18.2.85

Medienreport - Der arme Poet

 

 

 

Sach-und Faktenstand 1985

NORDDEUTSCHER RUNDFUNK   
Medienredaktion         
Sdg.: So., 17. Februar 1985
15.05 - 15.30 Uhr

 NDR3

 

MEDIENREPORT

Aktuelle Informationen

"Der arme Poet"

Ein Überblick über die Arbeitsmöglichkeiten von Schriftstellern in der Bundesrepublik

Eine Sendung von Reinhard Jahn

Redaktion: Michael Wolf Thomas 
Produktion: Carlo Schultheis

Prod.=-Nr.: 043 321

Zur Verfügung gestellt vom NDR.
Dieses Manuskript ist urheberrschtlich geschützt

 

Sach-und Faktenstand 1985

Vorspann
"Der arme Poet" - Ein Überblick über die Arbeitsmöglichkeiten von Schriftstellern in der Bundesrepublik.
Eine Sendung von Reinhard Jahn.

Sprecher 1
Versuchen Sie einmal, meine Damen und Herren, sich einen Schriftsteller an seinem Arbeitsplatz vorzustellen. Beinahe automatisch wird sich zuerst einmal das Bild des 'armen Poeten' einsteilen, wie es Carl Spitzweg Ende des 19. Jahrhunderts malte: der Dichter in seiner Dachstube, hingekauert auf seinem Bett unter einem Regenschirm, Gänsefeder und Manuskriptblatt in der Hand. Überlagert wird die Vorstellung vom Dichter und Schriftsteller vielleicht von aktuelleren Bildern: Erfolgsautoren, die sich für Fernsehfeatures vor prallen Bücherwänden in der eindrucksvollen Wohnlandschaft des Eigenheimes präsentieren, hin und wieder ein Zwischenschnitt auf den Autor an seinem Schreibtisch, auf dem mittlerweile auch die neue Technik Einzug gehalten hat. Statt mit Gänsekiel und Stahlfeder schreibt der Autor anno 1985 mit der mechanischen oder elektrischen Maschine, bei technologiefreundlichen Vertretern der Branche hat sich schon der Personal-Computer mit Textverarbeitungsprogramm durchgesetzt.

Sprecher 2
Natürlich sind auch alle Schriftsteller, die wir kennen, sogenannte 'freie', das heißt sie und ihre Familie, so sie eine haben, leben von den Honoraren, die Verlage, Zeitungen, Zeitschriften und Rundfunkanstalten für die Wortprodukte zahlen. Der Autor - immer weniger bezeichnen sich als 'Schriftsteller' - ist Zulieferer einer Medienindustrie, die nicht nach künstlerisch-ästhetischen, sondern nach ökonomischen Prinzipien arbeitet, Der Autor betreibt, um einen Ausspruch Kurt Tucholskys abzuwandeln, eine 'kleine, mehr oder minder gut gehende Schriftstellerei’, er ist, wie es ein Zyniker einmal ausdrückte, nichts weiter als der "Wurmfortsatz der holzverarbeitenden Industrie”, die das Papier herstellt, auf dem seine Bücher gedruckt werden.
Cirka 30.000 Wortproduzenten gibt es schätzungsweise in der Bundesrepublik, eine Gruppe, die bei genauerer Betrachtung in viele, kaum voneinander abzugrenzende Teilbereiche zerfällt. Der gefeierte Lyriker gehört ebenso dazu wie der Gelegenheitsjournalist und Heimatdichter, unter den 30.000 sind mehrere hundert Schriftsteller,. die ‘Kriminal-, Liebes- und Science-Fiction-Romanhefte schreiben, andere verfassen Moderationen, Unterhaltungsszenen und Hörspiele für den Rundfunk, schreiben Film- und Fernsehdrehbücher, arbeiten auf dem sogenannten "grauen Markt" als Geisterschreiber, Gebrauchs- und Werbetexter.
Nicht zu vergessen sind auch die rund 15.000 Journalisten, die Tag für Tag Aktuelles, Informatives, Unterhaltendes und Kommentierendes bei Presse und Rundfunk vermitteln.
Damit sinkt die Zahl der künstlerisch-kreativen Autoren, also jener 'Schriftsteller' im engeren Sinn des Wortes auf neun- bis zehntausend Männer und Frauen, von denen wiederum ein großer Teil einen sogenannten 'Brotberuf'
hat. Das heißt: sie sind nicht darauf angewiesen, sich ihren gesamten Lebensunterhalt durch Schreiben zu verdienen.

