3.7.11

Christoph Scholder :
Oktoberfest

Schock und Schrecken auf der Wiesn

Ja, wen haben wir denn das, fragt überrascht der Bundekanzler am Ende. Einen deutschen James Bond? Und unser Held darauf: "Ich bin Härter." Oder genauer: "Wolfgang Härter."
Hart, nein Härter ist das Romandebüt von Christoph Scholder, von Haus aus Wissenschaftler, aber seit "Oktoberfest" auf dem Bier- pardon: Buchhandlungtischen liegt, die große Hoffnung des deutschen Thrillers. Ein perfekter Pageturner, ein Runterreißer erster Güte. Fangen Sie dieses Buch nicht nach zehn Uhr abends an - sonst enden Sie erst gegen vier in der Nacht auf der letzten Seite. Einen besseren Leserausch kriegen Sie für den Preis vom umgerechnet zwei Wiesn-Maß derzeit wirklich nicht!

Denn "Oktoberfest" ist perfekt getimte Unterhaltung, punktgenau zurm Start des aktuellen Bayern-Woodstock auf den Markt gebracht. So lesen wir also, wie am zweiten Wiesn-Sonntag das Grauen beginnt - zweitausend Menschen sterben, 70000 werden als Geiseln genommen, eine zu allem entschlossene Kommandoeinheit abtrünniger russischer Speznaz droht damit, ganze Bierzelt-Besatzungen zu massakrieren. Kein besonders originelles Bedrohungsszenarium, seit Thomas Harris in "Schwarzer Sonntag" einen von Palästinensern gekidnappten Werbezeppelin auf den Superbowl stürzen lassen wollte oder Collins und Lapierre, im "Fünften Reiter" behaupteten, Gaddafi habe einen Wasserstoffbombe in New York abgestellt. Natürlich ist die Wiesn, sind in München, Bayern, Berlin alle gelähmt vor Schock und Schrecken.
Aber keine Sorge.
Rettung naht.

Auftritt Wolfgang Härter. Vergessen Sie James Bond, vergessen Sie Jason Bourne, vergessen Sie alle Tom-Clancy Helden. Wolfgang ist Härter. Er kann schwimmen, schlagen, schießen, tarnen, täuschen, töten, er ist von der Sorte Kerl, die mit smarten onelinern und gebrüllten Befehlen kommuniziert und mit einem kantigen Kinn ausreichend charakterisiert ist.

Wo Härter eingreift, wächst auf der Wiesn kein Grashalm mehr, aber dafür um so mehr das Vertrauen der kleinen Leute in ihn, all der Polizisten und Sidekicks, die wir aus anderen action-Geschichten kennen - angefangen vom genialen Computer-Tüftler, der im letzten Moment den richtigen Code zusammenfummelt bis hin zum knorrigen Gebirgsjäger-General, der mit seinen Leuten mal halb München besetzt, um seinem Spezi Härter den Rücken freizuhalten.
Damit ist die Perspektive der Story fokussiert und man wundert sich nicht mehr darüber, dass alle Funktionsträger vom Bundeskanzler bis zum Münchner OB nicht mal eigene Namen spendiert bekommen. Denn ausrichten können sie eh nichts - das kann nur der Härter-Wolfgang mit dem kantigen Kiinn und den blauen Augen. Und er macht seine Sache gut - er schwimmt und kämpft und fliegt und schlägt und denkt und handelt, als gäbe es kein Morgen mehr. Bis er den letzten Eliteterroristen in den showdown geschickt hat.

"Oktoberfest" ist Entertainment - man darf Christoph Scholders hardcore-Schocker über die Bedrohung des Oktoberfestes deshalb keinesfalls mit Ulrich Chaussys brillanter Reportage "Oktoberfest" über das Attentat von 1980 oder Wolfgang Schorlaus verschwörerisch umwölkten Krimi "Das München-Komplott" über dasselbe Thema in eine Reihe zu stellen. Scholders Debüt ist ein Testosteron-gedopter und mit Eimern von Kino-Popcorn überstreuter Terror-Thriller, der nur deshalb streckenweise so absurd wirkt, weil das alles quasi vor unserer Haustür spielen soll.

Autor: Reinhard Jahn

Christoph Scholder :
Oktoberfest
Droemer