10.3.19

Thomas Ross:
Der Tod des Kandidaten


Erschienen im März 2009

Der 6. Mai 2002 in Hilversum. Der Fotoreporter Jim de Booy treibt sich vor dem Medienzentrum herum, um einen Schuss von einem Soap-Star zu bekommen, als er plötzlich indirekt Zeuge des Attentattes wird, das die niederländische Gesellschaft zutiefst vertört: Quasi um die Ecke wird der Rechtpopulist Pim Fortuyn von einem jungen Mann angeschossen - er stirbt wenig später. Es ist das erste poltische Attentat in den Niederlanden seit 400 Jahren.
Jetzt erscheint "Der Tod des Kandidaten", ein Thriller des Niederländers Thomas Ross mit der Unterzeile "Warum musste Pim Fortuyn sterben?
Was ist das also jetzt - Roman, Dokumentation, die niederländische Version der Kennedy-Verschwörung?

Zunächst einmal ist der Roman - oder sagen wir: diese nach wahren Ereignissen gestaltete Fiktion - kein Schnellschuss, keine spekulative Ausbeutung der Aktulität, sondern eine dichte, solide und mit viel Sachverstand erzählte Geschichte aus der Werkstatt eines Mannes, der sein Handwerk versteht.
Thomas Ross - bürgerlich W.P. Hogendoorn, Jahrgang 1944 - ist gelernter Journalist und Verfasser von mehr als 30 Thrillern, in denen er schon immer Themen der Niederländischen Innenpolitik behandelt hat - und dafür mehrfach mit Krimipreisen ausgezeichnet worden ist.

"Der Tod des Kandidaten" ist im Original nur in Jahr nach dem Attentat erschienen, später hat Thomas Ross mit dem Regisseur Theo van Gogh ein Drehbuch aus dem Stoff gemacht, das van Gogh verfilmte - ehe er selbst 2004 Opfer einer Attentates wurde.

Und warum musste nun - according to Thomas Ross - Pim Fortuyn sterben, der große, schwule, glatzköpfige Rechtsausleger im Wahlkampf von 2002, die große Hoffnung aller, die sich gegen Überfremdung und Migranten und die violette Koalition von Ministerpräsident Wim Kok waren?

Thomas Ross zieht die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven auf: Alles beginn mit der jungen Anke Luyten, die 2001 aus dem Gefängnis entlassen wird, wo sie wegen ihrer Beteiligung an einer gewalttätigen Tierbefreiungsaktion gesessen. Anke war Tierschutz-Aktivistin, und hat ihren Freund Peter beim Prozess gedeckt - jetzt tauchten auf einmal die Schlapphüte des niederländischen Sicherheitsdienstes bei ihr auf und wollen, dass sie wieder Kontakt zu ihrem Ex-Lover aufnimmt, um ihn zu bespitzeln.
Denn aus abgehörten Telefonaten geht hervor, dass Peter an einer Aktion beteiligt ist, bei der "jemand" umgelegt werden soll.
Auf der anderen Seite der Geschichte haben Jim de Booy, den Fotografen, der Ankes Lebensweg schon einmal eher zufällig gekreuzt hat und der jetzt den Wahlkampf Pim Fortunys journalistisch begleitet und der am Ende in Hilversum einige Fotos schießen wird, die an der offiziellen These vom "Einzeltäter" zweifeln lassen..
Zwischen beiden - fiktionalen Strängen befindet sich schließlich das semi-dokumentarische Element des Romans, geschickt webt Thomas Ross das Leben von Fortuyn und auch seiner politischen Gegener in die Geschichte mit ein.

Um diese Abteilung in allen ihren Verflechtungen genau zu verstehen, sollte man erst einmal einen Blick in das kleine Glossar der politische Organistaionen und Personen  werfen, das der Übersetzer im Anhang verfasst hat.  Allerdings - wer sich ein bisschen mit deutscher Innenpolitik auskennt, wer wird in der Schilderung der Niederländischen Verhältnisse viel, allzuviel Grundsätzliches wiederfinden: Karrieristentum, Eitelkeiten, Taktiererei, Postenschieberei und Machtgier.
"Der Tod des Kandidaten" weist über die reine Aufarbeitung eines nationalen Themas hinaus - und so, wie Thomas Ross erzählt - direkt, lebendig, immer nah dran an seinen Personen, den echten und den erfundenen - wird damit aus dem Roman eine thriller-spannende Studie über die inneren Zusammenhänge von Macht und Politik.
(Reinhard Jahn WDR5 Mordsberatung)


Thomas Ross:
Der Tod des Kandidaten
Deutsch von Matthias Müller
320 Seuten
München: dtv, 2009

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