Sprecher 1
"Schriftsteller" sind, wie Adorno es formulierte, "anachronistische Heimarbeiter", die einem hochindustrialisierten Medienapparat aus Verlagen, Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehanstalten, Filmproduktionen und anderen Kommunikationskanälen gegenübertreten, und spätestens hier, beim Verkauf der Ware Wort und dem Produkt 'Idee' endet die Vorstellung vom "freien Schriftsteller’ als finanziell und ökonomisch unabhängigen Geistesarbeiter.

(Schon 1971 stellten die Soziologin Karla, Fohrbeck und der Kommunikationswissenschaftler Andreas Wiesand in ihrem vom Spiegel in Auftrag gegebenen "Autorenreport' fest, dass die Mehrzahl der Autoren in wirtschaftlicher, finanzieller, beruflicher, inhaltlicher oder vertraglicher Abhängigkeit von den Verwertern ihrer Arbeiten stehen: wer einmal die Möglichkeit hat, eins der vergleichsweise hohen Fernseh- oder Rundfunkhonorare zu kassieren, wird sich überlegen, ob er seinen geplanten Stoff zuvor auf den weniger ergiebigen Buchmarkt wirft. Wer für die Regenbogenpresse stereotype Liebes- und Kriminalgeschichten schreibt oder wer Romanhefte produziert, hat sich nach festen inhaltlichen Vorgaben und präzisen Seitenangaben zu richten. )

Sprecher 2
Natürlich gibt es noch den Schriftsteller, der ein Jahr oder länger an einem großen Roman arbeitet oder in einem Gedichtband die Essenz eines halben Lebens zusammenstellt - nur kann er in der Regel ökonomisch davon nicht existieren, ist auf die regelmäßigen Lohn- oder Gehaltszahlungen seines Brotberufes angewiesen.
Will ein Autor vom Schreiben leben, muß er seinen ganz persönlichen Kompromiss mit der Medienindustrie schließen - nämlich inwieweit er sich in seinen Tätigkeiten diversifiziert, wieweit ‘er sich persönlich auf die unterschiedlichen Verwertungs- und Marktmechanismen mit ihren Abhängigkeiten einlassen will.

Sprecher 2
Als Manager seiner selbst sieht er sich vor dem Problem, seinen selbstgesetzten Qualitätsanspruch auf die finanziell erfolgreichste Art zu verwirklichen. Er muß sich mit dem Lektor oder Redakteur über einzelne Formulierungen streiten und mit dem Vertragsjuristen um Honorarprozente und Nebenrechtsbeteiligungen feilschen - eine Aufgabe, die Autoren in jüngster Zeit nur allzu gerne an Agenten und Vermittler abtreten, die ihrerseits wieder, ihre Provision vom Honorar abziehen.

Sprecher 1
Welche Arbeitsmöglichkeiten also gibt es für einen idealtypischen Schriftsteller, in welchen Marktbereichen kann er sich und seine Produkte anbieten?
Der klassische Arbeitsbereich für den Autor fiktionaler und schöngeistiger Texte sind die Printmedien, angefangen von Buchverlagen über Zeitungen und Zeitschriften bis hin zu den Heftromanfabriken mit ihren genormten Abenteuern und Romanzen. Daneben bieten auch die elektronischen Medien Hörfunk und Fernsehen zahlreiche Möglichkeiten zur Veröffentlichung. Teile seiner Arbeiten kann der Autor darüber hinaus auch noch in Öffentlichen Lesungen vortragen.
Die Arbeitsfelder Film und Fernsehen sind zwar wegen ihrer komplizierten Produktionsmechanismen nur schwer zugänglich, sind aber grundsätzlich auch ein Absatzmarkt für schriftstellerische Produkte. Im letzten Bereich, dem "grauen Markt', verkauft der Autor nur seine schreiberische oder schöpferische Kompetenz an einen Auftraggeber, ohne dabei als Urheber an die Öffentlichkeit zu treten. Wissenschaftlich oder journalistisch orientierten Textproduzenten stehen die gleichen Möglichkeiten offen - als Buchautor, Mitarbeiter bei Presse, Rundfunk und Fernsehen und als Zulieferer für den grauen Markt.

