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Mord nach Rezept - Band 4: Zwei Dutzend kleine Killer
Clevere Ganoven, eiskalte Killer. Gauner, die sich selbst im Weg stehen und Mörder, die bei ihren Plänen ein kleines, aber wichtiges Detail übersehen. Dazu smarte Kommissarinnen, knorrige Ermittler und smarte Detektive.Das alles und noch viel mehr präsentiert Krimi-Kenner H.P. Karr in zwei Dutzend cleverer Crime-Stories. Mord nach Rezept – Kurzkrimis von Könnern.
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Leseprobe:
03 Jacqueline Kowalczik: Am Abgrund
Die Gegend war einsam. Zuletzt waren sie vor einer Viertelstunde durch ein Dorf gekommen. Hier im Vogelsberg in Hessen konnte man lange unterwegs sein, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Die Landstraße schlängelte sich durch den winterlichen Wald. Bernd schaltete hektisch und beschleunigte.Er ist nervös!, überlegte Anne. Kein Wunder, schließlich will er mich umbringen. Er will mich zu Ellen fahren, und dann wollen die beiden mich betäuben, um mit mir einen Autounfall im Steinbruch bei Ebsdorfergrund zu arrangieren. Das lag nur wenige Kilometer hinter Wermertshausen, dem Ort, durch den sie vorhin gefahren waren.
»Es dauert nicht mehr lange«, sagte Bernd neben ihr. Seine Stimme klang rau. »Wir sind gleich da.«
Ja, wir werden gleich ankommen!, dachte Anne. Angeblich wollten sie hier im Vogelsberg ein Wochenende in einem Ferienhaus verbringen, das Freunden gehörte. Bernd hatte den ganzen Trip arrangiert und darauf bestanden, selbst zu fahren. So konnte er die Strecke durch das ausgedehnte Waldgebiet einschlagen, die bei Ellen vorbeiführte, ohne dass Anne Verdacht schöpfte.
Die Januarsonne brach durch die Baumwipfel. Es war kühl. vielleicht würde es bald schneien. Anne fröstelte, obwohl die Wagenheizung auf Hochtouren lief.
Bernd wusste nicht, dass sie seine Gespräche mit Ellen belauscht hatte. Er hatte ihr erzählt, dass er sich zweimal in der Woche in Gießen mit einigen Malerfreunden traf – in Wirklichkeit war er dann immer zu Ellen gefahren.
»Wir haben uns einfach nichts mehr zu sagen!«, hatte Bernd erklärt, als er mit Ellen zusammensaß. »Heute ist es für mich unvorstellbar, dass ich Anne einmal geliebt habe.«
»Warum trennst du dich dann nicht von ihr?«, fragte Ellen.
Einen Augenblick lang war Stille auf dem Band des Diktiergerätes gewesen, das das Gespräch aufgezeichnet hatte. Dann war wieder Bernds Stimme erklungen: »Nein. Anne hat sich so sehr in mein Leben gemischt, dass ich sie nicht einfach herausstreichen kann.«
»Rache«, sagte Ellen in die Stille hinein. »Ist es das, was du willst?«
Bernds Stimme war leise von dem Band gekommen, kaum zu verstehen: »Sie hat mich kaputtgemacht. Ihre Ratschläge waren in Wirklichkeit Vorschriften und ihre dauernde Fürsorge nichts anderes als Kontrolle. Wenn ich jemals wieder frei sein will, muss ich sie umbringen. Erst wenn sie tot ist, werde ich wieder richtig malen können.«
»Mag sein«, hatte Ellen erwidert. »Wann wirst du sie töten?«
»Bald«, erwiderte Bernd. »Du musst mir helfen. Wir betäuben sie und bringen sie zu dem Steinbruch bei Ebsdorfergrund. Ich werde sie mit dem Wagen hinunterstürzen.«
Anne hatte Bernds Beziehung zu Ellen von Anfang an aufmerksam beobachtet. Sie war nicht eifersüchtig auf Ellen, weil sie wusste, dass die dunkelhaarige, schlanke Frau Bernd sicher mehr helfen konnte als jeder andere. Ellen konnte zuhören, sich in Bernds Gedankenwelt hineinversetzen. Das hatte seine Bindung an sie noch verstärkt; er brauchte Selbstbestätigung, weil ihn seine dauernden Misserfolge als Maler deprimierten.
