Der Adventskalenderkrimi für den 17. Dezember
Vicky knackt die Nuss
Ratekrimi von H. P. KarrIn einer Woche ist Heiligabend. Dunkle Wolken hängen über der Eifel. Es ist kalt, Schnee liegt in der Luft. Vicky Kant fährt seit Gerolstein sehr vorsichtig. Die Straße windet sich kurvenreich durch den Wald. Endlich meldet ihr Navi: »Sie haben ihr Ziel erreicht.«
Victor Berendonk erwartet die Anwältin in der Tür seines liebevoll renovierten kleinen Schlösschens. Berendonk, Patron der Berendonk-Clans, Bonvivant und bekannter Kölner Kunstmäzen, hat nicht nur zwei Schokoladenfabriken geerbt, sondern auch ein Millionenvermögen. Und das Eifelschlösschen hier, in das er sich mit einen Lieben für die Festtage zurückgezogen hat.
»Es geht um eine Familiensache!« Berendonk führt Vicky ins Wohnzimmer. Vicky betreut Berendonk schon seit fünf Jahren als Anwältin. Gestern hat er angerufen und sie herbestellt. »Es ist wichtig«, hat er gesagt. »Kommen Sie übers Wochenende!«
Im Wohnzimmer ist die Familie versammelt. Ilona Berendonk ist Victors Frau, eine ätherische Brünette, zehn Jahre jünger als ihr Mann. Der Mann, der mit Ilona auf der Couch sitzt, sieht dem Hausherrn unverkennbar ähnlich. Ferry Berendonk ist Victors Bruder. »Freut mich, Frau Kant!«, sagt er, obwohl man ihm das Gegenteil ansieht. Außerdem ist dann da noch Marcus, Berendonks Sohn.
»Marcus lebt jetzt wieder bei uns«, sagt Ilona, und es klingt ein wenig peinlich berührt. Vicky Kant hat von der grandiosen Pleite gelesen, die Marcus kürzlich mit einem Internet-Startup hingelegt hat.
»Kommen Sie!« Victor leitet die Anwältin in sein Arbeitszimmer. »Ich will mein Testament ändern!«, erklärt er. In einer Ecke steht ein alter Tresor mit einem altmodischen Ziffernschloss, bei dem die Kombination durch Drehen auf Zahlen zwischen 1 und 20 eingestellt wird. Berendonk konsultiert kurz ein Familienfoto an der Wand neben dem Tresor, dann hört Vicky, wie er das Ziffernrad auf sechs Positionen dreht, immer vorwärts und kein einziges mal zurück. Und schon öffnet sich die Tresortür und Berendonk holt einige Papiere heraus. »Ich habe da mal was vorbereit!«
In der nächsten Stunde spricht er mit Vicky Kant alle Details seines Testamentsentwurfs durch und notiert sich Vickys Vorschläge. Es geht darum, dass er sein Vermögen in eine Stifung zur Förderung begabter Künstler einbringen will. Sseine Frau, sein Bruder und sein Sohn, sollen nur noch ihre Pflichtteile bekommen.
»Die drei ahnen natürich, was ich plane«, sagt Berendonk und schließt seine Notizen wieder in den Tresor ein. »Aber sie werden mich nicht mehr aufhalten oder umstimmen könen. Und jetzt lassen Sie uns essen.«
Die Stimmung beim Abendessen ist frostig, und Vicky empfindet den Adventskranz mit sienen Kerzen auf dem Tisch als blanken Hohn. Da wohl jeder weiß, warum sie hier ist, redet man kaum mit ihr und deshalb geht sie schon um zehn auf ihr Gästezimmer und um halb elf schläft sie.
Am nächsten Morgen wird sie von der Mordkommission geweckt. Victor Berendonk ist letzte Nacht gestorben - allein in seinem Bett in seinem Schlafzimmer. Das erfährt Vicky Kant von Hauptkommissar Schneider, der sie hat wecken lassen. Um acht heute Morgen hat Ilona ihren Mann tot im Bett entdeckt. Dem Notarzt, den sie gerufen hat, sind die Todesumstände seltsam vorgekommen, deshalb hat er die Polizei informiert. Also wimmeln jetzt Kommissar Schneiderrs Forensiker im Haus herum und ein Rechtsmediziner hat sich Berendonks Leiche angesehen. »Ich habe mich mit seinem Hausarzt in Verbindung gesetzt«, erklärt der Doc gerade, als Vicky sich in der Küche inen Kaffee holt. »Berendonk war gegen Nüsse jeder Art allergisch. Todesursache ist ein anaphylaktischer Schock – ausgelöst durch Nüsse.«
Berendonk ist gegen Mitternacht gestorben, in seinem Bett, unbemerkt von der Familie und vor allem durch seine Frau, die ihr Schlafzimmer neben seinem hat. Vicky Kant wirft einen Blick in Berendonks Schlafzimmer. Auf seinem Nachttisch liegt ein aufgeschlagener Thriller - »Eisfieber« von Ken Follett - daneben steht ein fast leeres Glas Milch.