Sprecher  1
Um einen Stoff, eine Idee oder ein Konzept in Relation zur zu investierenden Ausarbeitungszeit möglichst gewinnbringend zu verwerten, sieht sich der Autor - überspitzt formuliert - zunächst einmal nicht so sehr mit inhaltlichen Problemen konfrontiert, sondern mit der Frage nach dem passenden Marketingkonzept. Seine handwerklichen Fähigkeiten als Schriftsteller, der Bekanntheitsgrad seines Namens, der künstlerische Anspruch seines Projektes und die formalen und inhaltlichen Zwänge der einzelnen Medien müssen mit den erwarteten und angebotenen Honoraren in eine vernünftige Relation gebracht werden,


Sprecher  2
Spätestens wenn der literarische Debütant seinen ersten Verlagsvertrag in der Hand hält, wird er erkennen müssen, dass er allein durch das Bücherschreiben nur schwer zum Auflagen- und Geldmillionär werden kann.
Mit einem gewöhnlichen Vertrag räumt der Autor zunächst einmal dem Verlag zeitlich und räumlich unbegrenzt alle Verbreitungs- und Nutzungsrechte an seinem Werk ein, - das heißt neben dem Recht, eine Buchausgabe zu veranstalten, erwirbt der Verlag auch die Rechte, Übersetzungen in andere Sprachen anfertigen zu lassen, den Titel an einen Taschenbuchverlag oder einen Buchklub weiterzuverkaufen, den Stoff für Rundfunk, Fernsehen oder Film bearbeiten zu lassen.
Dementsprechend stehen die Einkünfte aus solchen Nebenrechtsverwertungen nicht allein dem Autor zu, sondern werden zwischen Autor und Verlag nach einem festgelegten Prozentsatz geteilt.
Von der Buchausgabe werden in der Regel nur die verkauften Exemplare honoriert, die Berechnungsgrundlage für die Autorenprozente ist dabei der Warenwert des Buches, das heißt der Ladenverkaufspreis abzüglich der Mehrwertsteuer von derzeit sieben Prozent. Bei einer Hardcover-Ausgabe bekommt der Autor, je nach Größe des Verlages, der Höhe der Erstauflage und der Bekanntheit seines Namens zwischen zehn und fünfzehn Prozent pro verkauftem Exemplar.
Ist das Werk als Taschenbuch erschienen, muß er sich mit fünf his sieben Prozent zufriedengeben. Einige Verlage zahlen auch für jede Auflage ein zuvor vereinbartes Pauschalhonorar.

Sprecher 1
Einige, natürlich nicht repräsentative Beispiele machen die Relation zwischen dem Arbeitsaufwand und dem Erlös deutlich: ein Jugendroman, an dem ein Autor zwei Monate gearbeitet hat - Manuskriptumfang 180 Seiten - wurde mit acht Prozent des Warenwertes honoriert. Bei einem Verkaufspreis von 16,80 DM sind das rund 1,20 DM pro Exemplar. Aufgelegt wurden 5.000 Exemplare, was im Idealfall für den Autor 6.000 DM bedeutet. Davon hat er bereits 4.000 DM Vorschuss vom Verlag erhalten, in den nächsten beiden Jahren, in denen das Buch im Handel ist, kann er also allerhöchstens mit 2.000 DM rechnen. Ähnlich sieht es bei dem Autor einen Taschenbuch-Krimis aus: zwei bis drei Monate Arbeitszeit für ein 200-Seiten-Manuskript, sieben Prozent Honoraranteil bei einem Ladenpreis von 6,80 DM und einer Erstauflage von 10.000 Exemplaren bedeutet summa summarum 6.300 Mark Honorar. Günstiger wird die Rechnung erst bei einem sogenannten Bestseller, der mehrere Jahre hintereinander aufgelegt wurde und eine verkaufte Auflage von 50.000 Exemplaren erreichte. Bei einer Arbeitszeit von sechs bis sieben Monaten für ein 400-Seiten-Manuskript, einem Verkaufspreis von 39,80 DM und einem Honoraranteil von rund 10 Prozent erhält der Autor cirka 3,70 DM pro Buch, das sind runde 185.000 Mark, die dieser Titel für ihn einspielt - natürlich brutto und über mehrere Jahre verteilt.