Anne hatte versucht, Bernd zu fördern, indem sie einen Galeristen in Frankfurt dazu überredete, seine Bilder auszustellen. Für eine Woche hatte Bernd wie in einem Rausch gelebt, dann war aus seinem Traum ein Alptraum geworden. Die Meinung der eingeladenen Kritiker war verheerend.
»Sie hassen mich!«, hatte Bernd mit gebrochener Stimme geflüstert, als er während der Vernissage mit Anne an der Sektbar stand.
Schweiß stand ihm auf der Stirn, er zitterte. Anne kannte diesen Zustand bei ihm – nur ein falsches Wort, und er würde einen hysterischen Anfall bekommen.
Doch da war plötzlich war Ellen zu ihnen getreten, hochgewachsen, dunkelhaarig, attraktiv. Eine Bekannte des Galeriebesitzers.
»Beruhigen Sie sich!«, hatte sie mit ihrer kehligen Stimme gesagt und Bernd dabei angesehen. »Ich gebe Ihnen etwas, das Ihnen hilft, sich zu entspannen.« Sie wandte sich an Anne und fuhr fort: »Ich bin Ärztin. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mich um Ihren Mann kümmere, oder?«
Ellen hatte ihm wirklich geholfen. Während der Ausstellung und auch während des ganzen folgenden Jahres.
Obwohl Bernd versuchte, seine Treffen mit Ellen geheimzuhalten, war Anne stets genau informiert. Sie hörte sich die Aufnahmen seiner Gespräche mit Ellen an und wurde so Ohrenzeugin, wie in ihm der Plan reifte, sie zu töten.
»Ich glaube, mit dem Kühlwasser stimmt etwas nicht«, sagte Bernd plötzlich. Anne zuckte zusammen, obwohl sie gewusst hatte, dass er das sagen würde. »Besser, wir schauen, dass wir eine Gelegenheit finden, es aufzufüllen.«
»Ja«, sagte Anne. Sie spielte mit.
Bernd fuhr rechts in einen Privatweg. Nach ungefähr hundert Metern passierten sie ein Steinportal, hinter dem ein weitläufiger Park begann. Die Straße führte weiter zu einer prächtigen Jugendstilvilla.
Auf der Freitreppe stand Ellen. Bernd stellte den Motor ab und stieg aus.
»Hier ist sie!«, sagte er zu Ellen. Sein Lächeln war verzerrt, während er auf Anne deutete. »Wir müssen sie töten, damit ich endlich wieder meine eigenen Bilder malen kann.«
Anne trat zu Dr. Ellen Lagarde, der Leiterin des Privatsanatoriums »Waldesruh«. Ellen legte beruhigend ihre Hand auf Annes Schulter.
»Es ist das Beste für Ihren Mann«, sagte sie. »Er ist hochgradig schizophren. Sie haben selbst die Aufnahmen meiner Gespräche mit ihm gehört. Er hat nicht einmal wahrgenommen, dass er zu therapeutischen Sitzungen bei mir war. Und als er den Plan fasste, Sie umzubringen, Anne, hat er die Grenze endgültig überschritten.«
Zwei Männer waren aus dem Haus gekommen und hatten Bernd in die Mitte genommen. Ellen zog Anne ins Foyer des Sanatoriums und reichte ihr einige Papiere. »Die Einweisung und der Antrag, dass Sie seine Betreuerin werden. Bitte unterschreiben Sie, Anne.«
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04 Ralph Petersen: Angst ist kein Alibi
Beckrath fuhr hoch. War da ein Geräusch gewesen? Es war halb drei nachts. Er lauschte. Nichts. Oder war da doch ein leises Schaben? Er schlüpfte in seinen Morgenmantel. Ein Einbrecher? An der Schlafzimmertür zögerte er. Besser, er ging kein Risiko ein. Er schlich zum Bett zurück, nahm das Handy vom Nachttisch und wählte den Notruf.
