29.10.12
Petra Hammesfahr:
Die Lüge
Es ist Juli, viel zu heiß für ein Vorstellungsgespräch, und Susanne Lasko glaubt kurz an eine Fata Morgana. Tritt da aus dem Aufzug des Bürohauses nicht ihr lebendig gewordenes Spiegelbild? Aber die Illusion währt nur einen Augenblick. Die andere Frau gleicht ihr zwar wie eine Zwillingsschwester
Ich bin Du, aber Du bist nicht ich
Partnertausch extrem
So fangen Alpträume an: Man sieht sich selbst. So fängt die Geschichte von Susanne Lasko un Nadia Trenkler an: Susanne - das arme Mädchen mit der nicht immer einfachen Vergangenheit trifft in Nadia ihre Doppelgängerin: smart, reich, erfolgreich in der Geldanlagebranche. Und so gehen Alspträume weiter: Die reiche Nadia wirbt die arme Susanne als ihre Stellvertreterin an. Denn Nadia möchte - angeblich - hin und wieder ein paar Tage mit ihrme Liebhaber verbringen und findet es eine gute Idee, wenn Susanne sie so lange daheim in der Luxusvilla bei ihrem Gatten vertritt.
Eine Geschichte wie aus einem TV-Movie - aber was Petra Hammesfahr daraus macht, ist schon gekonnt: Sie führt Susanne - das arme Mädchen - in alle Höhen und Tiefen, die eine solche Partnertauschgeschichte nach sich zieht. Nicht nur, dass das Bäumchen-wechsel-dich-Spiel scheinbar funktioniert. Nicht nur dass Susanne sich Hals über Kopf in Nadias Mann verliebt. Nicht nur, dass Susanne plötzlich meint, Nadia habe das alles nur arrangiert, um sie umzubringen. Nichts nur das... genug - beziehungsweise: nicht genug. Denn immer wenn man dem Komplott hinter der Geschichte auf die Spur gekommen zu sein glaubt, findet Petra Hammesfahr eine neue Wendung und stürzt Susanne und uns Leser in neue, tiefere Verwirrung.
Das ist geschickt und aufwendig konstruiert, und gut erzählt - im typischen suggestiven Hammesfahr-Tonfall, der uns auch die alltäglichsten Vorkommnisse wie ein riesengroßes Geheimnis erscheinen lässt.
TIPP für Unterhaltungsleser.
Petra Hammesfahr, geb. 1951, schrieb mit 17 Jahren ihren ersten Roman. Mit ihrem Buch »Der stille Herr Genardy« kam der große Erfolg. Sie veröffentlichte zahlreiche Kriminalromane, die inzwischen eine Gesamtauflage von mehreren Millionen Exemplaren erreicht haben.
Petra Hammesfahr:
Die Lüge
Verlag: Wunderlich
24.10.12
Mordsberatung Factsheet: Trümmerkrimis
Factsheet
Telefonischen Mordsberatung auf WDR5
27.10.2012
Emscherquellhof Quellenstr. 3
59439 Holzwickede
Live vom Festival "Mord am Hellweg"
Krimi-Tipps direkt von der Quelle
Moderation: Thomas Hackenberg
…sind Kriminalromane, die in der deutschen Nachkriegszeit – von Kriegsende bis zum Anfang der Siebziger Jahre spielen.
Wer?
Peter Kerksen: Zechensterben
Spielt zur Zeit der Fussball-WM 1966 ("Wembley-Tor") in Oberhausen und hat thematisch auch das titelgebende Zechensterben als Unterthema.
Stichwort: Kohle- und Stahlkrise im Revier
Christiane Dieckerhoff: Blütenträume
Spielt ebenfalls um die Sechziger im Revier rund um die Zeche Ludwig. Ein Lokalreporter deckt einen Einbruch und Diebstahl aus dem Geldtresor der Zeche auf.