Sprecher 1
Am unteren Ende der Skala stehen dagegen die Autoren von Romanheften: hier werden von den Verlagen für ein Manuskript mit dem genormten Umfang von cirka 120 Seiten zumeist nur pauschal und unabhängig von der Auflagenhöhe zwischen 1.000 und 1.500 Mark bezahlt, ohne dass der Verlagsvertrag dem Autor eine weitere Auswertung des Stoffes gestattet.

Sprecher 2
Im Arbeitsfeld Presse kann der Autor neben journalistischen Arbeiten wie Reportagen oder Berichten überwiegend nur Unterhaltendes in verschiedenen Niveaustufen unterbringen: Kurzgeschichten, Erzählungen, Satiren, Glossen und so weiter. Nachdem in den letzten Jahren immer mehr Tageszeitungen ihre für diese Formen reservierten Wochenendbeilagen zugunsten von Tiefdruck-Supplements mit einem anderen redaktionellen Konzept eingestellt haben und das Feuilleton in den meisten Blättern nur noch in Form von Kulturnachrichten stattfindet, ist die Tagespresse für einen Schriftsteller ein relativ uninteressanter Markt geworden. Die Honorare bewegen sich laut Tarifvertrag je nach Auflagenhöhe der Zeitung zwischen fünfzig Pfennigen und einer Mark pro Druckzeile. Betrachtet man dagegen den Zeitschriftenmarkt, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die Honorarsätze im umgekehrt proportionalen Verhältnis zum Niveau der Texte stehen. Neben Klatsch und Tratsch aus den Fürstenhäusern bringt die Regenbogenpresse Woche für Woche Krimis, Liebesgeschichten, Service-Reportagen aus den Bereichen Mode, Medizin und Reisen, Reportagen über Frauenschicksale und Verbrechen. Formate und Inhalte dieser Texte sind größtenteils standardisiert, im Idealfall werden sie von einem Autor nur noch nach den Richtlinien der Redaktion formuliert. Das gilt auch für die vorgeblich 'wahren' Frauenbekenntnisse, die sich in vielen Frauenzeitschriften und speziellen Bekenntnis-Magazinen finden.

Sprecher 1
Wiederum einige Beispiele: ein Bericht für eine große deutsche Tageszeitung - Arbeitszeit samt Recherche drei Tage - erscheint mit 150 Druckzeilen. Nach der bei der Tagespresse üblichen langen Wartezeit erhält der Autor ein Honorar von 170 DM. Eine Glosse in einer katholischen Wochenzeitung, 60 Druckzeilen lang, wird pauschal mit 100 Mark honoriert; eine Buchkritik in einem Gewerkschaftsblatt, von 60 Manuskriptzeilen auf 40 Druckzeilen heruntergekürzt, bringt 40 Mark.
Dagegen zahlt eines der klassischen Regenbogenblätter für eine Kriminalgeschichte von 6 Manuskriptseiten runde 1,000 Mark, eine Fernsehprogrammzeitschrift wirft für die gleichen Stories das doppelte aus.
Service-Texte, wahre Frauenbekenntnisse und ähnliche Beiträge bringen bei einem Manuskriptumfang von sechs bis zehn Seiten zwischen achthundert und eintausendfünfhundert Mark.
(Für einen Fortsetzungsroman von acht Folgen mit jeweils zehn bis zwölf Manuskriptseiten kann der Autor bei einem der größeren Blätter zwischen zehn und fünfzehntausend Mark einstreichen.)