»Sie, Frau Kommissarin?«, fragte er erstaunt, als er zehn Minuten später einer sportlichen, brünetten Frau die Tür öffnete. Zwei Uniformierte waren bei ihr.
»Ich habe heute Nacht Dienst in der Kriminalbereitschaft«, sagte Kommissarin Katja Kampp. Sie trat ein und blickte sich um. »Das ist doch Raimund Webers Haus gewesen, ja?«
»Ja«, sagte Beckrath. »Ich habe es übernommen, nachdem Weber … gestorben ist.«
»Richtig, jetzt erinnere ich mich«, sagte die Kommissarin. »Der Mordfall Weber. Weber wurde erschossen im Stadtpark gefunden. Bei den Ermittlungen haben wir uns kennen gelernt, nicht wahr? Der Täter ist immer noch auf freiem Fuß! Glauben Sie, dass dieser Einbruch bei Ihnen etwas mit seinem Tod zu tun hat?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Beckrath.
Die Streifenbeamten hatten sich unterdessen im Haus umgesehen. »Nichts, Frau Kommissarin!«, meldete der Streifenführer.
»Sie haben sich wohl getäuscht, Herr Beckrath«, meinte Katja Kampp leichthin. »Dann noch eine gute Nacht!««
Beckrath saß im dunklen Wohnzimmer. Dass jetzt ausgerechnet die Kommissarin aufgetaucht war, die damals die Ermittlungen im Mordfall Weber geführt hatte – war das nur Zufall?
Sie hatte ihm seinerzeit nichts nachweisen können. Wie auch – bei dem Mord an Weber hatte ihn niemand beobachtet. Daraus, dass er als Webers Kompagnon nach dessen Tod die Geschäftsanteile und auch sein Haus erbte, konnte man ihm keinen Strick drehen.
In der Küche klapperte etwas. Beckrath zuckte zusammen. Er spürte, wie die Angst wieder in ihm hochkroch. Da war doch jemand! Leise erhob er sich und huschte in den Keller. Die Pistole lag versteckt hinter einem losen Stein in der Kellerwand, gleich neben dem Weinregal. Das kühle Metall der Waffe in der Hand beruhigte ihn. Er schlich wieder nach oben. Im Wohnzimmer wehte die Gardine vor der Terrassentür herein. Hatte er die Tür nicht abgeschlossen? Beckrath richtete die Pistole auf die Terrassentür. »Kommen Sie raus!«
Eine Gestalt löste sich aus dem Dunkel. »Ich hoffe, ich habe Sie nicht erschreckt!«, sagte Kommissarin Katja Kampp. Sie hatte die beiden Streifenbeamten im Schlepptau. Die Pistole zerrte plötzlich wie ein Tonnengewicht an Beckraths Hand. Katja Kampp nahm ihm die Waffe ab. »Mit einer solchen Waffe wurde Weber erschossen.« Sie musterte sie genau. »Oder war es etwa genau diese Waffe, Herr Beckrath? Was, meinen Sie, werden unsere Ballistikexperten herausfinden, wenn sie die Geschossspuren mit denen an der Kugel vergleichen, die Ihren Kompagnon Weber tötete?«
Aus!, schoss es Beckrath durch den Kopf. »Sie haben mich reingelegt!«, presste er hervor. »Sie haben hier vorhin Geräusche gemacht, damit ich denken sollte …«
»Aber, aber!«, sagte Katja Kampp und zog ihre Handschellen heraus. »Ich bin mit den Kollegen hier nur noch mal ums Haus gegangen, um mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist – und dabei haben wir entdeckt, dass die Terrassentür offen stand!«
»Genau, Chefin!«, erklärte der Streifenführer. »Wir wollten Herrn Beckrath nur noch schnell sagen, dass er ordentlich abschließen soll.«
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