Cay Rademacher: Der Trümmermörder
Cay Rademacher: Der Schieber
Spielen in der direkten Nachkriegszeit (1946/47) in Hamburg. Im Mittelpunkt stehen Kommissar Stave von der Mordkommission und Lieutenant MacDonald vom britischen Nachrichtendienst. Dichte Atmosphäre (Schwarzmarkt, Demontage, Reparationen etc) , ausgezeichnet geschildertes Lokalkolorit, teilweise Bezug auf reale Fälle ("Trümmermörder") machen die Reihe zu einem kleinen Juwel.
Edgar Noske: Nacht über Nippes
Spielt im Köln der fünfziger Jahre
Helmut Frangenberg: Trümmer
Spielt im Köln des Jahres 1947 und behandelt einen authentischen Fall
Jürgen Ehlers: Neben dem Gleis
Spielt in Hamburg 1959 und erzählt die Geschichte einer Serie von Banküberfällen, bei denen der Täter die Polizei narrte – ein authentischer Fall. Der Autor hat zuvor bereits eine Reihe von historischen Krimis, meist zu authentischen Fällen, aus der Weimarer Zeit geschrieben.
Anne-Kathrin Koppetsch: Kohlenstaub
Spielt in den Sechzigern in Dortmund und erzählt von den ersten Pfarrerinnen, die im Kirchendienst tätig waren.
Wolfgang Brenner: Der Patriot
…ist ein Sonderfall, weil es mehr Polit-Thriller und Spionageroman als klassischer Krimi ist: Es geht um den authentischen Fall des Verfassungschutzchefs Otto John, der 1954 plötzlich in der DDR auftauchte. Entführung und Gehirnwäsche oder freiwilliger Übertritt?
Uwe Klausner: Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall
Gehört zu einer Serie von historischen Krimis, die ihren Helden aus der Nazizeit herüber ins Nachkriegsdeutschland füphren. Diese Roman behandelt die Unterstützung alter Nazis im Nachkriegsdeutschland. Er spielt 1962 in Berlin wo eine Sekretärin des BND ermordet wird.
Jan Zweyer: Persilschein
Ist der dritte Teil einer Trilogie, mit der Jan Zweyer seinen Helden Peter Goldstein bzw Golsten aus dem Dritten Reich bis ins Nachkriegsdeutschland verfolgt. Dieser Roman spielt in Herne und im Ruhrgebiet 1950.
Warum?
Die zeitgeschichtlich orientierten Krimis bieten nicht nur das nolstalgische Gefühl der Erinnerung an Fernsehereignisse wie "Stahlnetz" (1958–1968) oder die Durbridge-Straßenfeger, sie bedienen auch die Erinnerungsindustrie, wie sie aktuell von den Event-Filmen im Fernsehen und einer Reihe von zeitgeschichtlichen BioPics betrieben wird: Es gab Filme über die Sturmflut in Hamburg, über das Unglück und die Rettung von Lengede und BioPics über Beate Uhse, Hildegard Knef oder Romy Schneider.
Vergangenheit ist also nicht mehr nur durch die eigene Biographie erinnerbar, sondern auch durch und im Rhamen von Unterhaltungsstoffen. Den ersten Ansatz einer künstlerischen Verarbeitung der Nachkriegszeit machte Rainer Werner Fassbinder mit seinen deutschen Trilogie "Die Ehe der Maria Braun" (1978), "Lola" (1981) und "Die Sehnsucht der Veronika Voss" (1982).
Der Wert der "Trümmerkrimis" liegt also in ihrem nolstalgischen Potential.
Dazu kommt, dass die zeitgeschichtliche Kulisse ohne Bezug aufs Dritte Reich und die damit verbundenen politisch belasteten Themen erzählt werden kann. Thematisiert wird die Anstrengung der Wiederaufbaus, die Zufriedenheit des Wirtschaftswunders und des "Wir sind wieder wer", gemeinsam mit dem gesellschaftlichen und technologischen Optimismus dieser Zeit.
