Moni plant das Superding
Von Ralph Petersen
»Du bist und bleibst eben ein kleines Licht!«, verkündet Moni. Der Wirt der Wattenscheider Bahnhofskneipe poliert betont unauffällig seine Biergläser. Oskar Schreitzmeyer scheint unter den harten Vorwürfen seiner Freundin, die neben ihm am Tresen steht, immer mehr zusammenzuschrumpfen. »Seit vier Wochen hast du kein einziges Ding mehr gedreht«, beschwert Moni sich jetzt. »Wovon sollen wir leben? Unser Geld geht zu Ende!«
»Ich versuchss
ja«, rechtfertigt Oskar sich, und wie immer, wenn er aufgeregt ist, lispelt er.
»Aber esss geht eben immer etwass sschief! Außerdem hat Kommissar Kelsterhusen
mich auf dem Kieker!«
»Papperlapapp!«
Moni fischt wütend die Tageszeitung hinter dem Tresen hervor. »Es wird Zeit,
dass du etwas tust!« Sie tippt auf einen Polizeibericht. »Lies das!«
»Zum fünften Mal
schlug gestern der Jogging-Räuber zu«, liest Oskar. »Der Juwelenräuber bedrohte
den Schmuckhändler Horst Brenner in seinem Laden am August Bebel-Platz mit
einer Waffe und bat mit höflichen Worten um sämtlichen vorhandenen Schmuck. Der
Räuber war mit einem froschgrünen Jogging-Anzug, einer roten Kappe und blauen
Turnschuhen bekleidet und joggte nach dem Überfall durch den Stadtpark davon.«
»Verstehst du?«
Moni dämpft ihre Stimme. »Das ist unser Superding. Wir werden einfach die
Masche dieses Jogging-Räubers nachmachen und einen Juwelier überfallen. Die
Bullen werden denken, dass der Jogging-Räuber wieder am Werk war und sich gar
nicht um dich und mich kümmern.«
»Moni, du bisst
genial!«, jubelt Oskar lispelnd.
»Schrei doch noch
lauter!« faucht Moni. »Damit die Polizei es auch hört. Morgen fangen wir mit
den Vorbereitungen an!«
Drei Tage später
betritt ein nervöser Mann in einem froschgrünen Jogginganzug, einer roten Kappe
und blauen Turnschuhen den Laden des Juweliers Schreiner am Alten Markt. Der
Jogger zieht sein Halstuch vor den Mund und holt dann eine Pistole aus seinem
kleinen Sport-Rucksack. Er richtet die Waffe auf den vollkommen verblüfften
Juwelier.
Unter seiner
roten Kappe schwitzt Oskar vor Angst und Nervosität. Er hat Mühe, die Waffe
ruhig zu halten. »Bitte haben Ssie die Freundlichkeit und packen Ssie mir
etwass Schmuck ein!«, sagt er. »Ssonst ssehe ich mich gezwungen, zu schießen!«
Die feinen Sätze
hat sich Moni ausgedacht und mit Oskar geübt.
Der Juwelier
beginnt langsam, den Schmuck aus den Vitrinen in Oskars Sportrucksack zu
packen. Das klappt wie am Schnürchen! denkt Oskar. Moni hat eben immer noch die
besten Ideen.
Zu spät bemerkt
er, dass der Juwelier den Alarmknopf an der Seite der Vitrine gedrückt hat.
Eine Sirene heult los. Oskar holt aus und schlägt den Juwelier mit dem Kolben
seines Pistole nieder. Schnell rafft noch ein paar Ringe zusammen und sucht das
Weite.
Eine halbe Stunde
später steht Hauptkommissar Kelsterhusen in dem Juwelierladen und sieht der
Spurensicherung bei ihrer Arbeit zu. »Herr Schreiner, der Juwelier, ist im
Krankenhaus!« berichtet seine Kollegin Vicky Funk. »Er sagt, es sei der
Jogging-Räuber gewesen.«
»Das ist nun
schon der sechste Überfall der auf sein Konto geht!«, knurrt Kelsterhusen.
Einer der Beamten
bringt ihm einen Metallkoffer. »Der stand in der Werkstatt! Ich denke, Sie
sollten sich den Inhalt einmal genauer ansehen.« Kelsterhusen öffnet den
Koffer. Darin liegen ein froschgrüner Jogginganzug, eine rote Kappe und blaue
Turnschuhe. »Na sowas!«, sagt der Kommissar.
Am Abend wird bei
Oskar gefeiert. Moni wühlt mit glitzernden Augen in dem Schmuck. In ihrem Haar
steckt ein Diadem, ein halbes Dutzend Perlenketten hängen an ihrem Hals und an
jedem Finger stecken mindestens zwei Ringe. »Das hast du gut gemacht!«, lobt
sie Oskar.
Oskar fühlt sich
geschmeichelt, als er auch noch einen Kuss bekommt. Vielleicht, denkt er, ist
Moni heute Nacht noch so nett zu mir.
Als es an der Tür
pocht, schrecken die beiden zusammen. Ehe sie sich versehen, stürzen Kommissar
Kelsterhusen und seine Kollegin Vicky Funck herein. Und schon klicken die
Handschellen bei Oskar. Auch Monis Schmuckkollektion wird um ein paar
Edelstahlarmbänder bereichert.
»Da hast du dir
ja ein tolles Ding geleistet!« sagt Kelsterhusen. »Schreiners Laden war nicht
nur mit einer Alarmanlage, sondern auch mit einer Videokamera ausgestattet, die
mit dem Alarm ausgelöst wurde. Auf dem Video bist du zwar nur undeutlich
erkennen, aber dein Sprachfehler ist nicht zu überhören. Aber das Tollste ist,
Oskar - du hast den Jogging-Räuber persönlich beraubt. Juwelier Schreiner war
seit einiger Zeit in finanziellen Schwierigkeiten und raubte in dieser Verkleidung
seine Kollegen aus, wie er uns inzwischen gestanden hat.«
»Ich habss ja
gessagt«, meint Oskar achselzuckend zu Moni. »Irgendwass geht immer sschief!«
Ralph Petersen:
Moni plant das Superding
Die neue Frau Heft 26/2013
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