19.9.08

Krimis und Bücher - Bücher in Kriminalromanen

Dass Bücher tödlich sein können, wissen wir spätestens seit "Der Name der Rose" (1980) von Umberto Eco , ein internationaler Bestseller. Die ganze Geschichte des mittelalterlichen Mönches William von Baskerville ist ein "Buch im Buch", so die Fiktion des "Herausgebers", der angeblich 1968 ein 1842 erschienenes Buch in die Hände bekommt, das wiederum eine Übertragung einer Handschrift aus dem 14. Jahrhundert ist: eben jene Erzählung von William von Baskervilles Gefährten Adson von Melk, dem literarischen "Watson" der Sherlock-Homes-Figur Williams.

Adson und William

Erzählt wird die Geschichte von sieben Tagen, die Adson und William im November 1327 in einer Cluniazenserabtei im Appenin verbringen, und je weiter die Geschichte mit geheimnsvollen Todesfällen unter den Mönchen voranschreitet, desto deutlicher wird, dass die Klosterbibliothek im Mittelpunkt des Geheimnisses steht, und zwar ein geheimer Bereich dort, der "Finis Africia" genannt wird. Und ein Buch ist die Mordwaffe, ein Buch, dessen Seiten der Urheber der Morde mit einem Gift präpariert hat, das jeder Leser zu sich nahm, wenn er mit angefeuchtetem Finger die Seiten umblätterte. Und ein Buch ist das Motiv, der Anlass aller Morde: die - verschollene oder nie geschriebene - Poetik der Komödie des Aristoteles. Und die Bibliothek nimmt ihr Geheimnis mit, als sie im großen Finale des Romanes niederbrennt.

Der Dante Club

Ein geheimnisvolles Buch auch als Thema in "Der Dante Club" von Matthew Pearl (2003), der seine Geschichte rund um Dantes "Göttlicher Komödie" entwickelt. Schauplatz ist Boston in der Mitte des 19. Jahrhunderts, vorwiegend das intellektuelle und akademische Boston. Aufgeschreckt wird die Gesellschaft durch brutale Morde an einem Richter, einem Pastor und einem Aufsichtsrats des Harvard-Universität. Und es bedarf schon eines literarisch versierten Polizisten, um auf die Spur des "Dante-Clubs" der Universität zu kommen.
Dantes Text über die "Hölle" aus der "Göttlichen Komödie" als Vorbild für die Methode der Morde - die "Göttliche Komödie, die gerade von Henry Wadsworth Longfellow übersetzt wird. Seine Texte diskutiert der Dichter in eben jenem "Dante Club" mit seinen Dichterfreunden und seinem Verleger. Aber was hat der Dante Club wirklich mit den Morden zu tun? Können die Dichter und Akademiker die Taten aufklären - und weitere verhindern, weil sie Dantes Text genauer und besser zu deuten wissen als der Polizist?
Die Geschichte der ersten vollständigen Übersetzung des "Göttlichen Komödie" in den USA wird verwoben mit einem prallen Gesellschaftsdrama aus den USA in der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Wo bei Umberto Eco und Matthew Pearl die Literatur und das Buch noch Gegenstand und Auslöser der Kriminalgeschichte ist, da tritt bei Manuel Vasquez Montalban der Betrieb ums Buch in den Mittelpunkt des Krimis: "Undercover in Madrid" ist die mit ätzendem Sarkusmus erzählte Geschichte der Triebe und Umtriebe der (spanischen) Literaturszene.
Ein Literaturpreis von ungeheuerer Höhe ist gestiftet worden und zur Preisverleihung finden sich alle, die in Frage kommen oder irgednwie beteiligt sind, in einem Madrider Nobelhotel zusammne. Niemand weiß, wer der Preisträger sein wird - und natürlich weiß auch niemand, wer der Mörder ist, dessen Tat bald aufzuklären ist. Der Fall für Montalbans Schnüffler Pepe Carvalho zeichnet ein bitterböses Bild der Literaturszene mit ihren Hofschranzen und Geschäftemachern, den selbsterklärten Literaturliebhabern und den verschwurbelten Leidenschaften die sie pflegen.