Sprecher 2
Für Autoren, die sich nicht auf diese Art von Lohn- oder Auftragsschreiberei einlassen möchten, bieten die elektronischen Medien Hörfunk und Fernsehen mit ihren vergleichsweise hohen Honorarsätzen für journalistische, literarische und unterhaltende Beiträge eine Reihe von interessanten Arbeitsmöglichkeiten. Hörspiele, Fernsehspiele, Unterhaltungsszenen, Moderationen, kurze und lange Features zu kulturellen oder gesellschaftlichen Themen sind Formen, die in der Regel mit Texten freier Mitarbeiter bestritten werden.
Sie gehören zu den Programmsparten ‘kulturelles' oder 'unterhaltendes Wort’ und werden - je nach Größe und Finanzkraft der produzierenden Rundfunkanstalt - mit fünfzig bis einhundert Mark pro Minute honoriert, wobei die Gesamtsumme in der Regel zur Hälfte aus einem Ausarbeitungs- oder Manuskript-Honorar und einem Sendehonorar besteht. Das Ausarbeitungshonorar wird im allgemeinen bei Vertragsabschluß oder Manuskriptablieferung fällig, das Sendehonorar bei jeder Ausstrahlung, also auch bei Wiederholungen des Beitrages oder seiner Übernahme durch: eine : andere Rundfunkanstalt. Durch den in manchen Sparten hervorragend funktionierenden Programmaustausch zwischen den einzelnen Hörfunkanstalten der ARD kann ein Hörspiel- oder Unterhaltungsautor oft über mehrere Jahre hinweg Tantiemen für einen Beitrag kassieren.

Sprecher 1
Fernsehproduktionen sind der beliebteste, aber auch am schwierigsten zu erreichende Markt für Autoren. Zugänglich ist er nur durch das Nadelöhr der Fernsehspiel-Dramaturgien und Unterhaltungsabteilungen von ARD und ZDF und über die Produktionsabteilungen jener Film- und Fernsehfirmen, die als ständige Auftragsproduzenten für das Fernsehen Filme herstellen. Aufgrund der engen Verflechtung zwischen Kino- und Fernsehfilm durch das "Film- und Fernsehabkommen", das eine Finanzbeteiligung der Rundfunkanstalten an vielen deutschen Kinofilmen regelt, verwischen sich die Grenzen beider Bereiche in der Bundesrepublik immer mehr: zahlreiche Produktionsgesellschaften stellen [aufgrund des Film- und Fernsehabkommens] Spielfilme her, die nach ihrer Erstauswertung in den Kinos wegen der Beteiligung einer Rundfunkanstalt im Fernsehen als Fernsehspiel ausgestrahlt werden. ‘

Sprecher 2
Die für eine Realisierung eines Film- oder Fernsehprojektes notwendige Arbeitsteilung fordert vom Autor ein hohes Maß an Kooperationsbereitschaft und Zuverlässigkeit. In der Regel werden Stoffe hier schon vor der Ausarbeitung zum endgültigen Drehbuch aufgrund von Exposés und Treatments in Zusammenarbeit mit einem Dramaturgen und einem Regisseur konzipiert, gibt es bei Fernsehserien, an. denen mehrere Autoren mitarbeiten, feste formale und inhaltliche Rahmen und sind bei der endgültigen Realisierung auch noch spezielle künstlerische Vorstellungen des Regisseurs zu berücksichtigen.
Ähnliche Strukturen tauchen bei Unterhaltungsproduktionen für den Hörfunk auf, während hingegen die Arbeit im Bereich Hörspiel wegen ihres primär literarischen Charakters dem Autor eine größere Möglichkeit gibt, seine Vorstellungen zu realisieren.

