Das wichtigste zuerst:
Was ist eigentlich ein Politthriller?
Abgeleitet von der Definition, die Wikipedia für den Politthriller im Kino findet, kann man sagen:
Zitat:
Der Politthriller unterscheidet sich vom klassischen Thriller dadurch, dass sich die Handlung der Geschichte mit Verwicklungen auf staatlicher Ebene, mit terroristischen Anschlägen, Spionage oder kriminellen Machenschaften staatlicher Institutionen oder deren Vertretern beschäftigt. Dies geschieht durch Einarbeitung von fiktiven politischen Ereignissen, die in existierenden oder fiktiven Ländern stattfinden. Die dargestellten Ereignisse nehmen mitunter Bezug auf reale politische Ereignisse der Vergangenheit.
https://de.wikipedia.org/wiki/Thriller#Politthriller
Halten wir fest:
1. Verwicklung auf staatlicher Ebene
2. Einbeziehung eines politischen Umfelds in die Handlungsentwicklung
3. gegebenenfalls Einbeziehung von terroristischen Elementen
4. gegebenenfalls Einbeziehung von Spionage-Elementen und Agenten
5. Verwendung realer, bzw fiktionalisierter politischer Hintergründe
Zur Beschreibung, was ein Polit-Thriller (jenseits des "Kriminalromans") erzählt, ein Zitat von Eric Ambler (1909 – 1998) , dem Godfather des modernen Polit-Thrillers ("Die Maske des Dimitrios", 1939):
»Bei einem Mordanschlag ist es für mich nicht das Allerwichtigste, zu wissen, wer den Schuss abgegeben hat, sondern wer die Kugel bezahlt hat«
Dahinter steht der Gedanke der "strukturellen Gewalt", bzw des "institutionalisierten Verbrechens", der davon ausgeht, dass in komplexen Organisationen wie Staaten, Konzernen oder Geheimdiensten ein eigenes, vom allgemeinen Konsens abgekoppeltes Rechts- und Unrechtsempfinden herausgebildet wird, bzw Handlungen zum Systemerhalt und Machterweiterung durchgeführt werden, die sich jenseits allgemeiner moralischer Grundsätze bewegen.
Ein Politthriller erzählt dabei nicht notwendigerweise davon, wie solche Entwicklungen enthüllt und bestraft werden, sondern durchaus auch davon, wie das Individuum an der der Aufdeckung scheitert, bzw das Individuum am Ende seine eigene Machtlosigkeit erkennen muss.
Der Polit-Thriller als Kind des Kalten Krieges:
Rund um den James Bond-Zyklus von Ian Fleming, bzw der "Circus"-Welt von John le Carré entstand in den fünfziger Jahren eine blühende Szene von Romanen, in denen die verdeckten Operationen der westlichen Geheimdienste gegen die verdeckten Operationen der östlichen Geheimdienste (das KGB) erzählt wurden.
-Politischer Hintergrund war das "Gleichgewicht des Schreckens" und dessen atomare Bedrohung.
-Die Helden des Kalter-Kriegs-Thrillers sind Männer, mit einem großen M. Oft mit militärischer Vergangenheit (Commander James Bond). Oder aus der Verwaltung des Inneren à George Smiley.
Der Polit-Thriller als Sammelbecken der Verschwörungs-Theoretiker
Mit dem Ende des Kalten Krieges ende der siebziger Jahre rückten "innenpolitische" Themen ins Zentrum des Polit-Thrillers: verdeckte Aktionen staatlicher Einrichtungen, strukturelle Gewalt, Geheimbündelei. Es geht unter anderem um
-ein gescheitertes Attentat auf Charles de Gaulle ("Der Schakal" von Frederick Forsythe)
-die endlosen Spekulationen über die Hintergründe des Attentates auf John F. Kennedy
-ein gescheitertes libysches Atom-Attentat auf New York ("Der fünfte Reiter" von Collins/Lapierre)
-die Korruption und der Zerfall des sowjetischen System ("Gorky-Park") erzählt von einem US-Autor
Nebenzweig: Polit-Thriller als Sammelbecken für Nazi-Folkore
Zyklisch gibt es Wellen von Romanen, in denen es um "geheime Pläne", "geheime Forschungen", "bisher unbekannte Tatsachen" aus der Zeit des Dritten Reiches und besonders der zweiten Weltkrieges geht, die die Grundlage oder Ursache für eine heutige Thriller-Geschichte bilden.
Es geht um
-Geheimwaffen
-Das Bernstein-Zimmer / Beutekunst
-geheime Nazi-Kolonien und Pläne zur Errichtung eines Vierten Reiches.
FAZIT: Das sind in der Regel keine echten Politthriller, sondern spekulative Action-Romane
Aktuelle Polit-Thriller
In den aktuellen Politthrillern werden einerseits die Spionage- und Geheimdienstgeschichten weitergeführt, die im Kalten Krieg Konjunktur hatten. Das Feindbild (bzw die "Gegenspieler") derzeit: religiöse Extremisten ("Islam"), aber auch nationale Extremisten (Ukraine).
Autoren: Olen Steinhauer, Stella Rimington (Ex-MI5-Chefin) , Greg Rucka
Sobald terroristische, also politische motivierte Verbrechen eine Rolle spielen, kann auch aus einem "normalen" Kriminalroman ein Polit-Thriller werden – prägend hier "Die Brandmauer" von Henning Mankell, in dem es darum geht, wie Kommissar Wallander aus Ystad ein komplexes cyberterroristisches Anschlagsszenario auf das Weltfinanzsystem aufdeckt.
Andererseits sind nicht alle Romane, in denen sich die Handlung im politischen Raum entwickelt, Politthriller – Geschichten von geplanten und gescheiterten Attentaten auf den US-Präsidenten etwa (im Film; "Air Force One", "White House down") sind nicht anderes als im Washington oder der Nähe des Präsidenten angsiedelte Action-Stories.
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