Deutsche Anwaltskrimis abseits der Gerichtssal-Dramatik
Wenn Anwälte Krimis schreiben, dann geht’s wie bei Scott Turow ums große Ganze im Gerichtssaal oder wie bei John Grisham ums intrigante Klein-Klein in amerikanischen Großkanzleien.
Einspruch. Es geht auch anders.
Beweisantrag Nummer Eins: Klaus Erfmeyer, Anwalt aus Dortmund, hat seinen verdrucksten Helden Stephan Knobel in bislang zwei Romanen bis zum Sozius einer mittelständischen Dortmunder Kanzlei hochgeschrieben - und dabei in der Gegenbewegung Knobels Ehe derart hoffnungslos zerrüttet, sodass nun im dritten Band die Scheidung ansteht.
In "Geldmarie" verschwindet Knobels Freundin (und Scheidungsgrund) Marie nach einem Besuch bei ihrem Germanistik-Professor. Schwierig wird die Suche nach ihr, weil der Professor tot ist und die Polizei nicht so recht an einen plötzlichen Herzinfarkt glauben will. Der Fall schmiedet Knobel mit einem Ekelpaket von Kollegen zusammen und entwickelt sich abseits aller Juristerei zu einem Psycho-Thriller voller menschlicher Tragik.
Beweisantrag Nummer Zwei für ungewöhnliche deutsche Juristen-Krimis führt ins Weser-Elbe-Dreieck, da wo das Land flach und die Menschen bodenständig sind. Hier hat der Anwalt Wilfried Eggers seinen literarisches alter ego Peter Schlüter angesiedelt. Man kann sich diesen Kleinstadtanwalt so richtig vorstellen, ein Anfangsvierziger, der sich mit den Verhältnissen am Amtsgericht arrangiert hat, ein bisschen gefrustet, ein bisschen resigniert, ein bisschen angepasst. Und ausgerechnet er - "keine Asylsachen, kein Ausländerrecht, keine Strafprozesse" - bekommt es gleich mit zwei Fällen zu tun, die ihn am Ende bis tief nach Anatolien führen, wo die Menschen unter dem titelgebenden "Paragraf 301" ("Beleidigung der türkischen Nation") des türkischen Gesetzbuches mehr leiden als leben.
Da ist einmal Emin Gül, dessen Auslieferung in die Türkei Schlüter abwenden soll - weil Gül dort angeblich wegen seiner Beteiligung an einem Pogrom gegen Aleviten verfolgt wird. Auf der anderen Seite gerät Schlüter auch an denFall von Heyder Cengi, einem Türken alevitischen Glaubens, der wegen - sagen wir mal "fahrlässiger Tötung" - gesucht wird und dem Verurteilung die Abschiebung droht. Zwei Fälle, die zu Fixpunkten in diesem ungewöhnlichen Anwaltskrimi werden, der angenehm breit und bunt erzählt ist, ganz ohne Gerichtssaal-Duelle, dafür mit viel norddeutscher und türkischer Atmosphäre, in die immer wieder kleine, beeindruckende Charakterstudien eingewebt sind, die diesen Krimi abseits seiner aufklärerischen Anlage auch zu einem großen Menschenbuch machen.
Klaus Erfmeyer:
Geldmarie
Gmeiner
Wilfried Eggers
Paragraf 301
Grafit Hardcover
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