Neue Frauen mischen den Revierkrimi auf
Von Reinhard JahnKennt noch jemand Zora Zobel? Die schrille Anarcho-Braut, die Mitte der Achtziger nicht nur die Krimi-Szene in Bochum und im Revier aufmischte? Unkonventionell, feministisch und mit Dialogen, die auf den Punkt geschrieben waren von ihrer Autorin Corinna Kawaters.
Sie war Mitte der Achtziger die die Urmutter des flapsigen Zeitgeist-Krimis und ist - wahrscheinlich unbekannter Weise - die Patin von Lucie Klassen und dem Team Minck & Minck, die mit ihren neuen Bochumer Krimiheldinnen jetzt die Szene aufmischen.
Auftritt Lucie Klassen: Kaum ein Krimi-Debüt ist in der letzten Zeit mit soviel Lorbeeren überhäuft worden wie "Der 13. Brief" der Physiotherapeutin aus Bad Pyrmont. Sie lässt ihre gerade mal 20 gewordene Heldin Lila Ziegler aus dem Intercity, der sie eigentlich zum Jurastudium nach Bielefeld bringen soll, in Bochum aus dem Zug in direkt mitten ins Bermuda-Dreieck und ein Krimi-Abenteuer stolpern, das erfrischend spritzig daherkommt. Denn, gerade dem Gymnasium entronnen, findet sich Lila plötzlich aus eigenem Entschluss als undervocer-Assistentin des Privatdetektivs Ben Danner dann doch plötzlich auf der Schulbank wieder. Was, das soll Danner für einen Freund ermitteln, steckt hinter dem mysteriösen Tod der 16jährigen Schülerin Eva? Und wie ist die Teenie-Clique, in die sich Lila einschleicht, in die Sache verwickelt?
Der Ansatz erinnert an die US-Serie "Veronica Mars", die Story wird hier wie dort auf einem ebenso lockerem wie hohem Niveau erzählt. Lucie Klassen steigt mit ihren brillanten Alltagsdialogen und den schönen kleinen Szenen aus dem Teenager-Leben sofort in die Bundesliga des deutschen Krimis ein: ihr Debüt hat Klasse.
Ihren Erstling haben die Krimi-Damen Edda und Lotte Minck aus Bochum schon vor einem Jahr mit "totgepflegt" abgeliefert - jetzt folgt "abgemurkst - Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben".
Diese Maggie Abendroth ist eine Miss Marple auf Speed - eine "abgestürzte Medienfuzzi-Liesel aus Köln", die jetzt in Bochum gestrandet ist, wo sie bei Oma Berti als Verkaufshilfe "anner Bude" aushelfen muss.
Ganz wie die klassische Zora Zobel hat Maggie vor nichts und niemandem Respekt, aber zu allem einen ätzenden Kommentar auf der Lippe. Drei Kerle müssen in dieser rasanten Krimi-Comedy zwischen Bochum-Stiepel und Bergbau-Museum daran glauben, ehe Maggie-Dampf-in-allen-Gassen die Sache in einem schrill parodierten Hollywood-Showdown alles zu einem guten Ende bringt. Damit setzen die Fernsehprofis Minck & Minck, genau wie Lucie Klassens Erstling, einen erfrischend neuen Akzent, der den Ruhrgebietskrimi endlich aus seinem sozialromantischen Tiefschlaf reißt.
Lucie Klassen:
Der 13. Brief
grafit
Minck&Minck:
abgemurkst
Droste
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