Die Miete im Keller
Von Meike DopplerMarion Brenner mischte gerade den Salat, als ihr Mann aus dem Garten kam. »Wir bekommen Besuch!«
Durch Küchenfenster sahen sie den Streifenwagen der Waldroder Polizei vorm Haus stoppen.
»Hallo, Sheriff!«, begrüßte Walter den Ortspolizisten Bruno Kempkes. »Marion kocht gerade. Willst du mit uns essen?«
»Ich bin dienstlich hier!«, erklärte Kempkes. »Der Fall Schering - ihr habt davon gehört?«
»Wer hat das nicht!«, sagte Walter. Fred Schering, Viehbaron der Region, war seit drei Tagen verschwunden. Die letzte Spur von ihm war sein zerbeulter Luxuswagen im Straßengraben der Ortsumfahrt Waldrode.
»Heute morgen ist eine Lösegeldforderung eingegangen«, sagte der Polizist. »Die Kidnapper haben sich an den Geschäftsführer seines Mastbetriebes gewandt. Eine halbe Million Euro. Kleine Scheine, und so weiter. Übergabe soll heute Abend in Birkengrund sein. Das liegt ja gleich bei euch nebenan. Deshalb wollte ich fragen, ob ihr etwas Auffälliges bemerkt habt.«
»Haben wir?« Marion sah Walter an.
»Haben wir nicht«, sagte Walter. »Der Birkengrund und alles drumherum gehört Schering. Auch unser Haus. Womöglich kennen sich die Kidnapper hier aus.«
Marion gab Dressing über den Salat. »Wollt ihr den Kidnappern bei der Geldübergabe eine Falle stellen?«
Polizeihauptmeister Kempkes schnaufte verächtlich. »Das haben uns die Superbullen vom LKA verboten, die wir einschalten mussten. Damit würden wir angeblich Scherings Leben gefährden.«
»Also keine Falle?«
»Leider nicht«, sagte Kempkes und tippte sich an die Dienstmütze. »Ich muss weiter. Guten Appetit noch!«
Marion und Walter warteten, bis Kempkes mit seinem Polizeiwagen in Richtung Birkengrund fortgefahren war. »Ob er etwas bemerkt hat?«, fragte Marion.
»Was soll er bemerkt haben?« Walter legte seinen Arm um ihre Schulter. »Er wollte nur sein Herz ausschütten, weil diese LKA-Leute ihm den Fall abgenommen haben.«
»So haben wir allerdings erfahren, dass es bei der Geldübergabe keine Falle geben wird!« Marion musste lächeln. »Wenn der gute Kempkes wüsste, wie sehr er uns mit diesem Tipp geholfen hat. Morgen sind wir um eine halbe Million Euro reicher!«
Walter Brenner hatte den Viehbaron vor drei Tagen im Morgengrauen stockbetrunken und schlafend in seinem verunglückten Luxuswagen gefunden, ihm kurzerhand einen Jutebeutel über den Kopf gestülpt und ihn mitgenommen. Seitdem hockte Schering unten im Keller. »Mit der halben Million können wir unsere Mietrückstände für das Haus bei ihm bezahlen«, sagte Marion zufrieden. »Und vielleicht reicht der Rest dann noch, um ihm später das Haus hier abzukaufen.«
Titel: Die Miete im Keller
Autor: Meike Doppler
© beim Autor/Jahn facts&fiction
Veröffentlicht in: Badische Neueste Nachrichten,
Ausgabe 14/2017 vom 8.4.2017