Leben in Berlin - Neues von K.
K. lebt in Berlin - in einem anderen Berlin, als wir es aus dem Fremdenverkehrsprospekten kennen. K. lebt in Berlin der besetzten Häuser, der Demos, der endlosen Besetzerversammlungen. Seine alltäglichen Erlebnisse, Gedanken, Bewegungen, die Motorik von Gewalt und Gegengewalt in der besetzten Stadt und den besetzten Häusern schildert Michael Wildenhains Roman »zum Beispiel K.« mit einer Dichte und Eindringlichkeit, wie sie nur aus einer unmittelbaren Betroffenheit entstehen kann. Die Angaben zum Autor am Schluß des schmalen Bändchens aus dem Berliner Rotbuch-Verlag geben nur knappe Hinweise auf die Personenidentität von K. und seinem Schöpfer Wildenhain: »geboren 1958 in Berlin, lebte in einem besetzten Haus, studiert Philosophie«.
K. wird herumgeworfen in Berlin: von der Fabrik, in der er in den Semesterferien jobbt zur Universität, dann zu den Gruppen, den AG's und den lockeren Vereinigungen, die ständig um die Revolution und für sie kämpfen aber nicht so recht voran kommen.Gemeinsam mit anderen besetzt K. ein Haus, nimmt er an den Demos teil, flippt herum, ziellos, sinnlos, getrieben von nicht erreichbaren theoretischen Ansprüchen, immer wieder scheiternd an der Realität, an diesem Berlin, das in Wildenhains Schilderung nicht ungewollt die aktualisierte Version von Kafkas 'Schloß' oder seines Gerichts aus dem Roman 'Der Prozeß' ist. Ebenso gewollt ist auch die Verkürzung des Protagonisten zum Kürzel K. - zur Chiffre der Identitätslosigkeit des allgemeinen. Auch wenn die direkten Anlehnungen an Kafka dem Roman mehr schaden als nützen, auch wenn immer wieder idealisierende Momente den dreckigen Hausbesetzeralltag überhöhen sollen, ist 'zum Beispiel K.' ein faszinierendes, lebensnahes und realistisches Buch.
Man sollte die Geschichte des Hausbesetzers K. der langsam an der nie enden wollenden und sich ständig perpetuuierenden Motorik von Aktion und Reaktion, von Gewalt und Gegengewalt, von Räumung und Demonstration, von Diskussion und Aktion zerbricht nicht vorschnell mit bürgerlicher liberalität 'als 'Roman aus der Szene für die Szene' abqualifizieren. Denn das hieße, K.'s Suche nach einem Sinn und einer Lebensberechtigung zur exotenhaften Albernheit zu degradieren. Und das ist sie wirklich nicht. H.P. Karr
Michael Wildenhain: zum Beispiel K., Rotbuch Verlag,
Stadtrevue Villingen-Schwenningen 11/1983
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