Sprecher 1
Einige Honorarbeispiele: Ein literarisches Hörspiel - Manuskriptumfang 45 Seiten, was einer Sendelänge von cirka 50 Minuten entspricht, wird von einer großen ARD-Anstalt mit 5.000 Mark honoriert. Wird die Produktion wiederholt oder von einer anderen Anstalt übernommen, erhält der Autor jeweils ein Sendehonorar von 2.500 Mark. Ein kurzes Hörspiel von cirka 13 Minuten Länge bringt bei der Unterhaltungsabteilung eines anderen, kleineren Senders achthundert Mark, ein Feature wie das, das Sie gerade hören, wird mit eintausend bis eintausendzweihundert Mark bezahlt.
Ein Drehbuch für einen Film der TATORT-Serie im Deutschen Fernsehen - Arbeitszeit drei Monate, Manuskriptumfang 120 Seiten - wird mit vierzehn- bis achtzehntausend Mark bezahlt; eine TV-Vorabendserie mit zwölf Folgen mit 25 bis 30.000 Mark abgegolten. Drehbücher für Kinofilme werden entweder pauschal mit 15 bis 20.000 Mark honoriert oder eine prozentuale Beteiligung, von sieben bis zwölf Prozent am Netto-Einspiel und Rechteverkauf bezahlt.

Sprecher 2
Durch das Zusammenrücken der einzelnen Medien und ihrem Interesse an einer kalkulierbaren und ökonomisch befriedigenden Verwertung von Stoffen erschließen sich auch für den Autor eine Reihe von Möglichkeiten zur mehrfachen Verwertung seiner Arbeit Je nach Art seines abgeschlossenen Vertrages partizipiert er in der Regel zwischen 50 und 70 Prozent an den Einnahmen, die durch den Verkauf der sogenannten Nebenrechte seines Buches anfallen, ähnliche Regelungen gelten auch für den Fall, dass nach einem erfolgreichen Film oder einer Fernsehserie ein Buch veröffentlicht werden soll. Für eine konsequente und effektive Verwertung dieser Nebenrechte, die im Widerspruch zu ihrem Namen oft höhere Einnahmen garantieren als die klassischen Buch- und Verlagsrechte, braucht ein Autor neben einigem Verhandlungsgeschick auch fundierte juristische und kaufmännische Kenntnisse. In diesem Bereich der multimedialen Verwertung und Rechtesicherung treten in jüngster Zeit verstärkt Agenten und Urheberrechtsagenturen nach amerikanischem Vorbild als Makler zwischen Autoren und Medien auf. Für eine zehn bis fünfundzwanzigprozentige Beteiligung an allen Honoraren makeln derartige Agenten, deren Namen in kaum einem Buchimpressum oder Filmabspann auftauchen, einzelne Verwertungs- und Verbreitungsrechte, ganze Stoff- und Ideen-Pakete und übernehmen mitunter auch die Produktion von Buchtiteln im Auftrag eines Verlages.
(Der Autor als künstlerisch-kreativer Geistesarbeiter wird so im günstigsten Fall zum Markenartikel in einer Produktpalette, beziehungsweise auf der anderen Seite zum No-NameSchreiber, dessen einziges Kapital seine handwerkliche Verlässlichkeit und seine Terminsicherheit sind. )|


Sprecher  1
Lesungen und öffentliche Vorträge bieten besonders Autoren schöngeistiger Literatur mitunter eine solide Einnahmequelle. In Lesungen kann die Distanz zwischen dem Schriftsteller und seinem Publikum abgebaut werden, Vorträge in Schulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung tragen zur Förderung der Lese- und Bildungskultur bei. Entsprechend der Forderung des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS) in der IG Druck und Papier hat sich ein Lesungshonorar von 300 Mark für 60 oder 90 Minuten durchgesetzt. Organisiert ein Verlag zu Promotionszwecken die Lesereise eines Autors, werden möglicherweise auch schon einmal ein paar hundert Mark mehr pro Abend und Signierstunde gezahlt.