Der Tod eines Kritikers

Natürlich kann man auch Martin Walsers Abrechnung "Tod eines Kritikers" als Kriminalroman aus der Literaturszene lesen - oder auch nicht. Der Schriftsteller Hans Lach sieht sich nach einer schrillen Literaturfete im Haus seines Verlegers auf einmal unter Verbrechens-Verdacht: er soll etwas mit dem Verschwinden - und möglicherweise dem Tod? - eines Großkritikers zu tun habe, mit dem er zuletzt auf der Fete zusammengetroffen ist. Was Hans Lach dann in eigener Sache in Gesprächen mit allen Beteiligten ermittelt, trägt zwar formal Züge eines Kriminalromans, aber es ist doch in Wirklichkeit ein Stück Literatur-Literatur, in dem ein Autor seine obsessive Fixierung auf die Literaturkritik und einen bestimmten Kritiker abarbeitet.

Das Plagiat

Nicht ganz so ätzend wie bei Vasquez Montalban und nicht so besessen wie bei Martin Walser geht es dagegen in "Das Plagiat" von Rex Stout zu. Das ist ein ein "richtiger" Krimi - Nero Wolfe, schwergewichtiger Meisterdetektiv in New York und ständiger Sparringspartner seines Sekretärs und Mannes für alle Fälle Archie Goodwin wird von einem Autoren- und Verlegerkommittee zur Aufklärung eines literarischen Verbrechens engagiert: In den vergangenen Jahren tauchten insgesamt vier Mal stets kurz nachdem ein Autor einen Bestseller veröffentlicht hatte, unbekannte Autoren auf und behaupteten, der Erfolgsautor habe sich dreist aus ihren Manuskripten bedient, die sie früher einmal - erfolglos natürlich - bei Verlagen oder Agenturen eingereicht hatten. Sind also die Bestseller-Autoren allesamt literarische Diebe? Oder hat man ihnen nur übel mitgespielt? Für einen Meisterdetektiv wie Wolfe ist es natürlich ein Klacks, mittels eines Stil- und Sprachanalyse zu ermitteln, das hinter allen vier angeblichen Plagiatsfällen offenbar nur ein einziger Drahtzieher steckt. Aber den zu ermitteln ist dann um so schwerer, zumal er damit beginnt, alle möglichen Belastungszeugen der Reihe nach zu ermorden. "Das Plagiat" spielt Ende der 50er Jahre in einem derart beschaulichen New York, dass man es kaum für möglich hält, und ist ein nettes keines Kabinettsstückchen aus der Nero-Wolfe Reihe, mit der Rex Stout weltbekannt wurde.

Ohne Manuskripte wären die Plagiate in Rex Stouts Roman nicht möglich gewesen - und Manuskripte stehen auch im Mittelpunkt von zwei Krimis, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.
In "Das Manuskript" von Val MacDermid, der Meisterin des britischen Thrillers, bekommen wir es mit Penny Varnavides zu tun, erfolgreiche amerikanische Autorin einer Jugendkrimiserie. Sie stirbt während ihres Aufenthaltes in London durch eine explodierende Bierflasche - an sich keine große Sache, die leicht als Unfall durchgehen könnte, wenn die Polizei nicht herausfinden würde, dass Penny für ihren neuen Roman eine höchst unkonventionelle Mordmethode erfunden hat: eine explodierende Bierflasche. Hat das Leben hier die Kunst imitiert - oder ein Mörder die Idee für eine Mordmethode gestohlen?
Da niemand ausser Pennys Expartnerin Meredith kaum jemand das Manuskript kennen konnte, hält sich die Polizei an sie, und in ihrer Not läßt Meredith ihre Freundin Lindsay Gordon aus Kalifornien als Retterin in der Not einfliegen. Und Lindsay tun sich bei der Suche nach dem Mordmotiv die Abgründe der Verlagsbranche und der Literaturszene auf. Und es stellt sich weniger die Frage, wer von Pennys Tod profitiert, sondern vielmehr, wer am meisten?