Dazu kommt, dass die zeitgeschichtliche Kulisse ohne Bezug aufs Dritte Reich und die damit verbundenen politisch belasteten Themen erzählt werden kann. Thematisiert wird die Anstrengung der Wiederaufbaus, die Zufriedenheit des Wirtschaftswunders und des "Wir sind wieder wer", gemeinsam mit dem gesellschaftlichen und technologischen Optimismus dieser Zeit.
Die Trümmerkrimis schließen an die historischen Krimis aus der Epoche der Weimarer Republik und des Dritten Reichs an, die von Volker Kutscher, dem Briten Philip Kerr und teilweise von –ky und Susanne Goga geschrieben werden.
Die Kulisse des zerstörten Deutschlands, beziehungsweise des Wiederaufbaus und später des Wirtschaftswunders ist in Teilen der kollektiven Erinnerung noch präsent und bietet daher einen guten Resonanzboden für eine Kriminalgeschichte. Und es gibt in der kollektiven Erinnerung auch eine Reihe von "großen Verbrechen", die Thema werden können:
Der Fall Vera Brühne,
der Fall Jürgen Bartsch,
der Fall Rosemarie Nitribitt, ("Rosemarie" von Erich Kuby)
der Soldatenmord von Lebach etc –
alles Fälle, die ähnlich sensationell aufgemacht wurden wie jüngst etwa die Fälle Sedlmayr, Moshammer oder Kachelmann. Die großen klassischen Fälle spiegeln – in der Rückbetrachtung - auch stets die essentiellen moralischen und gesellschaftspolitischen Unterströmungen ihrer Zeit.
Zum Rundgang durch das Wirtschaftswunder klicke HIER
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Die Krimis aus der Zeit des Wiederaufbaus spielen aber auch in den Bereich der Familiengeschichten, die derzeit als Genre erfolgreich sind – weil sie gleichsam sie Epoche unserer Eltern oder Großeltern schildern.
"Echte" Kriminalromane aus der Epoche (also Romane, die zu jener Zeit geschrieben wurden) sind entweder verloren (nicht mehr greifbar) oder sie weichen einer realistischen Beschreibung der Zeit aus, indem sie als Krimi weitgehend klassische Geschichten in einem wenig prägnanten deutschen Ambiente erzählen.
Krimis aus jener Zeit wären die Romane von Hans Gruhl, teilweise von Stefan Murr, einige Stahlnetz-Romane von Wolfgang Menge etc.
Viele Romane, die wir heute als "Krimis" bezeichnen würden, erschienen seinerzeit als Fortsetzungsgeschichten in Illustrierten und sind heute nicht mehr unmittelbar greifbar.
Rarität dabei: Ein frühes Werk von Jacques Berndorf "Der Monat vor dem Mord", ein Fortsetzungsroman aus dem stern von 1972, (damals noch von Michael Preute), der vor einigen Jahren wieder aufgelegt wurde.
Die Epoche der "nachgeschriebenen" historischen Krimis endet Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger – hier begann der "neue deutsche Krimi", beziehungsweise der "Sozio-Krimi", der sich der realistischen Darstellung bundesrepublikanischer Wirklichkeit verschrieben hatte und dessen Werke heute schon als "historische Krimis" gelesen werden können.
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Wie?
Zeitgeschichte als Hintergrund wird mit verschiedenen erzählerischen Mitteln, die teilweise aus dem historischen Roman stammen, vermittelt. Hinweise auf reale Ereignisse, Bezüge auf Zeitungs-Beiträge etc, Nennung von Markennamne, ausführliche Beschreibung von Lebenssituationen (besonders bei den Krimis in den 40er Jahren) sind die klassischen Methoden, um die Kulisse aufzubauen.
Die Verarbeitung von realen Kriminalfällen – wie etwa im "Trümmermörder" – schafft oft eine zusätzlichen Attraktivität.