»In der Milch fand ich fein gemahlene Haselnüsse«, diktiert der Rechtsmediziner neben Vicky Kant in sein Gerät. Die Anwältin geht nach unten – wo Kommisser Schneider die Familie im Wohnzimmer befragt. In der Küche untersuchen zwei Spurentechniker das geöffneten Tetrapack Vollmilch aus dem Kühlschrank. Eine Schale mit Weihnachtsgebäck, Walnüssen, Erdnüssen und Haselnüssen steht auf der Ablage. Einer anderer Techniker befasst sich mit einer elektrische Kaffeemühle. »Das Gerät ist penibel gesäubert«, sagt er. »Aber nicht penibel genug. Mit der Mühle wurden Haselnüsse gemahlen.«
Vicky reimt sich zusammen, dass gestern jemand Berendonks Milch mit den fein gemahlenen Nüssen versetzt hat, um damit bei ihm den tödlichen allergischen Schock auszulösen.
Das Motiv ist ihr sofort klar. »Er wollte sein Testament ändern«, erklärt sie dem Kommissar. »Der Entwurf liegt in seinem Tresor. Noch gilt aber sein altes Testament – nach dem seine Familie zu gleichen Teilen erbt.«
»Reine Behauptungen!«, sagt Ferry Berendonk scharf, als der Kommissar die Familie mit Vicky Theorie konfrontiert. »Diesen neuen Testamentsentwurf hat niemand gesehen. Die Anwältin kann viel behaupten, was da angeblich im Tresor liegt – dessen Kombination nur mein Bruder kannte!«
»Hat gestern jemand Herrn Berebdonk ein Glas Milch ans Bett gebracht?«, unterbricht der Kommissar. »Oder hat er sich die Milch selbst aus der Küche geholt?«
»Die Milch?« Ilona wirkt irritiert. »Das Glas hatte er sich selbst eingegossen und in der Küche auf den Kühlschrank gestellt. Als ich später nachsah, war es weg. Ich nahm an, Marcus oder Ferry hätten es ihm gebracht. Warum fragen Sie?«
»Die Milch war mit gemahlenen Nüssen versetzt«, sagt der Kommissar.
»Du hast doch am Nachmittag gebacken«, wendte sich Ferry an seine Schägerin. »Hast du da die Haselnüsse gemahlen, um sie am Abend in seine Milch zu tun. Wir wussten doch, dass er allergsich dagegen war.«
»So ein Unsinn«, sagt Ilona beherrscht. »Ich habe gegen elf noch bei ihm im Schlafzimmer vorbeigeschaut. Da lebt er noch und las seinen Krimi.«
»Waren Sie noch einmal bei Ihrem Vater?«, fragt der Kommissar Marcus.
»Nein«, sagt der Sohn leise.
Der Kommissar bittet Vicky Kant in Berendonks Arbeitszimmer. »Ich denke, wir beide wissen, wer Breendonk die tödliche Milch brachte«, sagt er und Vicky nickt. »Ja, das denke ich auch.«
»Wenn wir diesen angeblichen Testamentsentwurf hätten, würde das sehr helfen, den Fall schnell abzuschließen«, fährt der Kommsisar fort und mustert den Tresor. »Wie könnten wir den öffnen?«
»Lassen Sie es mich mal probieren!«, sagt Vicky Kant. Sie sieht sich das Familienfoto neben dem Tresor an. Es zeigt Ilona, Ferry und Marcus, und Berendonk hat sich die Geburtsdaten der drei darunter notiert: Ilona 9.7.75 / Ferry 5.6.64 / Marcus 3.1.85.
Vicky stellt sechs Zahlen auf dem Ziffernrad ein, das Schloss klickt und der Safe öffnet sich.
Frage 1: Wer hat Berendonks Milch vergiftet?
Frage 2: Wie lautet die Kombination des Tresors?
Lösung:
1. Bruder Ferry versetzte die Milch mit den gemahlenen Haselnüssen. Nur er erwähnte beim Verhör ausdrücklich »Haselnüsse« – obwohl der Kommissar nur von »Nüssen« gesprochen hatte. Womit auch die Erdnüsse und die Walnüsse aus der Weihnachtsschale in der Schale in der Küche hätten gemeint sein können.
2. Die Kombination des Tresors ...
...erfahren Sie morgen im Mord nach Rezept-Adventskalender.
Ratekrimis zum Selberlösen
40mal fragt die clevere Kommissarin Marlene Kemper in diesen Kurzkrimis des preisgekrönten Autors H.P. Karr: Wer war's?Natürlich kennt sie die Antwort bereits, denn die verräterische Fährte hat der Täter selbst gelegt. Nun sind die Leser gefragt: Finden Sie das eine Indiz, das den Täter zweifelsfrei überführt? Dabei muß niemand verzweifeln: Die Lösungen zu jeder Geschichte finden sich ebenfalls in dem Band.
H.P. Karr
Ratekrimis zum Selberlösen
40 x dem Täter auf der Spur
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