Iny löst den Fall
Von Marek Stein
Arno Moll lächelte Iny Kremer an. »Ich brauche eine Rechtsanwältin.« Inys Kanzlei lag beim Bonner Stadthaus und die Miete war nicht gerade billig. Da kam ein Mandant wie Moll gerade recht. Der schöne Arno war Anlageberater. »Meine Sekretärin Vera Gerold ist vor einigen Tagen verschwunden«, sagte er. »Und jetzt hat man Veras Leiche gefunden. Man denkt, ich hätte sie umgebracht.«
»Wir wollten Ihren Mandanten vorhin verhaften«, knurrte Kommissar Harras, als Iny ihm wenig später im Präsidium Molls Vollmacht zeigte. »Aber er war verschwunden! Sagen Sie mir, wo er ist!«
Iny hob nur die Schultern. »Keine Ahnung.«
»Moll fährt einen grünen Alfa Romeo«, sagte Harras. »Vera Gerold wohnte draußen in Tannenbusch. Ihre Nachbarin hat gesehen, dass sie am Samstag gegen 16 Uhr von einem Mann in einem solchen Wagen abgeholt wurde. Moll hat für diese Zeit kein Alibi.«
»Aber warum sollte Moll seine Sekretärin umgebracht haben?« wollte Iny wissen.
Der Kommissar lächelte knapp. »Weil wir seit Wochen wegen Betrugs gegen Moll ermitteln«, sagte er. »Und Vera Gerold wollte uns Informationen über seine Geschäfte geben.«
Veras Nachbarin Mathilde Berger war 64 und ein »rheinisch Mädche«, wie sie versicherte, als sie mit Iny bei einer Tasse Kaffee und einem Gläschen Eierlikör zusammensaß.
»Hatte Vera einen Freund?«, fragte Iny.
»Na, den Herrn Urbach«, sprudelte es aus Mathilde heraus. »Kein anjenehmer Meensch. Autoverkäufer, verstehste?«
»Und wer hat die Vera am Samstag in dem jrünen Auto abjeholt?«, bohrte Iny. »Erinner disch, Mathilde!«
»Dat war so 'n Ausländer«, meinte Mathilde. »Denn der hat so 'n rotes Nummernschild am Wagen jehabt.«
Der Chef des Autohauses, den Iny kurz darauf befragte, sagte: »Herr Urbach ist seit Montag krankgemeldet.« Es war das siebte Autohaus in Bonn, in dem sich Iny nach Veras Freund erkundigte.
Iny musterte den grünen Alfa Romeo im Verkaufsraum. Dann holte sie hr Handy heraus und rief die Polizei.
»Wir haben Urbach gefasst,« sagte Kommissar Harras am nächsten Nachmittag. »Er hat gestanden, Vera getötet zu haben. Er hatte sich den grünen Alfa Romeo mit dem roten Versicherungskennzeichen im Autohaus ausgeliehen.«
»Es war reiner Zufall, dass Urbach sich einen Wagen lieh, der Molls Auto glich«, sagte Iny. »Warum hat er Vera umgebracht?«
»Sie hatten Streit, er war eifersüchtig, und dann sind ihm die Sicherungen durchgebrannt«, meinte Harras achselzuckend. »Wat wellste maache!«
Am nächsten Tag begleitete Iny ihren Mandanten Arno Moll zu Kommissar Harras. Nachdem er seine Ausssage im Fall Vera Gerold unterschrieben hatte, stand Moll auf. »Das war's dann ja wohl!«
»Nun ja«, meinte Harras. »Der Mordverdacht ist zwar aus der Welt. Aber dafür haben wir in Veras Wohnung die Beweise für Ihre Betrügereien gefunden, die sie uns geben wollte. Deswegen sind Sie jetzt erst mal verhaftet, Herr Moll.«
Iny starrte Harras an. Der zuckte mit den Schultern. »Wenn man einen Verbrecher schon mal vor sich hat, muss man seine Chance nutzen. Sie wissen ja: Et is, wie et is!«
Marek Stein:
Iny löst den Fall
auf einen blick Heft 26/2013
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