Ein Manuskript als Gegenstand des Ränkespiels der unterschiedlichsten Gruppen ist auch "Das Kastler-Manuskript". Der Spionage- und Action-Thriller von Robert Ludlum opriert nach der einfachen Formel: Groß ist nicht groß genug. Als Experte für weltumspannende und hochkarätige Verschwörungen erzählt Robert Ludlum zuerst einmal davon, wie FBI-Chef J. Edgar Hoover im Auftrag einer Gruppe einflussreicher Männer eleminiert wird und wie man sich Hoovers geheimes Archiv mit zahllosen brisanten Informationen über die Polit- und Wirtschaftselite der USA aneignet. Doch das Material ist nicht komplett - und da kommt der Thriller-Autor Peter Kastler in Spiel, der als unwissendes Trüffleschwein der Clique die fehlenden Unterlagen beschaffen soll. Für Peter Kastler wird die Sache zu einem Abenteuer auf Leben und Tod, bei dem er nur nach und nach begreift, dass er lediglich eine Figur in einem Spiel ist, dessen Regeln er nicht begreift - und bei dem absolut offen ist, ob "Das Kastler-Manuskript" jemals vollendet wird..

Und natürlich gehören auch wirklich unvollendete Kriminalromane echter Autoren zum Thema "Krimis und Bücher". Aus einem nachgelassenen Fragment eines Philip Marlowe-Romanes von Raymond Chandler (1888 - 1959) machte Robert B. Parker - den Krimikenner aufgrund seiner Parker-Serie als Chandlers legitimen literarischen Erben betrachten, im Jahr 1989 einen "neuen" alten Marlowe-Krimi: "Poodle Springs" (deutsch: "Einsame Klasse") zeigt und Phil Marlowe als fast gesettelten Ehemann, der sich mit der Perspektive konfrontiert sieht, schon bald nur noch Gatte seiner Frau, als "der Mann an ihrer Seite" seine Tage im mondänen Wohlstandsghetto Poodle Springs zu verbringen. Das einzige, was da totgeschlagen wird, so scheint es, ist die Zeit. Aber natürlich kommt alles ganz anders und Marlowe ist schon bald wieder auf vertrautem Terrain im Einsatz.

Aus nachgelassenen Unterlagen der britischen Autorin Dorothy Sayers (1893 - 1957) über Lord Peter Wimsey und seine Gattin Harriet Vane hat in jüngst die Britin Jill Paton Walsh neue Kriminalgefälle für "Lord und Lady Wimsey" geschaffen. "Mord in mageren Zeiten" führt uns ins England von 1940. Harriet Vane - jetzt Lady Wimsey - hat sich mit ihren Kindern aufs Land zurückgezogen. Es ist Krieg, in der Nähe des Landsitzes ist ein Stützpunkt der Royal Air Force . Dann liegt eines Tages eines der Mädchen tot auf der Straße, das den Soldaten die Zeit bis zu ihren Einsätzen verkürzte. Ein Mord, dessen Aufklärung den ganzen Scharfsinn von Lord und Lady Wimsey fordert.


Umberto Eco: Der Name der Rose, Hanser
Matthew Pearl: Der Dante Club, Hoffmann und Campe
Manuel Vasquez Montalban: Undercover in Madrid
Rex Stout: Das Plagiat (vergriffen)
Martin Walser: Tod eines Kritikers
Val McDermid: Das Manuskript
Robert Ludlum: Das Kastler-Manuskript
Robert P. Parker / Raymond Chandler: Einsame Klasse
Jill Paton Walsh / Dorothy L. Sayers: Mord in mageren Zeiten

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