Sprecher  2
Im völligen Gegensatz zu den öffentlichen Auftritten ihrer schöngeistigen Kollegen legen die Zulieferer für den weitgefächerten 'grauen Markt' größten Wert darauf, dass ihre Namen nicht im Zusammenhang mit einem Text bekannt werden. Sei es, dass ein Journalist die Lebenserinnerungen eines Film- oder Bühnenstars als sogenannte "Autobiographie" zu Papier bringt oder ein promovierter Geisteswissenschaftler für drei bis fünftausend Mark eine Magister- oder Diplomarbeit verfasst - auf dem grauen Markt wird lediglich schreiberische und handwerkliche Kompetenz gehandelt. Werbeagenturen beschäftigen nebenbei Schriftsteller, die Texte für Festschriften, Vorträge und ähnliches liefern, Journalisten schreiben für Industrieunternehmen  PR-Artikel, immer mehr Landes- und Stadtpolitiker greifen bei ihren Festreden auf die Formulierungsfähigkeit ihrer Geisterschreiber zurück. Gültige Honorarsätze lassen sich wegen der Vielfalt der Möglichkeiten hier- natürlich - nicht nennen, außerdem spielen bei den finanziellen Vereinbarungen auch das Verhandlungsgeschick des Autors und die Zahlungsfähigkeit des Auftraggebers eine Rolle.

Sprecher 1
In allen diesen Arbeitsbereichen wird der angebliche 'freie' Schriftsteller mit Zwängen, Abhängigkeiten, formalen und inhaltlichen Bedingungen konfrontiert, 'Frei'
im Sinn des Wortes ist er also nicht, will er seinen Lebensunterhalt durch die Wortproduktion verdienen. Nur die Finanzämter behandeln ihn als 'Frei' - nämlich als freien Unternehmer, bei dem davon auszugehen ist, dass bei ihm außer einer Schreibmaschine, Papier und einigem Büromaterial keine weiteren Betriebskosten entstehen. Auch die wegen der Arbeitsmethode eines Autors auf- und abschnellende Einkommensentwicklung wird nicht berücksichtigt: Konnten nach einer längeren Durststrecke mehrere Arbeiten erfolgreich verkauft werden, kann es passieren, dass das Einkommen in die Progressionszone gerät und zur Hälfte weggesteuert wird. Bis zum Inkrafttreten des Künstlersozialversicherungsgesetzes am 1.1.1983 haben freie Schriftsteller darüber hinaus auch ohne soziale Absicherung gearbeitet: ohne Rentenversicherung, ohne Anspruch auf Arbeitslosen- oder Krankengeld. Obwohl die Beitragspflicht der Verwerter an der Pflichtversicherung im Moment noch von einigen Verlagen und Kunsthandelsunternehmen vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten wird, ist die Künstlersozialversicherung ein wichtiger Schritt in Richtung auf eine soziale Absicherung der freien künstlerischen Berufe.


Sprecher  2
Der Autor anno 1985 hat sich also in einer Vielzahl von Rollen auf dem Markt zu behaupten: als Künstler, als Jurist, als Kaufmann, als Selbstdarsteller, Steuerfachmann, Organisator und Manager seiner selbst. Zwei Extrempositionen deuten sich nach dem Überblick über die Arbeitsfelder, ihren Verdienstchancen und Verwertungsmechanismen an.

Sprecher 1
Er entwickelt seine Fähigkeiten in die Richtungen, in denen die höchsten Honorare winken und gibt deshalb möglicherweise einen großen Teil seiner künstlerischen Identität auf. Er strebt nach einer multimedialen Verwertung eines Stoffes, fügt sich den inhaltlichen Prämissen der entsprechenden Medien oder stellt in seiner Produktion Quantität vor Qualität. Er wird zum Textproduzenten, Gagschreiber, oder, wenn er Erfolg hat - zum Meer an:

Sprecher 2
Der idealtypische Gegenpart ist der Autor, der kaum Zugeständnisse an den Markt macht, der sich nur sich selbst und seiner Aussage verpflichtet fühlt. Er wird nicht umhinkommen, seinen Lebensstandard auf das absolute Minimum zu reduzieren und sich gegebenenfalls einen Brotberuf zu suchen, um weiter schreiben zu können. Mit einem geringen oder überhaupt keinem finanziellen Polster im Rücken stellt er neue Arbeiten fertig, die möglicherweise gut besprochen aber weniger gut verkauft werden. Es fällt leicht, ihn sich an Anlehnung an Carl Spitzwegs Bild vorzustellen:
in einer Dachkammer, an einem alten Schreibtisch vor einer klapperigen Schreibmaschine - der arme Poet anno 1985.

-Ende-

Sach-und Faktenstand 1985