allen 24 Stationen dieser mörderischen oder auch komischen Krimitour durch Deutschland gibt es tolle Geschichten, clevere Kommissare, gewiefte Gauner und dramatische Verwicklungen. 




Michael Rolandt:
Abrechnung im Kaffeehaus
aus: FREIZEIT REVUE 34/2014
© Autor/Jahn facts&fiction

     
    

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