Die Verarbeitung von realen Kriminalfällen – wie etwa im "Trümmermörder" – schafft oft eine zusätzlichen Attraktivität.
Charakterisch für Trümmerkrimis ist, dass die Kriminalfälle noch "von Hand" gelöst werden müssen, also ohne das modische Instrumentarium von Rechtsmedizin und Forensik. Das bietet die Möglichkeit, sich mehr mit Menschen und Charakteren zu beschäftigen.
In Trümmerkrimi rauchen die Leute Overstolz oder Juno oder später Ernte 23, und zwar dauernd und überall. Es gibt auch Pfeifenraucher und Raucher von Zigarren und "Stumpen", eine Art minderwertiger Zigarre. Sie trinken Dujardin oder Asbach Uralt, fahren Volkswagen (den Käfer) oder Opel (den Admiral) oder Mercedes (den Ponton-Mercedes) und sie müssen zum Telefonieren in telefonzellen gehen und unter anderem auch "Ferngespräche" anmelden. Sie gehen eher ins Kino oder ins Variete als dass sie daheim fernsehen, und wenn, dann können sie höchstens ein oder zwei Programme sehen, und auch das nur in schwarz-weiss.
19.10.12
Sven Böttcher:
Prophezeiung
Mavie Heller ist Klimaforscherin in Hamburg und absolut begeistert davon, dass ihr Chef Professor Eisele ihr einen Posten in der Forschungsstation des Klima-Gurus Beck auf La Palma besorgt hat. Doch schon nach ein paar Tagan auf der Insel im streng abgeschirmten Institut wird Mavie klar, dass hier etwas seltsames vor sich geht - und das steht im Zusammenhang mit PROMETHEUS, einem computergestützten Wettervorhersageprojekt, das ihr ein Kollege stolz präsentiert.
Neugierig wie sie ist verschafft sich Mavie Zugang zu Prometheus und stellt überrascht fest, dass das Programm Klimaveränderungen auf Jahre hin EXAKT vorhersagen kann. Das allein wäre schon reinstes Dynamit - aber noch bedeutender ist die Tstache, dass PROMETHEUS aus den aktuellen "ergiebigen Niederschlägen, die Nordeuropa heimsuchen, eine Flutkatastrophe hochrechnet, die in absehbarer Zeit unter anderem Hamburg und die Nordseeküste heimsuchen wird.
Mavie schafft es gerade noch, die Daten zu kopieren und einer befreundetetn Journalistin von ihrer Entdeckung zu berichten - dann wird sie entdeckt und entlassen. Doch wenn sie geglaubt hat, sie könne jetzt die gestohlenen Prometheus-Daten einfach an die Öffentlichkeit bringen, da hat sie sich getäuscht: Man ist ganz eindeutig hinter ihr her. Und ihre Journalistin-Freundin ist bei einem mysteriösen Unfall ums Leben gekommen. Zusammen mit derem Bruder, einem smarten und äußerst wohlhabenden Abenteuer, macht sich Mavie daran, das ganze Komplott, das sie hinter PROMETHEUS vermutet, zu enthüllen. Und gerät in extreme Lebensgefahr.
"Prophezeiung" ist Öko-Thriller und Action Roman mit einem gewissen Science Fiction-Aspekt, und das funktioniert alles ganz ausgezeichnet - ganz besonders in Bezug auf die sympathische und patente Hauptfigur. Man sollte sich allerdings von der ausführlich dargestellten Diskussion um die Klimakatatrsophe im ersten Drittel des Buches nicht täuschen lassen - es geht um viel mehr als nur um das Wetter. Es geht vor allem auch um Verschwörungstheorien und Manipulation in der Mediengesellschaft.
Spannender, spekulativer Suspense-Thriller, der dem Leser keine Chance lässt, das Buch aus der Hand zu legen. Action mit Anspruch - brillant präsentiert..
Reinhard Jahn WDR5 Mordsberatung
Sven Böttcher:
Prophezeiung
Kiepenheuer und Witsch
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